Alexander Zverev vs Philipp Kohlschreiber: Der Gesegnete vs den Arbeiter

Von Jörg Allmeroth
Alexander Zverev, Philipp Kohlschreiber
© Jürgen Hasenkopf

Wenn in der dritten Runde der US Open am Samstag Alexander Zverev und Philipp Kohlschreiber aufeinandertreffen, dann werden Erinnerungen an 2015 wach. Damals spielten beide schon einmal in New York gegeneinander. Doch in den Zwischenzeit haben sich das Kräfteverhältnis grundlegend verschoben.

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Als Alexander Zverev und Philipp Kohlschreiber vor drei Jahren in New York aufeinandertrafen, war die Hackordnung noch ganz klar. Kohlschreiber war damals der einzige Top 50-Spieler, den das darbende deutsche Herrentennis hatte. Und Zverev? Er war ein forscher, frecher Teenager, 18 Jahre jung, noch ein Lehrling auf der großen Tour. Als Qualifikant hatte er sich ins Hauptfeld gekämpft und lieferte Kohlschreiber dann ein atemraubendes Erstrunden-Duell in höllischer Hitze.

Kohlschreiber, der Frontmann auf Abruf, sprach nach dem gewonnenen Fünf-Satz-Thriller noch einige große Worte, die mehr verrieten als nur die übliche kollegiale Anerkennung: "Er ist ein Gesegneter. Er wird einmal auf Platz 1 stehen und Grand Slams gewinnen." Und über sich selbst, da sagte Kohlschreiber: "Ich bin ein solider Arbeiter. Nicht mehr, nicht weniger."

Zuletzt gewann "Sascha" das Münchner Finale gegen "Kohli"

Und hier sind sie nun wieder vereint, bei den US Open 2018, im 50. Jahr des amerikanischen Grand Slams, in der dritten Runde am Samstag aufs Neue professionelle Gegenspieler - Kohlschreiber, noch immer ein Weltklassespieler im nicht mehr so zarten Alter von 34 Jahren.

Und Zverev, binnen kurzer Zeit rasant zum Weltstar aufgestiegen. Ein Top 5-Spieler, ein Mann der ganz hohen Ambitionen, ein potenzieller Major-Sieger, der kurz vor diesem Turnier noch mal eben einen gewissen Ivan Lendl an seine Seite holte, um auch die schwierigsten Reifeprüfungen bestehen zu können.

Es wird Spiel fünf der beiden Deutschen gegeneinander sein, 2:2 steht es im persönlichen Vergleich, zuletzt gewann Zverev das Münchner Finale gegen Kohlschreiber.

Kohlschreiber hat das meiste hinter sich - Zverev noch alles vor sich

Wovon Kohlschreiber, der glänzende Techniker, immer träumte, was er jahrelang mit aller Kraft, Energie und Leidenschaft anstrebte - ein Platz unter den Top 10 und ein Sieg vielleicht bei einem der Masters-Turniere der ATP - hat der 21-jährige Zverev längst erreicht.

Wenn sie am Samstag auf einen der größeren Plätze des Billie Jean King Tenniscenters marschieren, ist auch eins klar: Kohlschreiber, Nummer 34 der Rangliste, hat das meiste und wohl auch beste in seiner Karriere hinter sich, viele Erfolge und viele Enttäuschungen. Aber Zverev hat, obwohl es manchmal nicht so scheint, noch alles vor sich. Auch Grand Slam-Titelcoups und den Sprung auf Platz 1. Es ist, da sind sich alle Experten einig, nur eine Frage der Zeit.

Gegenseitiges Lob vor dem Duell der zwei Tenniswelten

Kohlschreiber und Zverev kennen sich natürlich auch aus gemeinsamen Davis-Cup-Tagen. Aber eine engere Freundschaft verbindet sie deshalb nicht, die deutsche Nummer eins und Nummer 2. "Es sind halt immer viele Leute um ihn herum", sagt Kohlschreiber, "eine Großfamilie, die ihn auch abschirmt." Der Bayer will das gar nicht negativ verstanden wissen, Zverevs Welt sei eben "insgesamt eine andere": "Ich habe Riesenrespekt vor seinen Leistungen. Er steht ja ständig unter wahnsinnigem Druck."

Spricht Zverev über Kohlschreiber, klingt das auch nicht nur nach pflichtschuldig warmen Worten: "Es gibt wenige, die sich zehn Jahre und länger in den Top 30 halten", sagt der Hamburger mit Wohnsitz Monte Carlo über den deutschen Kollegen und Davis Cup-Partner, "er ist einfach ein sehr guter Spieler. Immer gefährlich als Gegner."

Der Routinier lobt die "Monstersaison" von Zverev

Ein Spieler ist der Ältere auch, dessen ganzes Tennisleben eine andere Erzählung hatte. Kohlschreiber ist ein Kind des deutschen Verbandssystems, der guten Förderbedingungen in Bayern speziell. Oft stand er im Schatten anderer Spieler, etwa von Tommy Haas oder Nicolas Kiefer. Nie verbanden sich mit ihm so große Hoffnungen wie mit Zverev, dem Besten aus einer tennisverrückten Familie.

Alle Zverevs spielten gutes bis sehr gutes Tennis, doch der Jüngste, das war schnell klar, war etwas Besonderes. Mit 21 Jahren ist er nun schon sehr weit vorne in der Tenniswelt angekommen, mittendrin in einer sorgfältig durchgeplanten und choreographierten Karriere, die nur die anspruchsvollsten Ziele kennt. "Er spielt auch dieses Jahr wieder eine Monstersaison", sagt Kohlschreiber, "es ist stark, was er in jungen Jahren konstant zeigt."

Aber eine kleine Stichelei kann sich Kohlschreiber auch nicht verkneifen: "So einen kleinen Grand Slam-Komplex hat er ja schon", sagt der Veteran, "den wird er auch ablegen irgendwann. Aber am besten erst nach diesem Turnier."

Kohli: "Vielleicht hat noch mal der alte Herr das letzte Wort"

Zverev und die US Open - es war bisher noch keine wirkliche Liebesbeziehung. Auch im letzten Jahr verließ er, damals als ernsthafter Mitfavorit, den Big Apple vergrätzt: Schon in der zweiten Runde, gegen Generationskollege Borna Coric, war alles vorüber und vorbei. Es war ein Absturz aus lichter Höhe. Nun hat Zverev zwei Runden ohne besonderen Widerstand gemeistert, sieht sich aber gegen Kohlschreiber vor die erste wirklliche Herausforderung gestellt: "Das wird alles andere als ein Selbstläufer", sagt er.

Und damit hat er recht: Denn Kohlschreiber hat in New York schon andere große Jungs mit großen Namen abserviert, in den letzten 16 Jahren, die er hintereinander zu diesem Grand Slam kam. Den US-Riesen John Isner, inzwischen ein Top 10-Mann, schlug er drei Mal in aufgeheizter Atmosphäre, andere wie Nadal hatte er am Rand der sensationellen Niederlage. "Vielleicht hat noch mal der alte Herr das letzte Wort", sagt Kohlschreiber.

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