Mailbag: Wurde der Quarterback-Jahrgang 2021 überschätzt?
EmsiRämsi: Einschätzung zum QB-Jahrgang 2021 (Lawrence, Wilson, Fields, Lance...) War der Jahrgang massiv overhyped, oder sind es die teilweise unglücklichen Umstände? (Verletzungen, Support...)
Man muss natürlich vorsichtig sein mit solchen Einschätzungen nach nicht mal eineinhalb Saisons. Doch immerhin lässt sich wohl schon sagen, dass dieser Jahrgang - betrachten wir mal für den Moment nur die Erstrundenpicks und Davis Mills (3. Runde), da die anderen noch keine Rolle gespielt haben (ich bin gespannt auf Sam Ehlinger bei den Colts) - bislang die Erwartungen zumindest mal noch nicht erfüllt hat.
Von den fünf Erstrundenpicks hat es bislang einer in den Pro Bowl geschafft, nämlich Mac Jones von den Patriots. Und jener spielte sicher auch die klar beste Saison aller Rookie-Quarterbacks 2021. Doch an ihm ist sicherlich auch wunderbar abzulesen, welche Schwierigkeiten sich ihm und auch den anderen QBs seines Jahrgangs stellten und immer noch stellen.
Allen voran Trevor Lawrence, der zweifelsohne der talentierteste QB dieser Klasse ist, hatte im ersten Jahr in Jacksonville bekanntermaßen katastrophale Umstände. Die für ihn damals zuständigen Coaches Darrell Bevell und Brian Schottenheimer gelten jetzt nicht als Koryphäen des Play-Designs und kamen ihm mit dem Scheme nicht entgegen. Es war alles zu statisch, zu eintönig, es gab kaum verschiedene Layers und meist simple vertikale Routes der Receiver, die zu lange brauchten, um sich zu entwickeln. Und es gab kaum Pre-Snap-Motion, was er eben aus Clemson gewohnt war.
Die Jaguars unter Urban Meyer demonstrierten, wie man mit einem hochtalentierten Rookie-QB nicht umgeht. In diesem Jahr sieht das schon ganz anders aus unter Doug Pederson, auch wenn die Jaguars und Lawrence zuletzt wieder ein paar Schritte zurück gemacht haben.
Zach Wilson hatte es ebenso schwer und machte eben auch zahlreiche Fehler. Diese hat er nun gewissermaßen minimiert, doch findet er trotz viel Zeit zum Werfen (3,16 Sekunden im Schnitt) kaum offene Receiver. Und wenn, sind die Pässe zu unpräzise. Laut Next Gen Stats liegt seine Completion Percentage 8 Prozent unter seiner Expected Completion Percentage. Diese Diskrepanz ist die drittschlechteste der NFL hinter Baker Mayfield (-11,7 Prozent) und - wie der Zufall so will - Justin Fields (-10,7 Prozent). Bei Wilson stellt sich also schon die Frage, wie lange sich die Jets das anschauen werden, zumal sie gerade sehr euphorisiert sind nach ihrem starken Start.
Trey Lance kann man nach seiner kurzen Einsatzzeit und der schweren Verletzung in dieser Spielzeit abgesehen von der Tatsache, dass er in den letzten drei Jahren kaum gespielt hat, noch nicht realistisch bewerten und dann wären wir schon bei Fields. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich Fields nur ganz schwer einschätzen kann. Wie bereits erwähnt kommen seine Pässe kaum an. Das liegt zum einen daran, dass er von Haus aus nicht der akkurateste Passer ist. Zum anderen war es eben speziell im Vorjahr so, dass der Staff von Matt Nagy schlicht nicht wusste, wie er Fields einsetzen sollte.
Aus irgendeinem Grund war die Idee, ihn als Pocket Passer zu nutzen, was er eben nicht ist. Und hier ignorieren wir mal, dass die Offensive Line vor ihm im Grunde aus Pappaufstellern bestand.
Fields ist dann gut, wenn er in Bewegung sein kann, wenn er über Rollouts, Bootlegs und Play Action aus der Bewegung werfen kann. Wenn er seinen starken Arm für Big Plays einsetzen kann und auch mal selbst läuft. All das ließ man ihn im Vorjahr kaum machen.
NFL: Quarterback-Klasse von 2021
Draftposition | Spieler | Team | Spiele | Passer Rating |
1. | Trevor Lawrence | Jaguars | 24 | 76,8 |
2. | Zach Wilson | Jets | 17 | 70,5 |
3. | Trey Lance | 49ers | 18 | 73,1 |
11. | Justin Fields | Bears | 18 | 73,1 |
15. | Mac Jones | Patriots | 20 | 89,9 |
67. | Davis Mills | Texans | 19 | 87,0 |
In diesem Jahr wird es etwas besser, aber auch noch nicht in dem Maße, dass er sich wohlfühlen würde. Dazu ist die Offense der Bears auch zu lauflastig. Die Early Down Pass Rate, die ich weiter oben schon mal zu Rate gezogen habe, liegt bei den Bears in neutralen Situationen bei 42,6 Prozent - nur die Saints und Falcons passen noch seltener in frühen Downs.
Aber man darf bei Fields auch nicht zu viel am Scheme kritisieren, denn er selbst macht auch zu viele eigene Fehler. Er hat Probleme mit seinen Reads, übersieht gerne die einfachen Optionen, die den Ball bewegen würden und geht eher auf riskantere, tiefere Pässe, die schlimmstenfalls beim Gegner landen. Alles nicht optimal. Er zeigte immerhin Besserung am Montag in New England. Ob das mehr an ihm oder am Gegner lag, werden wir in ein paar Wochen bewerten können.
