Tolle Technik und Unkonzentriertheit liegt bei Admir Mehmedi häufig dicht zusammen. Doch nach zwei schweren Jahren in der Ukraine, scheint der Stürmer beim SC Freiburg endlich stabil zu werden. Eine Entwicklung, an der Christian Streich einen großen Anteil trägt.
Im Sommer 2013 trafen die ungeschriebenen Gesetze des Marktes den SC Freiburg schwer. Der kleine Klub aus dem Breisgau hatte mit seinen Leistungen in der Saison zuvor für viel Aufsehen gesorgt und somit auch Begehrlichkeiten geweckt. Mit nur begrenzten finanziellen Möglichkeiten musste der Verein viele seiner Leistungsträger ziehen lassen. Wichtige Spieler wie Max Kruse, Cedric Makiadi, Daniel Caliguri und Jan Rosenthal folgten dem Lockruf besser bezahlender Klubs in der Bundesliga und verließen Freiburg.
Um die Lücke zu schließen, die sich gerade in Offensive bot, mussten die Freiburger ebenfalls aktiv werden und holten vermeintliche Hoffnungsträger. Mit Mike Hanke wurde aus Gladbach ein erfahrenen Stürmer verpflichtet, der die nötige Ruhe ins junge Team bringe sollte.
Vaclav Pilar sollte nach einem Kreuzbandriss in Freiburg wieder an alte Leistungen heran geführt werden. Und schließlich konnte Freiburg mit Vladimir Darida noch ein echtes Schwergewicht verpflichten - rund vier Millionen Euro ließen sich die Breisgauer den Tschechen kosten. Der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte.
Doch entgegen der Erwartungen und Hoffnungen, konnte keiner der Drei die Lücke in der Offensive schließen - nur drei Tore konnten Darida und Hanke gemeinsam erzielen. Vaclav Pilar dagegen kam in der laufenden Saison gerade mal auf 308 Minuten.
Dass Freiburg aber dennoch derzeit bei 17 Punkten steht, liegt vor allem an einem Mann: Admir Mehmedi. Der Schweizer zeigte nach anfänglichen Schwierigkeiten sein Talent und entwickelte sich mit sechs Toren zu Freiburgs Torjäger Nummer eins.
Eine Rolle, die ihm vor einem Jahr kaum einer zugetraut hatte. Denn bei seinem Stammverein Dynamo Kiew, wo Mehmedi bis 2016 noch unter Vertrag steht, kam die Karriere des 22-Jährigen gehörig ins Wanken.
Lernen, dem Druck stand zu halten
Ein Zustand, der ihm nicht ganz zu fremd war: In seiner geliebten Heimat beim FC Winterthur groß geworden, wechselte Mehmedi 2007 zum FC Zürich und gab 2008 sein Debüt in der Schweizer Super League. Doch von Beginn an fiel es ihm schwer, Fuß zu fassen. Zu viele Chancen ließ er verstreichen. Zu groß war der Druck, den er sich auf seine noch jungen Schultern gelegt hatte.
Erst zwei Jahre später hatte er in Mannschaft und sich Vertrauen gefunden. Sowohl in der U-21-Nationalmannschaft als auch beim FCZ schaffte er den Durchbruch. Selbst Nati-Trainer Ottmar Hitzfeld hatte ein Auge auf Mehmedi geworfen.
"Viele haben vergessen, dass ich bereits mit 17 Jahren in die erste Mannschaft gekommen bin. Ich musste erst mal lernen, dem Druck standzuhalten", erklärte Mehmedi seine späte Leistungssteigerung.
Mit dem persönlichen Aufstieg flatterten auch die Angebote anderer Vereine herein. In der Winterpause 2011/2012 konnte Mehmedi nicht mehr widerstehen. In Dynamo Kiew sah der Angreifer sowohl sportlich als auch finanziell eine Chance seine Karriere auf ein neues Niveau zu heben.
Die Familie warnte ihn vor einem zu gewagten Schritt und die Fans titulierten ihn als "geldgierig" - dennoch entschied sich Mehmedi, sein gewohntes Umfeld zu verlassen und für angeblich rund 4,1 Millionen Euro in die Ukraine zu wechseln.
Wenn die großen Vereine locken
"Es ist nochmal ein Schritt für mich, den ich in meiner Karriere brauche und daher habe ich mich für den Wechsel entschieden. Der Verein ist sicherlich ein größerer als der FCZ, sie haben das fünffache Budget", ließ Mehmedi verlauten.
Die Erwartungen erfüllten sich nur finanziell: Das Gehalt war üppig und kam pünktlich, zu den Auswärtsspielen ging es mit dem Privatjet, die Trainingsanlage umfasste acht Plätze. Aber ansonsten reihten sich die Probleme: insbesondere die Sprachbarriere erschwerten Mehmedi den Alltag erheblich.
Auf dem Platz musste sich der damals 19-Jährige die Anweisung des Trainers übersetzen lassen und eine Vertrauensbasis aufzubauen, schien nicht möglich. Auch die Entfernung zu seiner Familie, machte ihm schwer zu schaffen.
"Es war eine Lebenserfahrung - nicht nur auf den Fußball bezogen, auch im Alltag. Aber es war hart mit der fremden Sprache und der Herausforderung des Alleinlebens", wird Mehmedi später über seine Zeit in der Ukraine sagen. Bereut hat er den Wechsel nach eigenen Angaben aber nie.
