Adil Chihi will nach seinem im April zugezogenen Achillessehenriss beim 1. FC Köln bald wieder durchstarten. Und das obwohl die kommenden Wochen für ihn besonders hart werden: Als gläubiger Muslim darf er während des Fastenmonats Ramadan, der am Mittwoch beginnt, von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang weder essen noch trinken.
Im SPOX-Interview spricht der 22-jährige Adel Chihi vom 1. FC Köln über Verletzungen, seinen Glauben und die deutsche Nationalmannschaft.
SPOX: Herr Chihi, wie geht es Ihnen?
Adil Chihi: Ich habe noch keine Bundesligaform, aber es geht mir schon ganz gut. Ich arbeite jeden Tag hart und es wird immer besser. Das Wichtigste ist, dass ich keine Schmerzen mehr habe.
SPOX: Zwei schwere Verletzungen kurz hintereinander - wie weit hat Sie das zurückgeworfen?
Chihi: Das war ein herber Rückschlag. Zuerst das Syndesmoseband und du denkst, 'jetzt komm, da musst du durch' und gleich darauf die Achillessehne. Das war schon hart, aber ich bin ein Kämpfer und komme wieder zurück. Das weiß ich.
SPOX: Wann wird das sein?
Chihi: Am liebsten schon heute. Aber schwer zu sagen, jeder Körper steckt das anders weg. Ich versuche so schnell wie möglich, aber auch kontrolliert, wieder heranzukommen.
SPOX: Haben Sie die neue Leitkultur des FC Köln schon verinnerlicht?
Chihi: Sie spielen auf die Rede von Wolfgang Overath an.
SPOX: Genau.
Chihi: Ich war zu der Zeit gerade in Donaustauf bei Klaus Eder in der Reha. Die anderen Spieler haben mir alles mitgeteilt. Aber das war nichts Neues für mich. Ich komme ja aus der Jugend des FC Köln und da lebst du das ja vor. Allein schon aus Dankbarkeit.
SPOX: Wie meinen Sie das?
Chihi: Als ich damals zu den Profis gestoßen bin, war das eine Ehre für mich. Ich habe dann meine Chance genutzt. Ich werde dem Verein mein Leben lang dankbar sein dafür, dass er mir eine solche Zukunft ermöglicht und das gebe ich jetzt mit einer professionellen Einstellung und guten Leistungen zurück.
SPOX: In der Rede Ihres Präsidenten ging es um Werte wie Disziplin, Teamgeist oder Identifikation - Werte, die Basis jeder Mannschaft sein sollten. Warum musste das in dieser Deutlichkeit angesprochen werden?
Chihi: Da haben Sie schon recht, aber ich glaube, es schadet ja nicht so was zu wiederholen, damit es auch jeder verinnerlicht.
SPOX: Wurde das vielleicht aber auch angesprochen, weil es in der abgelaufenen Saison eben keine Disziplin und keinen Teamgeist in der Mannschaft gab?
Chihi: Klar, wir hatten eine schwierige Saison, die Ergebnisse stimmten oft nicht, es gab Gesprächsbedarf. Aber solche Phasen kommen eben mal vor. Das wird diese Saison anders sein, da bin ich mir sicher.
SPOX: Haben Sie schon Veränderungen innerhalb der Mannschaft bemerkt?
Chihi: Das kann man schwer sagen. Wir haben diese Werte auch in der vergangenen Saison gelebt, nur stimmten eben die Ergebnisse nicht und dann heißt es schnell 'die Einstellung stimmt nicht'.
SPOX: Wie haben Sie eigentlich die WM verfolgt?
Chihi: Meistens zu Hause mit Freunden und meiner Familie.
SPOX: Mit wem haben Sie mitgefiebert?
Chihi: Natürlich mit Deutschland. Ich bin hier aufgewachsen, habe die deutsche Mentalität.
SPOX: Das schien aber schon mal anders zu sein. Sie waren lange zwischen Marokko und Deutschland hin- und hergerissen.
Chihi: Ja das stimmt, aber letztendlich bin ich bin hier aufgewachsen. Ich habe mich im März dafür entschlossen, für die Deutsche Nationalmannschaft zu spielen. Auch meine gesamte Familie hat diese Entscheidung unterstützt.
SPOX: Mit Sami Khedira und Mesut Özil sind zwei deutsche Spieler mit Migrationshintergrund seit der WM absolute Identifikationsfiguren im deutschen Fußball. Imponiert Ihnen das?
