Immer wenn etwas vermeintlich leicht erscheint, verliert man seine Konzentration. Zumindest für ein paar Prozent. Es legt sich ein Schalter zu mehr Bequemlichkeit um. Der Fokus verabschiedet sich von der Bühne und ein Teil des Unterbewusstseins übernimmt den Hauptdarsteller. Das ist grob umrissen eine Ursache für zu viele leichte Fehler bei der Vorhand aus dem Halbfeld. Bekommt man die Möglichkeit diesen Ball zu spielen, dann weil der Gegner zu kurz wurde in seinem Grundlinienspiel. Dazu ist der Ball meist langsam und halbhoch. Klingt nach einem leichten Schlag. Doch das ist ein Trugschluss.
Fehlerquellen und wie man diese beseitigt
In einem Ballwechsel mit hoher Geschwindigkeit in den Schlägen ist die Körperspannung samt Konzentration hoch. Alles muss schneller gehen. Die Beine müssen flinker bewegt werden. Man muss früher ausholen und besser antizipieren. Für das alles bleibt obendrein - aufgrund der Geschwindigkeit - weniger Zeit. Auf der Autobahn fährt man konzentrierter als in einer 30-Zone. Doch ist auf der Autobahn viel weniger Verkehr. Dennoch passieren in der 30-Zone viele Unfälle. Schlicht, weil die Konzentration nicht auf der Höhe ist. Ebenso verhält es sich mit der Vorhand aus dem Halbfeld. Sie ist die 30-Zone auf dem Tennisplatz.
Für eine effektive Vorhand aus dem Halbfeld muss die Konzentration samt Körperspannung mindestens genauso hoch sein wie in einem Ballwechsel mit hohem Tempo. Dies ist die absolute Grundlage und zugleich Fehlerquelle Nummer eins bei diesem Schlag. Die Augen müssen auf dem Ball sein. Die Augen müssen erkennen, wie sich der Ball dreht. Die Augen müssen abschätzen können, wie sich der Ball nach dem Absprung verhalten wird.
Der Körperschwerpunkt muss tief sein. Die Knie bilden ein Fundament für eine hohe Stabilität im Schlag. Die Füße stehen nicht still. Sie tänzeln wie ein Boxer und bereiten den Spieler auf den Schlag vor. Nichts darf in der Vorbereitung auf die Vorhand aus dem Halbfeld dem Zufall überlassen werden. Wenn sich Rafa Nadal auf diesen Schlag vorbereitet, steht er dann still und bereits mit dem Siegerlachen im Gesicht in der Mitte des Platzes? Nein. Wie ein Raubtier auf der Jagd beobachtet er den Ball und macht sich bereit, zuzupacken.
Taktische Elemente
Die Vorhand aus dem Halbfeld wird nicht selten aus der Mitte des Platzes heraus gespielt. Der Gegner wird sich ebenfalls in der Platzmitte befinden. Dies liegt daran, dass der Gegner zuvor vermutlich defensiv agiert hat, dabei zu kurz wurde, aber aufgrund seines langsamen Balles ein wenig Zeit hatte, sich wieder zur Mitte zu orientieren. Nun ist die Situation perfekt für die sogenannte Winkelfalle.
Es bieten sich nämlich keine Winkel, um beispielsweise in eine freie Ecke oder gegen den Lauf des Gegners zu spielen. Jetzt spielen viele Spieler einen schnellen Ball ohne viel Spin knapp seitlich ins Aus. Und ärgern sich wie Alexander Zverev, wenn er mal wieder ein Racket zertrümmert. Der Winkel ist in einer solchen Spielsituation einfach nicht passend für einen schnellen, vor allem gerade gespielten Ball in eine Ecke des Platzes. Durch die Mitte wäre es hingegen möglich.
Kein Winner-Zwang
Viel wichtiger als das Tempo ist der Spin und die Länge in der Vorhand. Diese beiden Faktoren machen aus der Vorhand einen wirklich effektiven Schlag. Darüber hinaus sollte man sich von dem Gedanken verabschieden, dass die erste Vorhand aus dem Halbfeld direkt ein Winner werden muss. Der Gegner muss diesen Ball erstmal wieder zurückspielen, was alles andere als ein leichter Job ist.
Spielt der Gegner den Ball dann zurück, wird es nicht viel mehr als eine Rettungsaktion sein. Anschließend kann der Ball per Volley beispielsweise ins offene Feld gedrückt werden. Natürlich kann der Gegner die Vorhand antizipieren, früh genug loslaufen und aus vollem Lauf einen Longline-Winner wie Grigor Dimitrov zaubern. Das wird aber nur die absolute Ausnahme darstellen.
Mit dem richtigen Fokus auf den Ball und der richtigen taktischen Zielsetzung kann die Vorhand aus dem Halbfeld eine effektive Waffe werden. Und keine Quelle für leichte Fehler.