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Profi im Minijob: Der harte Alltag deutscher Spieler in der European League of Football

Von Franziska Hübl, Lea Nischelwitzer
Dreimal die Woche Training, täglich in den Kraftraum, Auswärtsspiele in ganz Europa - neben einem 40-Stunden-Job im Büro: Luca Salvo ist Profi in der ELF.
© Franziska Hübl, Lea Nischelwitzer

Trotz wachsender Fanbase, Coaches aus den Staaten und NFL-Spielen in Deutschland - die meisten Spieler der European League of Football verdienen nicht mehr als in einem Minijob. Wie das Leben eines deutschen Footballspielers aussieht und warum American Football in Europa nicht ausreichend finanziert wird, zeigt sich an den Munich Ravens.

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Punt return. Luca Salvo bekommt den Ball zu fassen, rennt los, lässt 45 Yards hinter sich und kommt bis an die Fünf-Yard-Line. Die Fans feiern den Raumgewinn. Kurz vor der Endzone wird er von einem Spieler der Prague Lions getackelt. Im nächsten Spielzug folgt der Touchdown für die Munich Ravens. Bereits jetzt scheint der Sieg gegen die Prague Lions beim Stand von 36:0 nicht mehr nehmbar.

Eigentlich hat der 26-jährige Münchner noch nie in der Position des Punt Returners gespielt. "Sah aber glaub ich nicht schlecht aus", sagt er später lachend. Mit verwischter Farbe im Gesicht, die vor der Sonne schützen soll, nass vom Regen und Schweiß steht er nach dem Spiel zum Interview bereit und ist glücklich. Sein Team, die Munich Ravens, hat mit 51:7 deutlich gegen die Prague Lions gewonnen.

Die Munich Ravens spielen in der European League of Football (ELF). Die ELF ist der Versuch, den Hype rund um die NFL in Europa auch in eine professionelle europäische Footballliga zu übertragen. Seit Jahren zieht der Super Bowl ein Millionenpublikum in Deutschland vor den Fernseher, ein Spiel der NFL findet dieses Jahr erneut in Deutschland statt, wie bei der Premiere 2022 wird es wieder in München sein.

Bis zu drei Millionen Tickets für das NFL-Spiel in München hätten die Organisatoren laut eigener Schätzung 2022 verkaufen können. Deutschland ist absolutes NFL-Land. Und auch bald ELF-Land?

Immerhin: Auch die Tickets für das Finale der ELF verkaufen sich gut, obgleich ein paar Nummern kleiner. So hat die Liga bekanntgegeben, dass bereits 15.000 Karten für das Spiel auf Schalke in der Veltins-Arena am 22. September verkauft wurden.

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© getty

40 Stunden im Büro und Football-Profi im Minijob

Die Anfänge der ELF gehen zurück auf den 4. November 2020. Dort verkündeten Patrick Esume, bekannt als TV-Kommentator für ran Football, und der Sportmanager Zeljko Karajica die Gründung der ELF. Die Betreibergesellschaft wurde zu gleichen Teilen von Christian Binder (über die TIEFA Beteiligungs GmbH) und Thomas Krohne (über TKR Ventures) gegründet.

Im Juli 2022 erwarb TKR Ventures zusätzlich vier Prozent der European League of Football GmbH. Anfang 2024 übernahm Krohne schließlich alle Anteile an der GmbH. Allein verschiedenen Gesellschaftskonstrukte lassen darauf schließen, dass es sich bei der ELF mit ihren aktuell 17 Teams aus neun Nationen um ein rein privatwirtschaftlich organisiertes (Franchise-) System handelt - ähnlich eben wie in der NFL.

Luca Salvo interessierte sich schon sehr lange für Football. "Irgendwann dachte ich mir: Wenn ich es jetzt nicht mit dem Sport versuche, ist es zu spät". 2018 spielte er bei der zweiten Mannschaft der Munich Cowboys, wurde Meister der Bayernliga und teaminterner Rookie of the year. Über die German Football League (GFL), die frühere Football Bundesliga, schaffte er 2023 den Sprung von den Cowboys zu den Ravens und ist seither einer der Wide Receiver des Teams: In dieser Position fängt er die Pässe des Quarterbacks und muss schnell agieren können.

Salvo merkt große Unterschiede im Niveau der Ligen: "In der GFL war die Attitude so: Mein bester Kumpel hat heute abgesagt, dann komm ich auch nicht zum Training. In der ELF wird mehr Professionalität erwartet, das macht es härter. Man wird als Angestellter dafür bezahlt, hierher zu kommen, das ist ein Job", sagt er.

Luca Salvo ist jetzt Profi. Dementsprechend ist sein Leben nun auch klar strukturiert. Er steht früh auf, geht schon morgens ins Fitnessstudio, hat drei Mal die Woche Training. Hinzu kommen Team-Meetings und Social Media Auftritte. Auf seinem Youtube-Kanal nimmt er die Fans mit, gibt Einblicke in das Leben eines ELF-Spielers. Das alles freilich neben einer 40-Stunden-Woche im Büro. Denn: Die meisten einheimischen Spieler in der ELF bekommen nur ein Minijob-Gehalt, 538 Euro.