Die Herausforderung des Alleinlebens
Neben den ungewohnten Rahmenbedingungen stellte auch die Kadersituation ein Problem für Mehmedis Entwicklung dar. Vier nominelle Angreifer hatte Kiew im Kader. Mehmedi musste sich hinten anstellen und in Geduld üben. Eine Situation, die er in Zürich nicht gewohnt war: "Bis dato ging es für mich nur aufwärts".
Doch in Kiew sollte der Aufwärtsschwung ausbleiben. Nur 25 Einsätze standen nach eineinhalb Jahren auf Mehmedis Konto - zu wenig für den ambitionierten Schweizer. Spätestens als ihn Ottmar Hitzfeld nicht in den Kader für ein Vorbereitungsspiel der Nationalmannschaft nominierte, merkte Mehmedi: "Ich muss handeln". Sein großes Ziel, die WM 2014, schien in weite Ferne gerückt zu sein.
Familiäres Umfeld gesucht
Im Sommer 2013 bot sich mit dem SC Freiburg die Chance, der schweren Situation in der Ukraine zu entfliehen und Mehmedi wurde nach langem Hin und Her in den Breisgau ausgeliehen: "Ich bin sehr froh, dass das Ganze vorbei ist und ich beim SC bin. Es ist ein super Schritt für mich, ich habe hier alles. Die Nähe zu meiner Familie und das ganze Umfeld hier, ist sehr familiär". Das Kontrastprogramm zu Kiew also.
In der Vorbereitung auf die neue Saison macht es den Eindruck, als hätte Mehmedi in der Tat die richtige Entscheidung getroffen. In den Testspielen macht er bereits auf sich aufmerksam und konnte sich mit einigen sehenswerten Treffern, einen Platz in der Stammelf ergattert. Doch, ähnlich wie in Kiew und zuvor in Zürich, tat sich der Schweizer in der Liga schwer.
"Hier gibt es eine andere Philosophie von Fußball. Die Trainer verlangen unheimlich viel Laufarbeit. Und man muss genau wissen, wie man sich taktisch zu verhalten hat", sagte er damals. Es zeigte sich, dass Mehmedi die Anforderungen zu Beginn nicht erfüllen konnte.
Mangelnde Ruhe vor dem Tor
Zu häufig fehlte ihm vor dem Tor die Kaltschnäutzigkeit. Erneut lastete der Druck, den er selbst auf seine Schultern gelegt hatte, zu schwer. So folgte am dritten Spieltag gegen Hoffenheim der Tiefpunkt seiner noch jungen Bundesligakarriere. In einem kuriosen und von Roten Karten geprägten Spiel ließ sich Mehmedi dazu verleiten, dem Schiedsrichter den Vogel zu zeigen - folgerichtig wurde er vom Platz gestellt.
Kritiker sahen sich bestätigt. Auch Christian Streich prangerte seinen Schützling an, stellte sich aber dennoch weiter schützend vor ihn: "Es ist eine komplizierte Situation für ihn. Er hat einen wahnsinnigen Eigendruck. Aber er muss die richtigen Schlüsse daraus ziehen." Streich forderte ganz konkret: "Laufen, laufen, laufen!"
Eine Aussage, die sich Mehmedi zu Herzen nahm. Im Spiel nach seiner Rotsperre erzielte er sein erstes Tor im Trikot des Sportclubs und erkämpfte sich seinen Stammplatz zurück.
"Wir wissen alle, dass auch ich anfangs beim SC Freiburg eine schwierige Zeit hatte, Ich habe die Herausforderung angenommen. Auch, als der Trainer mich kritisiert hat. Nach dem Spiel in Hoffenheim haben doch die meisten gedacht, dass ich auch in Freiburg nicht mehr richtig ankomme. Ich habe einfach weiter alles getan", erklärt der Stürmer heute seine Wandlung.
Streich als Vertrauter
Im Europa-League-Spiel gegen Liberec zeigte Mehmedi dann erneut eine schwankende Leistung. Erst konnte er die Freiburger per Traumtor in Front bringen, eher er mit einem katastrophalen Fehlpass den Ausgleich provozierte.
Doch Streich hielt weiter an ihm fest und setzte Mehmedi nicht unter Druck. Und die Taktik des Trainers, dem Stürmer die nötige Sicherheit und das Vertrauen zu geben, sollte aufgehen.
"Bei Freiburg bekomme ich genau das, was ich brauche, um mich ebenso entwickeln zu können: Vertrauen". Unter dieser Prämisse reifte Mehmedi in der Hinrunde und entwickelte sich mit seinem starken rechten Fuß, zum erfolgreichsten Torschützen der Freiburger.
Freiburg oder Kiew?
Sollten Mehmedis Leistungen nicht rapide einstürzen, stehen die Chancen gut, dass die Breisgauer die Kaufoption ziehen. Eine Rückkehr nach Kiew kommt für den Torjäger wohl selber nicht mehr in Frage und auch in der Ukraine scheint man kein großes Interesse an dem Schweizer zu haben.
In Freiburg scheint Mehmedi endlich die gewünschte Ruhe gefunden zu haben. Auch deshalb blickt er positiv in die Zukunft: "Ende der Saison werden wir dort stehen, wo wir hingehören: auf einem Nichtabstiegsplatz".
Admir Mehmedi im Steckbrief