Während Charles Leclerc und Ferrari nach dem Großen Preis von Monaco das Momentum im WM-Titelkampf verlieren, müssen sich Daniel Ricciardo und das Rennen im Fürstentum selbst Sorgen machen, im nächsten Jahr überhaupt noch in der Formel 1 vertreten zu sein. Die Erkenntnisse zum Monaco-GP.
Leclerc und Ferrari verlieren das Momentum im Titelkampf
Der Monaco-Fluch von Charles Leclerc geht weiter. Auch in diesem Jahr gelang dem Monegassen nicht der erhoffte Sieg auf seiner Heimatstrecke. Zwar konnte er zum ersten Mal seit Beginn seiner F1-Karriere in Monte Carlo in die Punkte fahren, angesichts des ersten Startplatzes und der damit hervorragenden Ausgangssituation ist das aber nur ein schwacher Trost.
Dabei lieferte der Ferrari-Pilot eigentlich ein tadelloses Wochenende ab. In allen Trainings, im Qualifying und im Rennen unterlief dem Monegassen kein einziger Fehler. Dennoch steht er am Ende wieder einmal mit leeren Händen da, was er vor allem einem strategischen Blackout seines Teams zu "verdanken" hat.
Dieses hatte ihn - souverän in Führung liegend - in Runde 18 zum Boxenstopp beordert und Intermediates aufziehen lassen, nur um ihn drei Umläufe später erneut zur Abfertigung hereinzubitten - dieses Mal mit einem Wechsel auf Slicks. Der zusätzliche Stopp kostete Leclerc nicht nur die Führung, er fiel hinter Sieger Sergio Perez, Teamkollege Carlos Sainz und WM-Rivalen Max Verstappen sogar auf den vierten Rang zurück.
"Manchmal können Fehler passieren, aber heute sind zu viele passiert", kritisiert er sein Team im Anschluss deutlich. "Ich gewöhne mich daran, zuhause enttäuscht zu werden. Aber das darf uns nicht passieren. Vor allem nicht in so einer Situation, in der wir uns befinden. Wir sind extrem stark, unsere Pace ist stark. Wir müssen unsere Möglichkeiten nutzen und dürfen nicht auf diese Art und Weise so viele Punkte verlieren."
imago imagesGlock: "Hatten Angst, die falsche Entscheidung zu treffen"
Das Monaco-Desaster reiht sich in eine Serie von (individuellen) Fehlern ein, die sich in den vergangenen Rennen bei den Roten zu häufen scheinen. In Imola kostete ein Fahrfehler Leclercs ein sicheres Podium, in Spanien machte ein Defekt am seinem F1-75 einen Strich durch die Rechnung zum Rennsieg. Während bei Red Bull - abgesehen einiger kleiner technischer Schwierigkeiten - bislang alles wie geschmiert verläuft, scheint Ferrari ein wenig das Momentum im Titelkampf zu verlieren.
"Man hat mit Charles Leclerc nicht wirklich gewusst, wo man hin soll und hat eben diese Angst gehabt, die falsche Entscheidung zu treffen. Und die hat man dann am Ende getroffen", übte Sky-Experte Timo Glock an der Strategie-Abteilung der Scuderia Kritik. "Und das tut natürlich weh, wenn du das ganze Wochenende keine Fehler gemacht und eine Wahnsinnsrunde im Qualifying rausgehauen hast", so der Deutsche. "Es tut weh, wenn du nicht auf dem Podium stehen kannst und dir der Sieg aus den Händen genommen wird."
2. Monaco ist für die Formel 1 nicht mehr Show genug
Ein Stadtkurs im strömenden Regen. Eigentlich eine Kombination, bei der einem jeden Motorsportfan das Herz aufgehen dürfte. Eigentlich. Wären wir auf jedem anderen Stadtkurs dieser Erde, abgesehen von Monaco. Denn der Grand Prix an der Cote d'Azur glänzte auch 2022 mehr mit einem Ansturm von Stars und Promis als durch sportliche Highlights.