ELF, Munich Ravens
© imago images

Munich Ravens: Mehr Zuschauer als bei der SpVgg Unterhaching

Dass die Spieler so wenig verdienen, tut dem Spektakel rund um die Spiele keinen Abbruch. Vor dem Stadion locken Food-Trucks, zur Pre-Game-Show treten Rapper, ein DJ und Cheerleader an, bayerische Gebirgsschützen schießen Salutschüsse, das Spiel wird live übertragen.

Rund 3.900 Zuschauer hat es heute ins Stadion der Munich Ravens in den Sportpark Unterhaching gezogen. Zu den Drittliga-Fußballern kommen nicht selten weniger. Für die Munich Ravens eine gute Fanbase - die Kosten für den Betrieb deckt das aber bei Weitem nicht. Ebenso wenig wie die Sponsoringeinnahmen. ELF-Mitgründer und -Mitgesellschafter Thomas Krohns ist gleichzeitig alleiniger Eigentümer der Munich Ravens, er schießt den Fehlbetrag zu. Die ELF ist ein Investitionsmodell, für das es einen langen Atem braucht.

Dass es in Europa an Förderung fehlt, weiß der ehemalige Footballprofi Kasim Edebali. Er hat selbst sowohl in der NFL als auch in der ELF gespielt. Seit vergangenem Jahr ist er Football-Experte bei ran. "Alle arbeiten darauf hin, den Sport profitabler zu machen: Fernsehgelder und Sponsoren. Hoffentlich können wir bald erreichen, dass die Footballspieler sich Vollzeit auf den Sport konzentrieren können", sagt er.

Wann das soweit ist, kann er nicht sagen. Football müsse sich weiterentwickeln, die Jugendarbeit noch besser und strukturierter werden. "Wenn sich alle Bausteine positiv entwickeln, wer weiß: drei, vier, fünf Jahre", schätzt Edebali.

Joe Thomas, Cleveland Browns, Munich Ravens
© imago

Ein Hall of Famer der NFL als Gesicht der Munich Ravens in der ELF

Einer dieser Bausteine, der dem deutschen Football helfen soll, heißt Joe Thomas. Der frühere Spieler der Cleveland Browns hat zehnmal am Pro-Bowl, dem alljährlichen All-Star-Spiel der NFL, teilgenommen. Seit 2023 ist er sogar Teil der Pro Football Hall of Fame. Heute trainiert der 39-Jährige als Offensive Line Coach die Offensive der Munich Ravens.

Aber natürlich ist er auch ein Markenbotschafter für Football in Europa und eines der Aushängeschilder der ELF. Doch was führt einen Hall-of-Famer nach Unterhaching? Bei dem Spiel der Tampa Bay Buccaneers gegen die Seattle Seahawks in München vor zwei Jahren sei er auf das Potenzial des Footballs in Deutschland aufmerksam geworden. "Bei dem Spiel hätten fast drei Millionen Tickets verkauft werden können", erinnert sich Thomas.

Da Football in Europa nicht wie in der NFL schon im College professionell gespielt wird, seien die Spieler unerfahrener. "Die Jungs sind aber genauso talentiert. Ich kann als Trainer von Spiel zu Spiel eine enorme Entwicklung der Spieler beobachten."

Seit der ersten Saison zeigt TV-Partner ProSieben Maxx wöchentlich ein Spiel der ELF in Deutschland live, ein weiteres im Stream bei ran. Zwar wurde der Vertrag mit der ProSiebenSat.1-Gruppe bis Ende 2026 verlängert, trotzdem seien die finanziellen Ressourcen und Einrichtungen bei weitem nicht mit den USA zu vergleichen: "Wenn wir die TV-Einnahmen stärken, wird das einen großen Unterschied machen, denn deswegen ist die NFL so profitabel. Mehr Geld bedeutet bessere Anlagen, größere Stadien und mehr Support der Fans in der ELF."

ELF, Munich Ravens
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Footballspieler erfüllen die Funktion von Entwicklungshelfern

Die Zuschauerzahlen in den Stadien sind bereits vergleichbar mit Spielen der Bundesliga im Handball und Basketball. Im Fußball entsprechen die Zahlen ungefähr denen der Regionalliga. Dort werden einige Fußballspiele eher selten komplett im Free-TV live übertragen, außerdem werden sie nicht mal ansatzweise so professionell aufgezogen wie die Spiele der ELF.

Mehr als den Mindestlohn bekommen einige Regionalligaspieler aber dennoch. In der Vermarktung und Professionalität ist die ELF schon sehr weit. Doch die Footballspieler sind gleichzeitig immer noch auch Entwicklungshelfer auf dem Weg zum echten Profisport.

Dass er selbst kein NFL-Spieler mehr wird, ist Luca Salvo klar. Für ihn lohnt sich der hohe Aufwand zum niedrigen Gehalt trotzdem. Schließlich sei die ELF noch im Aufbau. "Früher hat man 20 Euro Mitgliedsbeitrag gezahlt, um in der ersten Liga zu spielen. Football ist meine Leidenschaft und ich werde mittlerweile sogar dafür bezahlt."

Salvo freut sich über die Fortschritte, die der Football in Deutschland macht. Ob sich sein Traum, eines Tages nur vom Footballspielen leben zu können, allerdings noch erfüllt, ist fraglich.