Und dann hätten wir noch Mac Jones, dem man lange nicht so recht die Stützräder abnehmen wollte, der dann aber dennoch gute Leistungen mit wenigen Fehlern zeigte und sein Team in die Playoffs führte. In diesem Jahr begann er, wie die gesamte Patriots-Offense unter neuer Leitung und mit neuen - schlecht umgesetzten - Ideen schwach. Und im ersten Spiel, als er dann aggressiver wurde und mehr Shot Plays versuchte, verletzte er sich bei der Pleite gegen Baltimore. Seither durfte Bailey Zappe ran und überzeugte im nun stabileren Offense-Scheme der Patriots. Die Erwartung ist nun, dass auch Jones sich diese nun besseren Voraussetzungen zunutze machen und entsprechend wieder ansprechendere Leistungen zeigen wird.
Doch dann kam eben das Bears-Spiel, in dem Jones mindestens mal nicht bereit wirkte. Nach drei enttäuschenden Serien ging es wieder auf die Bank und Zappe glänzte für zwei Angriffsserien, ehe alles den Bach runter ging. Nun stellt sich auch hier die Frage, wie auch angesichts der viel- oder nichtssagenden Aussagen von Bill Belichick weitergeht. Aber es ist nicht auszuschließen, dass dieses merkwürdige Wechselspiel das Potenzial hat, beide jungen Quarterbacks zu verbrennen.
Der Vollständigkeit halber sei noch Davis Mills erwähnt, der letztlich letzte Saison und diese auch gerne in einzelnen Momenten für Spektakel sorgt, aber sicherlich nicht der effizienteste Vertreter seiner Zunft ist. Er kann an guten Tagen glänzen, wird aber an normalen Tagen einige Fehler machen. Die Zukunft wird er für die Texans nicht sein, jedenfalls nicht als Starter. Als Backup hingegen dürfte er noch lange in der Liga bleiben, und als Übergangslösung erfüllt er seinen Job.
Aber wie verbleiben wir jetzt mit dieser QB-Klasse? Die Erwartungen erfüllt haben bislang nur die wenigsten - eigentlich nur Jones. Es ist noch viel Luft nach oben, doch zeigen einige Beispiele, dass Leistungssteigerungen nach zwei, drei Jahren in der Liga durchaus drin sind.
Das heißt: Lawrence sollte man weiterhin als zukünftigen Top-QB zumindest auf dem Zettel haben, während bei Wilson und Fields zumindest mal Zweifel angebracht sind. Lance können wir frühestens nächste Saison fair bewerten und Jones ist einer, mit dem man gewinnen kann. Zumindest war das bislang so. Ob aber noch viel Steigerungspotenzial drin ist, darf man bezweifeln. Doch ein solider QB mit geringer Fehlerquote ist dieser Tage durchaus brauchbar.
LauLeoLem: Sind die Seahawks doch nicht im Rebuild? Würde man jetzt noch einen QB in der ersten Runde draften.
Auch wenn das jetzt nicht so aussehen mag, befinden sich die Seahawks gerade ganz klar im Rebuild. Sie zeigen aber, dass ein solcher auch schnell gehen kann, wenn man einen guten Quarterback hat. Und auch wenn das für mich persönlich gewöhnungsbedürftig ist, muss man Geno Smith aktuell als guten Quarterback bezeichnen.
Smith liegt auf Rang 4 mit einem 66,8 Total QBR, Rang 3 mit einem 107,7 Passer Rating und führt die Liga an mit 8,2 Prozent Completion Percentage over Expected. Er macht das richtig gut und setzt das System der Seahawks wirklich sehr gut um.
Und dennoch sind die Seahawks voll im Rebuild. Aktuell starten bei ihnen fünf Rookies. Demnächst könnte mit Wide Receiver Dareke Young noch ein sechster hinzu stoßen, da DK Metcalf womöglich ein paar Wochen (Knie) fehlen wird.
Insofern gehe ich Stand jetzt nicht davon aus, dass die Seahawks auf Teufel komm raus einen Quarterback in Runde 1 ziehen werden im kommenden Draft. Sie könnten, je nachdem, wie sich die Saison weiter entwickelt, aber als gegeben würde ich das nicht mehr ansehen, obgleich sie jede Menge Munition haben mit vier Picks in den ersten beiden Runden. Wahrscheinlicher dürfte es sein, dass man Smith einen neuen Vertrag gibt.
Doch basierend auf den bisher gezeigten Leistungen, haben sie vor allem Upgrades in der Front Seven bitter nötig. Die Offense funktioniert gerade sehr gut und kann sich auf die beste Offensive Line seit vielen Jahren in Seattle verlassen. Hier sind vor allem die Rookie-Tackles Charles Cross und Abraham Lucas hervorzuheben. Doch auch Free-Agent-Center Austin Blythe trägt seinen Teil dazu bei, dass vor Geno Stabilität herrscht.
Die Defense dagegen hat klare Defizite an der Front, was Laufverteidigung, aber auch immer noch, was Pass-Rush angeht. Die Seahawks machen mir den Eindruck, dass sie von Smith überzeugt sind, weshalb es nun naheliegt, die größten noch vorhandenen Baustellen zu beackern. Und die liegen eben in der Defense.