Chihi: Ja, absolut. Ich hätte ja schon für die U21 gespielt, doch dann kam die Geschichte mit dem Syndesmoseband. Leider ist es nicht dazu gekommen, aber ich weiß, dass das noch klappen wird. Ich will für Deutschland spielen.
SPOX: Bei der EM 2012?
Chihi: Das wäre ein Traum, den ich mir aber erst erarbeiten muss.
Hier geht's weiter zum zweiten Teil: Chihi über Daum, Ramadan und seine Familie
SPOX: Christoph Daum hat Sie mal mit Cristiano Ronaldo verglichen und sagte, Sie seien eines der größten Talente im deutschen Fußball. Warum hat es bislang noch nicht für den großen Durchbruch gereicht?
Chihi: Christoph Daum ist ein großer Trainer. Es ehrt mich sehr, dass er so viel Potential in mir sieht. Aber es ist nicht so einfach, den Durchbruch zu schaffen. Es gibt immer wieder Rückschläge wie beispielsweise meine beiden Verletzungen. Ich war davor ja gut in Form und bin fast durchgestartet. Da will ich jetzt wieder hin. Ich werde der Bundesliga noch zeigen wer ich bin. Mein Durchbruch wird noch kommen, davon bin ich fest überzeugt.
SPOX: Sie haben vorhin Ihre Familie angesprochen. Welche Rolle spielt sie in Ihrer Karriere?
Chihi: Eine ganz große. Meine Familie ist mein ein und alles. Ich habe zwar in Köln eine kleine Wohnung, bin aber immer noch sehr oft in Düsseldorf bei meinen Eltern und meinen vier Geschwistern. Ich habe dort immer noch ein Zimmer.
SPOX: Nach Düsseldorf ist es ja auch nicht weit.
Chihi: Ja. Das sind nur 30 Minuten mit dem Auto und deshalb muss ich das noch solange auskosten wie ich kann.
SPOX: Klingt sehr nach Abschied aus Köln.
Chihi: Nein. Aber man weiß ja nie was passiert im Fußball. Mein Vertrag läuft zwar aus, aber da mache ich mir noch überhaupt keine Gedanken. Ich will jetzt erst wieder gesund werden und Fußball spielen.
SPOX: Wie sehr hilft Ihnen da Ihr Glaube?
Chihi: Mein Glaube hilft mir überall. Ich bete fünf Mal täglich.
SPOX: Auch bei Auswärtsspielen, wenn Sie viel unterwegs sind?
Chihi: Ja. Manchmal kann man die Zeiten zwar nicht einhalten, aber das hole ich alles nach.
SPOX: Abends im Hotel?
Chihi: Genau. Ich packe immer meinen Teppich zum Beten ein, wenn wir zu Auswärtsspielen reisen. Unser Kapitän Youseff Mohamad ist auch Muslim und der hat sogar immer einen Kompass dabei, um genau gen Mekka zu beten. Früher habe ich mir den immer ausgeliehen, aber mittlerweile habe ich einen eigenen.
SPOX: Am 11. August beginnt der Ramadan. Halten Sie den Fastenmonat ein?
Chihi: Ja klar. Das sollte jeder Muslim tun, es sei denn er ist schwer krank
SPOX: Wie ist das als Leistungssportler durchzuhalten? Sie dürfen von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang weder essen noch trinken.
Chihi: Das ist nicht so schwer. Das ist reine Willenssache. Ich habe das vergangenes Jahr auch geschafft und da war ich nicht verletzt. Ich habe sogar ein Tor gegen Hamburg gemacht, obwohl ich zuvor gefastet habe.
SPOX: Zwei Trainingseinheiten pro Tag und das bei hochsommerlichen Temperaturen - gibt es da zum Frühstück schon fünf Liter Wasser und jede Menge Nudeln?
Chihi: Nein (lacht). Ich frühstücke wie gewohnt. Wir bekommen in dieser Zeit auch Medikamente und Vitamine von unserem Physiotherapeuten Dieter Trzolek. Das dauert ein paar Tage, aber dann hat sich der Körper daran gewöhnt. Aber es ist ja nicht nur der Verzicht auf Essen und Getränke.
SPOX: Sondern?
Chihi: Es geht auch darum, ein guter Mensch zu sein, nicht zu lügen und all das zu verinnerlichen. Aber das sollte ja nicht nur während des Ramadans so sein. Jeder, ob nun Muslim oder Christ, sollte ein guter Mensch sein, jeden Tag.
Hier geht's zurück zum ersten Teil: Chihi über seine Verletzung, Migration und Overath