Nach seinem Triumph im Marathonmatch stellte sich Stan Wawrinka auf den Centre Court, tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn und genoss die Ovationen. Dank einer Energieleistung greift der Schweizer am Sonntag im Finale der French Open nach seinem zweiten Paris-Titel nach 2015.
Mit 87. Winner zum Sieg
"Für mich ist es einfach unglaublich, hier wieder im Endspiel zu stehen. Ich will es genießen", sagte Wawrinka nach dem 6:7 (6:8), 6:3, 5:7, 7:6 (7:3), 6:1 in einem intensiven Halbfinale gegen den topgesetzten Briten Andy Murray und meinte: "Ich muss mich jetzt erholen. Aber ich habe ja schon bewiesen, dass ich immer bereit bin für Finalspiele."
Nach 4:34 Stunden verwandelte Wawrinka bezeichnenderweise mit seinem 87. direkten Gewinnschlag den ersten Matchball und ließ sich danach im Stade Roland Garros feiern. "Stan hatte auch am Ende noch großartige Schläge zu bieten. Ich war im vierten Satz nicht weit weg vom Sieg, aber zum Schluss war sein Druck zu groß", sagte Branchenführer Murray.
Auch von einem zweimaligen Satzrückstand ließ sich Wawrinka nicht beirren. In seinem vierten Major-Endspiel trifft der amtierende US-Open-Sieger am Sonntag (15.00 Uhr/Eurosport) entweder auf den spanischen Sandplatzkönig Rafael Nadal (Nr. 4).
Auf Spuren von Niki Pilic
Wawrinka ist mit 32 Jahren und 75 Tagen der älteste Paris-Finalist seit Niki Pilic (ehemaliges Jugoslawien) im Jahr 1973. Der Rechtshänder aus dem westschweizerischen St. Barthelemy hat neben den French Open und den US Open auch schon die Australian Open (2014) gewonnen. Einzig der Triumph in Wimbledon fehlt ihm noch zur Komplettierung seiner Grand-Slam-Sammlung.
Wawrinka war ohne Satzverlust ins Semifinale von Paris eingezogen. Gegen Murray war der Davis-Cup-Sieger von 2014 auch schon im dritten Satz auf einem guten Weg und führte nach sieben Spielgewinnen in Serie mit 3:0. Danach aber kämpfte sich der an der Grundlinie hart arbeitende Murray zurück und holte sich den Durchgang.
Doch "Stan the Man" blieb seiner riskanten Spielweise treu (87 Winner/77 Unforced Errors) und behielt im folgenden Tiebreak die Nerven. Im entscheidenden Satz gelangen Wawrinka dann gleich drei Breaks in Folge. Diesen Vorsprung ließ er sich zur Freude der meisten im 14.911 Zuschauer fassenden Stadion dann nicht mehr nehmen. Der Sieger des "Coupe des Mousquetaires" kassiert in diesem Jahr ein Preisgeld in Höhe von 2,1 Millionen Euro.
Der Mann für die großen Turniere
Wawrinka ist der Mann für die großen Turniere. In 13 der vergangenen 17 Grand Slams stand der Rechtshänder mit der Bilderbuch-Rückhand mindestens im Viertelfinale. Eine derart konstante Quote haben ansonsten nur die "Faboulous Four" des Tennissports vorzuweisen - Roger Federer, Rafael Nadal, Novak Djokovic und Andy Murray.
Vor dem diesjährigen Sandplatz-Spektakel im Pariser Arrondissement XVI hatten die wenigsten Experten Wawrinka allerdings auf der Liste der ganz heißen Titelanwärter. Zwar gewann er im Vorfeld das kleine Heimturnier in Genf (im Finale gegen Mischa Zverev), doch bei den Masters in Rom, Madrid und Monte Carlo blieb der Vater einer Tochter hinter den Erwartungen zurück. "Dass wir noch keine Lösung für mehr Beständigkeit gefunden haben, ist frustrierend", sagte der schwedische Trainer Magnus Norman jüngst über seinen Schützling Wawrinka.
Die French Open im Überblick