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Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 4 in der NFL

Lamar Jackson sieht nach Baltimores Niederlage gegen die Bills entsprechend bedient aus.
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2. Ist Seattles Offense mit Geno Smith besser dran?

Wahrscheinlich ist es angebracht, hier mit einer einfachen Aussage einzusteigen: Geno Smith spielt aktuell richtig guten Football.

Der wilde 48:45-Shootout gegen die Detroit Lions war das jüngste Beispiel dafür - und in gewisser Weise auch ein Paradebeispiel für Smiths Saison: Dieser Shootout hatte mehrere Schichten, die für den Kontext des Gesamtbildes wichtig sind - nicht zuletzt die Tatsache, dass hier die beiden vermutlich schwächsten Defenses in der NFL auf dem Feld standen.

Seattles Offense im Gesamtkonstrukt funktioniert aktuell sehr gut - solange die Seahawks an der Line of Scrimmage nicht deutlich verlieren. Und das ist für mich auch der maßgebliche Unterschied zu dieser Offense mit Russell Wilson: Mit Smith kann die Offense in sich kohärent aufgezogen werden, und auch wenn man weniger Auswege, also weniger einen Plan B hat, der mit Wilson gewissermaßen gegeben war - mit Geno Smith funktioniert der Plan A konstanter.

Das betrifft die Art und Weise, wie er den Ball über die Mitte wirft, wie er das nimmt, was die Defense anbietet, und zwar konstant. Und man sieht, wie Run Game und Passing Game aufeinander abgestimmt funktionieren. Das wiederum öffnet Räume am Boden, die insbesondere Rashaad Penny sehr gut zu nutzen weiß.

Penny hatte gegen die Lions vier Runs über je mindestens 15 Yards, seine Athletik und Explosivität werden auch bei den Gap-Scheme-Runs sichtbar, welche Seattle mehr und mehr einbaut: Er hatte den 36-Yard-Touchdown-Run bei Dritter-und-16 Ende des dritten Viertels sowie den langen Touchdown zweieinhalb Minuten vor dem Ende, wo er bei einem Pin-and-Pull-Scheme hinter zwei Pull-Blocks mit Explosivität auf das zweite Level der Defense kommt.

Es ist auch schlicht auffällig, dass die Seahawks deutlich mehr gewillt sind, den Ball konstant auch bei Early Down zu werfen. Und es gehört nicht viel Fantasie dazu, hier zu dem Schluss zu kommen, dass die Seahawks in ihrem aktuellen offensiven Gesamt-Konstrukt deutlich mehr gewillt sind, ihren Quarterback bei Early Down den Ball werfen zu lassen. Auch wenn dessen Talent im Vakuum betrachtet nicht auf dem Level seines Vorgängers Russell Wilson ist.

Play Action ist essenziell für Geno und die Seahawks

Und ja, mit einer Play-Action-Quote von 53,1 Prozent wie im Spiel gegen Detroit bekommt Smith kräftige Stützräder und einen kleinen Motor on top angeschraubt. Aber wahr ist auch, dass Smith aus dem regulären Dropback Passing Game heraus durchaus ebenfalls gefährlich agiert.

Gegen Detroit legte er 13,9 Yards pro Dropback-Pass und 8,2 Yards pro Play-Action-Pass auf, er hatte sehenswerte Bälle etwa bei Zweiter-und-14 im zweiten Viertel, als Smith aus Empty Metcalf den Ball butterweich servierte. Das erste Play des Drives früh im dritten Viertel war ebenfalls ein exzellent platzierter Ball auf Metcalf Richtung Seitenlinie. Auch wenn beide Touchdown-Pässe via Play Action kamen: Der erste war ein sehenswerter Ball, welchen er über den Safety perfekt zum Tight End platzierte.