Während sich die erste Rennhälfte samt Regen und Mick Schumachers Abflug wenigstens noch etwas unterhaltsam anfühlte, wurde es spätestens nach dem Abtrocknen der Strecke und dem Wechsel auf Slicks richtig langweilig. Keine Rad-an-Rad-Duelle, keine Überholmanöver, keine Spannung.
Selbst unter den Hardcore-Traditionalisten finden sich nur noch wenige, die sinnvolle Argumente vorbringen können, weshalb Monaco Jahr für Jahr den F1-Kalender zieren darf. Schon die Besuche in den vergangenen Saisons waren allesamt wenig berauschend. Teilweise gewannen sogar Piloten mit einem klar langsameren Auto - einfach, weil das Überholen auf dem 3,3 Kilometer langen Kurs quasi unmöglich ist.
Und das kommt auch bei den hohen Herren der Formel 1 an. Auch dort zweifelt man mittlerweile die Sinnhaftigkeit einer Austragung im Fürstentum an. Unter dem neuen Eigentümer Liberty Media würden eher Standorte wie Zandvoort oder zuletzt Miami die Anforderungen an ein Formel-1-Wochenende erfüllen.
gettyFormel 1: Monaco-GP vor dem Aus?
Laut verschiedenen Medienberichten hat das bereits dazu geführt, dass die Formel 1 bei den Vertragsgesprächen mit dem Automobile Club de Monaco eine Alles-oder-Nichts-Einstellung an den Tag legte. Sollte Liberty Media nicht das bekommen, was man will, ist man bereit, den Monaco-Grand-Prix aufzugeben. Der Vertrag läuft bekanntermaßen zum Ende der aktuellen Saison aus.
Offenbar gibt es einige Schlüsselfaktoren, die im Mittelpunkt dieser Gespräche stehen werden. Es wird an Monaco und der Formel 1 liegen, entweder einen Kompromiss zu finden - sollte es Bestreben geben weiterzumachen - oder sich darauf zu einigen, das Projekt endgültig aufzugeben
Insider vermuten, dass Formel-1-CEO Stefano Domenicali fest entschlossen ist, Monaco in Einklang mit seiner Vision zu bringen, was Grand-Prix-Veranstaltungen leisten müssen. Kommerzielle Interessen stehen hierbei im Vordergrund. Und dazu gehört eben auch Action auf der Strecke. Stars und Sternchen reichen dann nicht mehr aus.
3. Daniel Ricciardo kämpft um seine F1-Zukunft
Als McLaren im Frühjahr 2021 die Verpflichtung von Daniel Ricciardo verkündete, war das Raunen im F1-Fahrerlager kaum zu überhören. Ein finanzkräftiges F1-Team, welches offensive Bestreben auf die Rückkehr zu vergangenen, glorreichen Zeiten äußerte, zusammen mit einem der besten Fahrer der Königsklasse? Das könnte richtig gut harmonieren. So zumindest der damalige Tonus.
Knapp anderthalb Jahre später darf das Projekt McLaren/Ricciardo als gescheitert betrachtet werden. Das Team hat dabei größtenteils seine Versprechen gehalten. Zwar sind die Briten noch lange nicht so weit, um um die Weltmeisterschaft mitfahren zu können, die stetige Entwicklung, welche der Traditionsrennstall seit einigen Saisons nimmt, ist jedoch nicht wegzudiskutieren.
Anders sieht es bei Ricciardo aus. Der Sunnyboy der Formel 1 hat sich in seiner Zeit im McLaren-Cockpit vom Top-Fahrer zum Problemfall entwickelt. Abgesehen von einem glücklichen Sieg in Monza in der vergangenen Saison kam in Sachen Ergebnisse nicht viel herum. Während sich Teamkollege Lando Norris regelmäßig mit den Boliden der Top-Teams messen kann, gurkt der Australier im Niemandsland des Feldes umher. Die Punkteausbeute spricht mit 208:126 Zählern (seit 2021) zugunsten des britischen Youngsters eine klare Sprache.
