NFL

Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse der Wildcard Round: Wie geht es weiter für die Verlierer?

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt nach der ersten Playoff-Runde vor allem auf die Verlierer - und deren Prognose für die Zukunft.
© getty
Cookie-Einstellungen

6. Cardinals: Führt diese Niederlage zu Entlassungen?

Ist das die Art Niederlage, die eine Organisation auf den Kopf stellt und die zu Entlassungen führt?

Ein Spiel, in dem die Defense chancenlos war, Kyler Murray vielleicht sein schlechtestes Spiel seit seiner Rookie-Saison hatte, die Receiver keine Plays machten und die Offensive Line dominiert wurde? Ein Spiel, das schon vor der Halbzeitpause entschieden war?

Cardinals-Teambesitzer Michael Bidwill war, das ist kein Geheimnis, nach dem Ende der vergangenen Saison bereits unzufrieden und ließ das intern auch Kingsbury und mutmaßlich GM Steve Keim wissen.

Den Sprung in die Playoffs hat Arizona dieses Jahr geschafft, und wenn man den Fortschritt dieses Teams von 2019 bis jetzt misst, sieht man eine schrittweise Entwicklung vom eindeutig schlechtesten Team der Liga nach der 2018er Saison hin zu einem Team, das nach der Hälfte dieser Regular Season wie ein Titelkandidat aussah und die explosivste Offense der Liga aufs Feld führte.

Dementsprechend gilt es dann auch, das Gesamtbild zu bewerten. Auch nach einem ohne Frage peinlichen Auftritt auf der großen Playoff-Bühne, im ersten Playoff-Spiel seit sechs Jahren. Umso wichtiger ist es auch, keine Entscheidung in den ersten Tagen nach dem Spiel zu treffen und das erwarte ich von Bidwill, der bisher als vergleichsweise geduldiger und "guter" Owner in der Führung der Franchise in Erscheinung getreten ist, auch nicht.

Cardinals: Kingsbury sollte noch eine Chance bekommen

Kritik ist dabei absolut gerechtfertigt. Die Tatsache, dass Arizona die Division verspielte und dann dieses Playoff-Spiel hinlegte, nachdem letztes Jahr eben schon die Luft im Schlussspurt der Saison ausgegangen ist, muss zu Fragen führen, auch mit den Verletzungen von DeAndre Hopkins und J.J. Watt im Hinterkopf. Fragen schematischer Natur, aber auch was die mentale Qualität des Teams angeht.

Und dann muss man auch über die Kaderplanung generell sprechen. Arizona hat jetzt in aufeinanderfolgenden Jahren seinen Erstrunden-Pick in einen Off-Ball-Linebacker investiert, mit Isaiah Simmons und Zaven Collins. Simmons hatte eine up-and-down-Saison und gegen die Rams wurde er bei Run-Downs immer wieder rausgenommen.

Collins kam generell kaum überhaupt aufs Feld, er beendete die Regular Season mit insgesamt 220 Defense-Snaps, in fünf der Spiele, in denen er active war, blieb er unter zehn. Arizonas Idee war, dass man mit den beiden physisch ungewöhnlich gebauten Linebackern nicht nur in Coverage ganz neue Möglichkeiten bekommt, sondern auch mehr Explosivität und Physis gegen den Run gewinnt.

Von beidem ist man bisher weit entfernt, und wer weiß, wo dieses Team wäre, wenn man 2020 statt Simmons CeeDee Lamb gewählt hätte. Oder wenn die Draft-Strategie im vergangenen Jahr anders ausgefallen wäre, etwa darauf ausgelegt, ein wenig Draft-Kapital nach mehreren Trades zurück zu gewinnen. Ganz davon zu schweigen, dass die allermeisten Keim-Drafts der letzten Jahre sehr weit unten im Liga-Vergleich rangieren.

Kingsbury in meinen Augen sollte ein viertes Jahr bekommen. Ich würde diese Connection mit Kyler Murray nur aufbrechen, wenn ich sehr sicher bin, und dafür hat er nicht zuletzt in seiner Entwicklung als Play-Caller zu viel gezeigt und scheint ein Coach zu sein, der intern sehr gut mit den Spielern kommuniziert. Was nicht heißt, dass der Druck für 2022 enorm sein wird oder dass dieser Schlussspurt nicht enttäuschend war. Vielleicht liegt ein erster Ansatz darin, dass Kingsbury sich einen Offensive Coordinator zur Seite holt.

Kingsbury hat das Team maßgeblich mit entwickelt über die letzten drei Jahre, der Umbruch unter ihm ist immer noch auf keinem schlechten Weg, auch wenn es sich nach diesem Spiel gegen die Rams anders anfühlt. Aber wenn 2022 erneut unterstreicht, dass er damit sein Ceiling erreicht hat, wird er weg sein.

Arizona: Offseason-Aufgaben sind klar

Wenn jemand gehen muss, dann sollte es Steve Keim sein. Sein Versuch, ein erfahrenes Team zusammenzustellen, um so auch in puncto Leadership und mentaler Stärke den Bock umzustoßen, muss man nach dieser Saison als gescheitert betrachten.

Die Draft-Geschichte spricht für sich, man kann sehr gut argumentieren, dass Keim über die letzten vier Jahre mit die schlechtesten Draft-Entscheidungen getroffen hat, und das seine einzige wirklich gute Entscheidung die war, einen eigenen Draft-Fehler in Person von Josh Rosen schnellstmöglich zu korrigieren. Hier muss man auch hinterfragen, ob ein Disconnect mit dem Trainerstab ein Thema ist, insbesondere defensiv.

Und dann stand am Montagabend einmal mehr ein altbekanntes Problem aus Cardinals-Sicht im Mittelpunkt: Die Line of Scrimmage ging verloren. Das war auch in anderen Phasen dieser Saison ein Problem, nicht zuletzt im zweiten Aufeinandertreffen mit Los Angeles: Arizona verlor die Line of Scrimmage, und das auf beiden Seiten des Balls.

Dieses Problem hat sich durch die Saison gezogen. Defensiv konnte man es in der Frühphase der Saison mit Aggressivität und durch die eigene High-Scoring-Offense überspielen, doch das Problem wurde immer deutlicher. Offensiv gab es immer wieder Spiele, in denen Schwachstellen deutlich wurden, mal auf Guard, mal auf Tackle.

Hier sehe ich auch den klarsten Ansatz für die Kader-Baustellen in der Offseason. Das Team braucht einen stabileren Floor, und der beginnt an der Line of Scrimmage. Das hat diese Cardinals-Saison eindrucksvoll untermauert.