Die erste Reifeprüfung

Vor dem Start der 53. Bundesliga-Saison stellt SPOX alle 18 Klubs vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: Der 1. FC Köln.

Seit Manager Jörg Schmadtke und Coach Peter Stöger das Sagen beim FC haben, ist der einst extrem lebhafte Verein beinahe zu einem Langweiler verkommen. Dass der hektische Kölner Boulevard keinen Schimmer von der Verpflichtung von U21-Youngster Leonardo Bittencourt hatte, steht als Sinnbild für die sehr besonnene Arbeitsweise, die in Köln mittlerweile herrscht.

Und diese zeitigt auch sportlichen Erfolg: Unter dem Duo stehen ein Aufstieg sowie der nie gefährdete Klassenerhalt in der Bundesliga.

Dieser wurde zwar wenig attraktiv erreicht - neun 0:0-Spiele und 15 Partien ohne eigenen Treffer seien hier erwähnt -, für den spielerischen Glanz sind allerdings auch andere Mitglieder der Liga zuständig.

Der Verein hat sich auf dem Papier toll verstärkt. Es gilt nun, der Defensivstärke aus dem Vorjahr eine größere Prise offensive Durchschlagskraft hinzuzufügen.

Das ist neu:

Dass auch die Verantwortlichen mehr Tore als in der letzten Saison bejubeln möchten, zeigt sich daran, dass vier der sechs Neuzugänge Offensivspieler sind.

Der angesprochene Bittencourt (von Hannover 96) soll auf den Flügeln Dampf machen, der fürs Zentrum vorgesehene Milos Jojic (Dortmund) unter anderem die Harmlosigkeit bei Standardsituationen beheben.

Mit Anthony Modeste (Hoffenheim) und Philipp Hosiner (Stade Rennes) kamen zwei waschechte Stürmer, die ihre Kaltschnäuzigkeit vom dem Kasten andernorts bereits unter Beweis stellten.

Dazu gesellen sich noch zwei Akteure, deren Stärken im Verteidigen liegen: Frederik Sörensen fristete bei Champions-League-Finalist Juventus Turin ein Bankdasein, dürfte aber wie der aus Kaiserslautern losgeeiste U21-Nationalspieler Dominique Heintz auf Anhieb einen Platz in der Startformation finden.

Über 13 Millionen Euro legten die Rheinländer für die Neuen hin und erhielten dafür in der Branche reichlich Applaus. Die prominenten Namen sind allerdings auch Verpflichtung: Sörensen und Heintz sind unter für sie noch ungewohnten sportlichen Bedingungen auf Anhieb gefordert, die Ausfälle von Dominic Maroh und auch Mergim Mavraj zu kompensieren.

Inwiefern die neuen Offensivkräfte wirklich für frischen Wind und Wirbel im letzten Drittel sorgen können, wird auch von der grundsätzlichen Kölner Bereitschaft abhängen, sich von den Defensivzwängen etwas lösen zu wollen.

Die Taktik:

Zunächst wird sich hier nur wenig ändern: Das im Vorjahr so stabile 4-2-3-1 sitzt, die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen stimmen, die Spieler haben die Abläufe verinnerlicht. Nur 40 Gegentore sprechen Bände.

Daher wird Stöger seine veränderte Truppe auch in der kommenden Spielzeit aus diesem Gebilde heraus mit dem Ansatz aufs Feld schicken, zunächst einmal die eigenen Reihen zu schließen - und bei Ballgewinn klassisch zu kontern. Mit Marcel Risse und jetzt auch Bittencourt hat er das nötige Tempo dazu, Modeste ist ähnlich abschlussstark wie der abgegebene Anthony Ujah.

Stöger ist allerdings auch darauf aus, in der neuen Saison die zweite Entwicklungsstufe zu zünden und seine Spielidee mit flexiblen Offensivabläufen anzureichern. In der Vorbereitung ließ er deshalb ein offensiveres 4-1-4-1 einüben, das gegen Stoke City und den FC Valencia immerhin zu fünf Toren führte.

Zwar offenbarten sich in dieser Anordnung mehr defensive Lücken als gewohnt, die die Gegner auch prompt zu drei Gegentreffern nutzten. Doch auch gegen Meppen im DFB-Pokal feierte man einen nie gefährdeten Sieg.

spox

Der Spieler im Fokus:

Jonas Hector, unter Stöger das Uhrwerk schlechthin. Avancierte in den vergangenen beiden Spielzeiten zum unumstrittenen Stammspieler auf der Linksverteidigerposition und absolvierte jeweils 33 Saisonspiele.

Im nächsten Jahr gilt es für den 25-Jährigen nun, noch einmal ein gutes Stückchen reifer zu werden und mehr Verantwortung innerhalb des Teams zu übernehmen. Dazu wurde er als Nachfolger von Patrick Helmes erstmals in den Mannschaftsrat gewählt.

Vor allem die Konstanz in seinen Leistungen bescherte ihm bereits fünf A-Länderspiele für Deutschland. Gelingt ihm die sportliche Weiterentwicklung, wird er für die EM 2016 auf dem Zettel von Bundestrainer Joachim Löw bleiben. Für seinen Status als Spieler wird die kommende Saison entscheidend sein.

Jonas Hectors Statistiken der Saison 2014/15

Das Interview:

SPOX: Werden wir in der kommenden Saison einen offensiveren FC erleben?

Peter Stöger: Im Lauf der letzten Saison ist es fast schon Mode geworden, das Spiel des FC als destruktiv zu beurteilen. Ich leugne nicht, dass wir neun Mal 0:0 gespielt haben und dass das nicht immer attraktiv war. Aber wir haben uns auch nicht ständig hinten eingebunkert. Gegen Mannschaften wie Leverkusen, Dortmund oder Mönchengladbach ist es nicht unsere Aufgabe, das Spiel zu gestalten. Da müssen sich diese Mannschaften hinterfragen, warum es ihnen nicht gelungen ist, den 1. FC Köln herzuspielen. Ich habe die Kritik an unserem Spiel immer als positives Zeichen für unsere gute Organisation gewertet. Das war für uns als Aufsteiger das A und O. Für die kommende Saison haben wir uns überlegt, was wir anbieten können, um unser Spiel nach vorne zu verbessern. Wir werden aber für mehr Attraktivität nie unsere Organisation opfern.

Peter Stöger exklusiv: "Köln ist positiv wahnsinnig"

Die Prognose:

Die sorgenfreie Vorsaison hat bereits aufhorchen lassen, die prominenten Neuzugänge regen nun zusätzlich die Fantasie an. Doch durch den stärker aufgestellten Kader und das traditionell schwierigere zweite Jahr im Oberhaus steht der FC auch vor seiner ersten echten Reifeprüfung.

Schmadtke und Stöger werden sich an ihren Coups auf dem Transfermarkt messen lassen müssen. Gelingt es dem Trainer, die Mannschaft dank der höheren individuellen Qualität in ihrer Gesamtheit weiter zu entwickeln?

Oberstes Ziel kann dennoch nichts anderes als der Klassenerhalt sein. Eine Saison wie im Vorjahr würden sie in Köln sofort nehmen - und das sollte auch durchaus drin sein. Käme gar ein einstelliger Tabellenplatz heraus, wäre dies als enormer Erfolg zu werten.

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