Dass das eigentlich nicht der Anspruch Ricciardos sein kann, dem bei Red Bull einst Außenseiterchancen auf künftige WM-Titel eingeräumt wurden, weiß der Australier auch. "Niemand kritisiert mich härter als ich selbst", meinte der "Honey Badger" im Vorlauf des Monaco-GPs. "Ich will nicht um die Plätze zehn und elf herumfahren. Ich glaube auch noch immer, dass ich vorne mitfahren kann und dort auch hingehöre. Es war zeitweise ein bisschen schwierig, das zu maximieren, was im Auto steckt, aber wir arbeiten gemeinsam hart daran. Das Team will es, ich will es, wir kämpfen uns durch."
gettyMcLaren-CEO: "Hat grundsätzlich unsere Erwartungen nicht erfüllt"
Mittlerweile häufen sich die Gerüchte, die eine baldige Ablösung des Australiers bei McLaren herbeirufen. Ungewohnt offensiv gab es zuletzt auch von teaminterner Seite Kritik. "Abgesehen von Monza und von ein paar Rennen hat er grundsätzlich nicht seine oder unsere Erwartungen erfüllt. Wir würden natürlich Daniel lieber viel näher an Lando dran sehen", schoss McLaren-CEO Zac Brown in Richtung Ricciardo.
Etwas zurückhaltender, jedoch nicht weniger deutlich, formulierte es Teamchef Andreas Seidl: "Wichtig ist, dass wir hier unterschiedliche Themen voneinander abgrenzen. Wir können nur gemeinsam mit Daniel daran arbeiten, um die letzten Prozent zu finden. Darauf verwenden wir unsere Energie." Ricciardo könne mehr, das habe er "in der Vergangenheit, auch 2021" bewiesen. Ich glaube, er hat es nach wie vor in sich, und wir müssen einfach diesen letzten Schritt wieder machen."
Unterm Strich bedeutet das: Die Luft für den Australier wird immer dünner. Ausrutscher darf er sich bis zum Sommer kaum mehr erlauben. Dann werden nämlich die ersten Deals und Verträge für das kommende Jahr festgezurrt - und die Chancen stehen nicht schlecht, dass Ricciardo sogar komplett leer ausgehen könnte. Die Spitzenteams sind - unabhängig von den Leistungen des Australiers - langfristig gut besetzt, es wäre also nur ein Schritt nach hinten möglich.
Und da darf man sich dann die Frage stellen, inwiefern ein Team noch an die Qualität Ricciardos glaubt. Betrachtet man die vergangenen beiden Jahre, gibt es zumindest wenig Argumente, die für ihn sprechen.
Formel 1: Der WM-Stand (nach 7 von 22* Rennen)
- Fahrerwertung:
Platz | Fahrer | Team | Punkte |
1 | Max Verstappen | Red Bull | 125 |
2 | Charles Leclerc | Ferrari | 116 |
3 | Sergio Perez | Red Bull | 110 |
4 | George Russell | Mercedes | 84 |
5 | Carlos Sainz | Ferrari | 83 |
6 | Lewis Hamilton | Mercedes | 50 |
7 | Lando Norris | McLaren | 48 |
8 | Valtteri Bottas | Alfa Romeo | 40 |
9 | Esteban Ocon | Alpine | 30 |
10 | Kevin Magnussen | Alfa Romeo | 15 |
- Konstrukteurswertung:
Platz | Team | Punkte |
1 | Red Bull | 235 |
2 | Ferrari | 199 |
3 | Mercedes | 134 |
4 | McLaren | 59 |
5 | Alfa Romeo | 41 |
6 | Alpine | 40 |
7 | AlphaTauri | 17 |
8 | Haas | 15 |
9 | Aston Martin | 7 |
10 | Williams | 3 |
*Der Russland-GP wurde aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ersatzlos gestrichen. Ursprünglich hatte die Formel 1 für die Saison 2022 23 Rennen eingeplant.