3. Haben die Ravens ein Passing-Game-Problem?
Die Niederlage der Ravens gegen Buffalo wurde im Nachgang vor allem durch ein Thema geprägt: Die Entscheidung von John Harbaugh, beim Stand von 20:20 gut vier Minuten vor dem Ende Fourth Down an der gegnerischen 2-Yard-Line auszuspielen. Der Pass von Jackson endete in einer Interception, im Gegenzug gingen die Bills 77 Yards das Feld runter und verwandelten das Game-Winning-Field-Goal.
Harbaugh selbst erklärte seine Entscheidung anschließend bestens. Ein Field Goal hätte immer noch die Tür offengelassen, dass Buffalo das Spiel per Touchdown gewinnt; die Bills hatten bei drei der vier vorherigen Drives gepunktet, die Tatsache, dass die Ravens früh im Spiel zwei Turnover forciert hatten, sollte hier nicht das Bild trüben. Ein Field Goal, und Buffalo hätte von der eigenen 25-Yard-Line mit vier Downs auf den Game-Winning-Touchdown gehen können.
Man kann über die Entscheidung diskutieren, aber man kann den Ravens nicht vorwerfen, dass sie ein unnötiges Risiko eingegangen sind, oder etwas dergleichen. Das wäre bestenfalls eine maximal einseitige Betrachtung der Ausgangslage und der Argumente, die zu Harbaughs Entscheidung geführt haben.
Haben die Ravens genug um Jackson aufgebaut?
Ehrlicherweise sind es in diesen Diskussionen auch zunehmend die gleichen Fragen, die jedes Mal diskutiert werden, wenn so eine Entscheidung schiefgeht. Natürlich quasi nie, wenn es klappt, aber trotzdem ist es ermüdend geworden.
Spannender finde ich mit Blick auf dieses Duell eine andere Frage: Sind die Ravens schon jetzt in einer Situation, in der offensichtlich wird, dass sie zu wenig um Lamar Jackson herum investiert haben - und das rächt sich jetzt?
Jackson hatte gegen die Bills unter dem Strich kein gutes Spiel; über die ersten vier Wochen dieser Saison gehört er für mich dennoch in die MVP-Diskussion. Und das eben nicht nur, weil Jackson für sich betrachtet eine gute Saison spielt - seine Ausnahmequalitäten als Runner und als Passer, beziehungsweise die Kombination aus beidem, erlauben es der Offense überhaupt erst, auf diesem Level zu agieren.
Wenn wir das noch mit dem kombinieren, was Jackson kreieren und am Boden machen kann, sehe ich keinen Quarterback, der aktuell wertvoller für sein Team wäre. Selbst wenn man argumentiert, dass Jalen Hurts oder auch Josh Allen vielleicht auf einem noch höheren Level gespielt haben - was in meinen Augen für sich betrachtet diskutabel wäre -, dann ist hier der Kontext relevant, dass beide eben in extrem starken Teams agieren, dass beide eine funktionierende Maschine steuern - während Jackson in Baltimore selbst diese Maschine ist.
Wenn Jackson wackelt, wackelt die Offense
Das direkte Duell von Jacksons Ravens und Allens Bills war eine gute Gelegenheit, um zwei der besten Quarterbacks in der NFL aktuell im direkten Duell zu sehen; aber auch, um die Umstände der beiden im direkten Vergleich gegeneinander zu beobachten.
Und so begeistert ich von der Art und Weise, wie Allen dieses Jahr spielt, auch bin - wie konstant und diszipliniert er das Kurzpassspiel nimmt, um Defenses dann zu bestrafen, wenn sie irgendwann ihre Coverages umstellen -, so fällt eben doch auch auf, dass er auch die Möglichkeiten dafür bekommt. Mit einer vielseitigen Offense, mit einer sehr gut designten Offense, mit einer Offense, die Matchups auf jedem Level des Feldes kreiert. Und auch mit einer Offense, die "auf Knopfdruck" vertikaler werden kann, wenn nötig.
Für die Storyline wäre es dementsprechend schön einfach gewesen, hätte Jackson ein glänzendes Spiel absolviert und die Bills gewonnen, weil sie das komplettere Team sind. Mein Takeaway ging allerdings eher in eine etwas andere Richtung: Weil Jackson nicht auf seinem absoluten Toplevel spielte, wurden die Defizite in der Ravens-Offense deutlich.
Lamar Jackson trifft eine Mitschuld
Und Jackson ließ einige Gelegenheiten ungenutzt. Mehrfach spielten die Bills die Motion eines Passfängers in die Flat, sodass er mit Tempo beim Snap bereits Richtung Seitenlinie sprintet, mit der Option, auch vertikal zu gehen. Und mehrfach schien diese Option offen zu sein, doch Jackson ging nicht dorthin.
Die Bills spielten nach der Pause mehr 2-High-Coverages und blitzten etwas mehr, was den Ravens ebenfalls Probleme bereitete - und dann war da eben das Fourth-Down-Play, bei dem Jackson einen offenen Receiver hatte - aber nie auch nur in seine Richtung geschaut hat. Obwohl die Bills auf die Pre-Snap-Motion überhaupt nicht reagiert und den Back im Slot freigelassen hatten.
Umgekehrt gab es auch immer wieder die Szenen, in denen Jackson ein verlorenes Play rettete, oder bei denen die Routes sehr eindimensional waren und niemand offen war.
Das führt zu einer interessanten Diskussion darüber, wie man Baltimores Passspiel auf einen höheren Floor heben könnte, vergleichbar eben mit dem der Bills. Und ich tendiere mehr und mehr dazu, hier zwei Punkte zunehmend auf Augenhöhe zu heben: Ich denke, dass Greg Roman nicht sonderlich kreativ darin ist, ein gutes, vielseitiges Passspiel aufzuziehen, welches Antworten auf verschiedene Probleme bereitet. Und ich denke, dass Jackson zu viele Layups ungenutzt liegen lässt - welche er wiederum dann retten kann.
Das macht es mitunter schwierig, sowohl einen klar "Schuldigen" auszumachen, als auch zu erklären, wie Dinge besser werden können. Mit einem Quarterback wie Jackson wird die Offense manche simple Pässe immer liegen lassen. Der schematische Floor könnte trotzdem höher sein. Ermutigend war, dass das Run Game mit Dobbins' Rückkehr tatsächlich explosiver war. Aber im Passspiel wäre es für diese Offense letztlich wichtig, mehr Receiver zu haben, die individuell gewinnen können. Denn ich denke nicht, dass anderweitig plötzliche Hilfe für diese Passing-Offense kommt.