Vitali wollte nie gegen Vladimir boxen - und Vladimir nicht gegen Vitali. Die Klitschko-Brüder hatten ihrer Mutter Nadeschda schon früh hoch und heilig versprochen, dass sie im Ring nie gegeneinander antreten werden. Zum Verdruss von Don King, dem exzentrischen US-Promoter mit der Starkstromfrisur. Der Traum der Boxszene blieb ein solcher, die Klitschkos hielten ungeachtet der millionenschweren Dollar-Verlockungen Wort. Die Familienehre stand über allem.
Mischa als Beschützer von "Sascha" - aber nicht als Glucke
Im Tennis sind die Voraussetzungen sicherlich andere. Und doch schwankt das Stimmungsbarometer im Zverev-Team vor dem ersten ATP-Duell von Alexander und Mischa zwischen großer Vorfreude und leichtem Unbehagen.
"Ich denke, es wird ein interessanter Tag. Es ist einfach schön, weil wir endlich an einem Punkt sind, wo wir beide bei einem großen Turnier anständiges Tennis spielen", meinte Mischa (30), der seinem knapp zehn Jahre jüngeren Bruder seit jeher mit Rat und Tat zu Seite steht. Schon immer hat der Linkshänder diese Rolle als Beschützer für "Sascha" (21) übernommen - ohne gluckenhaft zu wirken.
"...ich kann ihm nur das Werkzeug an die Hand geben"
"Sascha muss seine Erfahrungen selbst machen, ich kann ihm nur das Werkzeug an die Hand geben", hat Mischa, der Gelassene, einmal erklärt. Dabei meinte er auch den Umgang mit den Medien, die der Ältere so perfekt beherrscht.
Sein Satz sagt aber auch viel über die Philosophie dieser von außen so intakt und stabil wirkende Beziehung zwischen den charakterlich so unterschiedlichen Brüdern aus. Und jeder der beiden schätzt und weiß: Ohne den anderen würde er nicht da stehen, wo er steht. "Durch Sascha bin ich besser geworden", meinte Mischa.
Alexander Zverev hatte es irgendwie geahnt: "Check' mal die Auslosung"
+ 539 Matches mussten Mischa und Alexander insgesamt auf der Tour bestreiten, ehe es jetzt zum direkten Brüder-Vergleich kommt.
Und Alexander Zverev hatte es diesmal schon geahnt. "Er meinte zu mir, checke mal die Auslosung", berichtete Mischa: "Ich fragte, warum? Und er sagte wieder: 'Checke mal das Draw'." Nach einem Blick wusste Mischa, was "Sascha" meinte. Ein Sieg von Beiden in der ersten Runde der Citi Open in Washington - und es würde im Achtelfnale zum ersten Zverev-Duell auf ATP-Hauptfeldebene kommen.
+ Die bisherigen Duelle: In der Qualifikation für das 250er-Turnier in Houston hatte Mischa 2014 gegen seinen jüngeren Bruder gewonnen. Damals musste Alexander im dritten Satz beim Stand von 2:3 allerdings aufgeben - von Krämpfen geplagt. "Ich war zu dieser Zeit noch sehr dünn und nicht sehr fit", berichtete Alexander Zverev. Zwei Jahre zuvor hatten sich beide beim Challenger in Dallas gegenübergestanden - damals siegte Mischa mit 6:0, 6:1.
"Wir haben im Hinterhof das Wimbledon-Finale nachgespielt"
Alexander Zverev plauderte vor dem Familien-Match aus dem Nähkästchen. "Früher haben Mischa und ich im Hinterhof das Wimbledon-Finale nachgespielt. Da hat er mich immer geschlagen. Ich hoffe, dass es diesmal anders wird", sagte der Weltranglistendritte und Washington-Titelverteidiger: "Es wird spannend. Wir wollen beide gewinnen, wir sind beide aufgeregt. Es ist kein Spiel wie jedes andere..."
+ Die besten Sprüche zum Brüder Duell:
"Ich kenne ihn nicht so gut, denn es ist ja das erste Mal, dass wir gegeneinander spielen." (Alexander Zverev)
"Es ist eine Win-Win-Situation. Es zeigt, dass unsere Eltern einen tollen Job gemacht haben." (Mischa Zverev)
Die Bühne für ein besonderes Match ist also bereitet im Rock Creek Park Tennis Center. Möge der Bessere gewinnen...!