"Stützräder" beschreiben es dennoch meist gut. Seattles Play-Action-Passspiel ist eher weniger vertikal ausgelegt, die Seahawks gehen hier gerne mit "sicheren" Routes in die Flat, oder auch zwei Spielern mit Routes Richtung Seitenlinie in Smiths Sichtfeld nach dem Rollout, sodass er kurz oder tiefer gehen kann. Das war gegen Detroit regelmäßig zu sehen, und auch wenn daraus keine Big Plays entstehen, so sind es eben doch Plays, die gute Drive-Starter sind, die "sichere" sechs, sieben, acht Yards bescheren, oder auch mal ein einfaches First Down. Eine Qualität, die längst nicht jede Offense an den Tag legt.

Detroit hat - neben den Seahawks selbst - die schlechteste Defense in der NFL. Das muss man hier bedenken, zumal wir vor zwei Wochen erst gesehen haben, dass Smith die Offense nicht plötzlich tragen kann, wenn das Gesamtkonstrukt nicht funktioniert: Als die Seahawks gegen San Francisco in Woche 2 die Line of Scrimmge klar verloren, war Smith äußerst wacklig und die Offense erlebte einen Shutout. Die einzigen Punkte kamen über einen Return-Touchdown nach einem geblockten Kick.

Aber man sieht, wie die Offense in sich stimmig funktionieren kann. Da sprechen wir nicht von einem dominanten Team oder irgendetwas dergleichen, aber eben von einer Offense, bei der die Räder ineinandergreifen können und dann ist der Output der Offense durchaus produktiv. Und das ist mehr, als manch anderes Team von seiner Offense sagen kann.

Geno vs. Wilson: Der Vergleich macht es umso gravierender

Was hier den Punkt nämlich natürlich zusätzlich gravierend macht, ist die Tatsache, dass der Quarterback-Wechsel die einzige relevante Veränderung ist. Die Offensive Line wurde zwar generalüberholt, ist aber qualitativ für den Moment zumindest nicht besser als letztes Jahr. DK Metcalf und Tyler Lockett sind weiterhin das Starting-Receiver-Duo, und weder der Head Coach, noch der Offensive Coordinator wurden im Vergleich zur vergangenen Saison ausgetauscht.

Einzig der Quarterback-Tausch sticht hier heraus. Und all das wird nochmals umso deutlicher, wenn man die Broncos-Offense im Quervergleich betrachtet.

Es ist nicht so einfach, dass man einfach sagen kann, dass Geno Smith jetzt der bessere Quarterback als Russell Wilson ist. Smith kannte die Offense in Seattle bestens, Wilson muss mit einem neuen Rookie-Head-Coach erst einmal auf eine Wellenlänge kommen. Mit Wilson gibt es immer noch mehr Upside auf eine ganze Saison gesehen, mit Smith wird es wieder andere Grenzen geben, wenn Defenses mehr Tape von ihm haben.

All das sind legitime Punkte, die jedes Zwischenfazit auch mit entsprechenden Nuancen versehen sollten. Doch gleichzeitig muss auch erwähnt werden, dass Wilsons sehr spezifischer Spielstil eine eigene Offense verlangt, die um seinen Stil herum aufgebaut wird. Darüber haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder gesprochen.

Und Wilsons spezifischer Stil ist maßgeblich auf genau jene Big Plays ausgelegt, eben jene Big Plays, die Defenses mittlerweile zunehmend limitieren. Wilson ist kein Quarterback, der ein konstantes Quick Game aufziehen kann, Denver wird andere Mittel finden müssen, um eine konstante Offense aufzuziehen; um einen ausreichend hohen Floor zu kreieren, sodass Wilsons High-End-Plays nicht die Offense sind, sondern die Offense bereichern.

Die Antwort darauf kann im Run Game liegen. Das könnte auch mit den Red-Zone-Problemen helfen. Vielleicht finden Hackett und Wilson andere Wege. Doch bis dahin wird die Broncos-Offense extreme Schwankungen haben und permanent heiß und kalt laufen. Und das ist sicher nicht das, was man sich in Denver erhofft hat.