Der 35-jährige Federer saß nach seinem Coup in der Rod-Laver-Arena auf der Bank und weinte Tränen des Glücks. Wenig später stemmte der beste Tennisspieler aller Zeiten mit letzter Kraft die Siegertrophäe in den Nachthimmel und erwies sich nach dem Sieg im Giganten-Duell wieder einmal als ganz Großer. "Schade, dass es kein Unentschieden gibt. Ich würde den Erfolg am liebsten mit Rafa teilen, auch er hätte es verdient", sagte der Schweizer, der die zweite Saisonhälfte 2016 wegen einer Knieverletzung komplett verpasst hatte.
In den Katakomben umarmte Federer, der dank der Prämie von umgerechnet rund 2,6 Millionen Euro die 100-Millionen-Dollar-Preisgeldschallmauer durchbrach, seine Frau Mirka minutenlang. Der erste Major-Coup seit Juli 2012 in Wimbledon sorgte für großes Gefühlskino.
Williams gewinnt 23. Grand-Slam-Titel
Auch bei Serena Williams, die vier Stunden nach ihrem 23. Grand-Slam-Coup zur feierlichen Siegerfoto-Zeremonie ohne High Heels und mit schlichten Sportklamotten kam. Die Magie der Nummer 23 war für die 35-Jährige aus den USA, die älteste Major-Gewinnerin überhaupt, Glamour genug. "Diese Zahl hört sich großartig, aber gleichzeitig verrückt an. Ich habe sie wirklich lange gejagt, hatte sie immer auf dem Radar - und jetzt stehe ich hier", sagte Serena Williams. Vor sechs Jahren hatte die siebenmalige Wimbledonsiegerin eine lebensgefährliche Lungenembolie erlitten und stand vor dem Karriereende.
Dass ihr der Coup für die Ewigkeit ausgerechnet in einem Retro-Finale gegen Venus gelang, war das passende Abschluss-Kapitel einer Hollywood-reifen Story über den märchenhaften Aufstieg von zwei schwarzen Mädchen aus einem Problemviertel bei L.A. in ihr ganz persönliches Paradies.
Mit ihrem 23. Major-Triumph seit 1999, dem siebten in Down under, überflügelte Serena Williams endgültig Steffi Graf (22 Grand-Slam-Erfolge). Die Amerikanerin ist damit die neue alleinige Rekordhalterin in der Open Era (ab 1968) und übernimmt zudem nach 20-wöchiger Abstinenz wieder die Spitze der Weltrangliste von Angelique Kerber.
Kerber zollt Respekt
Die Kielerin, die als Titelverteidigerin im Achtelfinale ausgeschieden war, zollte der Siegerin und ihrer Schwester Venus (36) höchsten Respekt. "Gratulation an Serena, das war ein historischer Sieg. Die Beiden sind zwei wahre Champions", sagte Kerber dem SID. Williams gab zu: "Angie hatte es verdient, die Nummer eins zu sein. Aber ich mag es, ganz oben zu stehen."
Federer hatte nach einem atemberaubenden und 3:38-stündigen Finale seinen zweiten Matchball verwandelt, nachdem er im letzten Satz bereits mit einem Break und 1:3 zurückgelegen hatte. Erst nach einer Challenge und seinem insgesamt 73. Winner stand der Triumph letztlich fest. "Ich könnte nicht glücklicher sein. Das ist ein perfektes Comeback", sagte er.
Federer ist mit 35 Jahren und 174 Tagen der älteste Grand-Slam-Champion seit 1972. Nadal war sichtlich enttäuscht, hatte aber nur Lob für Federer übrig. "Was er geleistet hat, ist erstaunlich. Nach einer langen Pause so zurückzukommen, ist toll", meinte der Spanier.
Der einstige US-Open-Sieger Andy Roddick hatte das Duell im Vorfeld sogar als "epischstes Tennis-Match aller Zeiten" bezeichnet. Es war das erste Mal seit Juni 2011, dass die beiden Fanlieblingen in einem Major-Finale aufeinandertrafen.
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