"RB ließ in ganz Ghana nach Talenten suchen"

Sebastian Schuch
29. September 201613:35
David Atanga spielte für RB Salzburg bereits in der Champions-League-Qualifikationimago
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Über Ghana und Salzburg kam David Atanga zum 1. FC Heidenheim in die 2. Liga und hat dort die Chance, sich dauerhaft im Profi-Fußball zu etablieren. Der 19-Jährige spricht im Interview über seine Zeit in der Red-Bull-Akademie, die plötzliche Teilnahme an der Champions-League-Qualifikation mit Salzburg und die Hoffnung auf eine Begegnung mit Vorbild Arjen Robben.

SPOX: Herr Atanga, Sie sind nun seit rund drei Monaten beim 1. FC Heidenheim. Wie waren die ersten Wochen in Deutschland für Sie?

David Atanga: Die Vorbereitung und das Trainingslager waren sehr intensiv. Für mich war das eine neue Erfahrung und dementsprechend anstrengend. Heidenheim als Stadt ist recht klein, aber das ist kein Problem, denn ich bin hier, um mich weiterzuentwickeln.

SPOX: Sie kommen bislang auf fünf Pflichtspieleinsätze für den FCH, standen zweimal in der Startelf. Sind Sie zufrieden mit ihren Spielanteilen?

Atanga: Natürlich möchte ich so häufig wie möglich zum Einsatz kommen. Die Saison ist aber noch lang. Man darf nicht vergessen, dass ich neu in der Mannschaft bin. Deshalb arbeite ich im Training weiter und hoffe auf noch möglichst viele Einsätze.

SPOX: Trotz Ihrer erst 19 Jahre haben Sie bereits einiges erlebt. Sie sind in Bolgatanga in Ghana aufgewachsen und haben dort mit dem Fußballspielen begonnen. Wie genau hat Sie das Fußballfieber gepackt?

Atanga: Ich habe immer mit meinen Nachbarn gekickt. Mit neun Jahren sind wir in einen kleinen Verein gegangen. Dort haben wir hauptsächlich aus Spaß gespielt.

SPOX: Mit zwölf Jahren hatten Sie dann zum ersten Mal ein Angebot, in die Red-Bull-Akademie Ghana zu gehen. Wie genau wurde RB auf Sie aufmerksam?SPOXspox

Atanga: Red Bull ließ in ganz Ghana Scouts und Trainer nach jungen Talenten Ausschau halten. Wenn sie einen vielversprechenden Spieler entdeckten, wurde das nach Salzburg gemeldet. Im Anschluss wurde man zum Probetraining eingeladen und wenn man dort überzeugte, erhielt man eine Einladung für die Akademie.

SPOX: Sie haben das erste Angebot abgelehnt. Was waren die Gründe dafür?

Atanga: Ich war mit zwölf Jahren meiner Meinung nach noch zu jung. Außerdem musste ich noch zur Schule und konnte deshalb nicht einmal quer durch Ghana reisen.

SPOX: Im Alter von 14 Jahren haben Sie dann den Sprung gewagt. Wie muss man sich einen Tag in der Akademie vorstellen?

Atanga: Wir hatten einen straffen Zeitplan. Nach dem gemeinsamen Frühstück ging es zur ersten von zwei Trainingseinheiten. Im Anschluss hatten wir etwa von 10 Uhr bis 15 Uhr Schule. Nach einer Stunde Pause stand die zweite Einheit auf dem Plan.

SPOX: Das klingt nach einem anstrengenden Tag. Wie genau ließen sich Fußball und schulischen Prüfungen vereinbaren?

Atanga: Um alles unter einen Hut zu bekommen, mussten wir uns abends noch hinsetzen und Hausaufgaben machen. Vor den Prüfungen stand natürlich noch lernen auf dem Programm. Unmittelbar vor einer Klausur hatten wird dann etwas länger Schule und dafür ist das zweite Training am Tag ausgefallen.

SPOX: Die Akademie lag im 700 Kilometer entfernten Sogakope. Wie war es für Sie, von Familie und Freunden getrennt zu leben?

Atanga: Am Anfang war es nicht ganz einfach. Aber wenn man mental für die Herausforderung gewappnet ist, ist das kein Problem. Ich hatte und habe immer noch viel Kontakt zu meiner Familie, das macht es etwas einfacher. Man darf auch nicht vergessen, dass man das für den Traum Profi-Fußballer ganz einfach auf sich nehmen muss.

SPOX: 2013 wurde die Akademie geschlossen. Kennen Sie die Gründe für die Schließung?

Atanga: Soweit ich das mitbekommen habe, gab es Differenzen zwischen einigen Trainern und den Verantwortlichen von Red Bull. Die genauen Hintergründe kenne ich allerdings auch nicht.

SPOX: Hatten Sie Angst, dass ihr Traum bereits wieder beendet sein könnte?

Atanga: Nein, Angst hatte ich keine. Wir waren mit einer Mannschaft aus der Akademie bereits zwei Mal in Frankreich auf einem Jugendturnier und bei unserer zweiten Teilnahme wurde ich Torschützenkönig. Deshalb wusste ich, dass Salzburg ein besonderes Auge auf mich wirft. Kurz darauf erhielt ich das Angebot, nach Salzburg zu kommen.

SPOX: Dieses Angebot haben Sie angenommen und sind gemeinsam mit einigen anderen Jugendspielern nach Salzburg übergesiedelt. Wie war die Umstellung in Europa für Sie?

Atanga: Ich war schon einige Male in Europa, das erste Mal 2011 für etwa drei Wochen. Deshalb war die Umstellung nicht ganz so groß. Die Kultur ist natürlich trotzdem eine ganz andere.

SPOX: Und fußballerisch?

Atanga: Der größte Unterschied sind die Trainingsplätze und die Ausrüstung. Das ist in Europa natürlich auf einem ganz anderen Niveau. Spielerisch ist das aber vergleichbar.

SPOX: Haben Sie noch Kontakt zu Ihren ehemaligen Mannschaftskollegen aus der Akademie?

Atanga: Ja, mit einigen schreibe ich noch via Facebook. Ein paar haben den Sprung ebenfalls geschafft und kicken mittlerweile in Europa. Andere spielen in der ersten ghanaischen Liga oder sind in eine andere Akademie gewechselt, die eine Kooperation mit dem FC Metz hat.

SPOX: Bis sie 18 Jahre alt waren, durften Sie nicht für RB Salzburg spielen. Wie war es für Sie, nur trainieren zu dürfen?

Atanga: Das war eine schwere Zeit. Man gibt im Training alles und am Wochenende muss man zuschauen. Aber ich wusste, dass ich das nicht ändern kann, deshalb habe ich mich darauf eingelassen. Immerhin durfte ich an einigen U19-Turnieren teilnehmen.

SPOX: In der Rückrunde 2014/2015 durften Sie dann am Spielbetrieb teilnehmen und spielten zunächst für die zweite Mannschaft, den FC Liefering. Mit einem Tor bei Ihrem Debüt haben Sie gleich gezeigt, dass sie künftig auch für RB eine Option sein könnten.

Atanga: Trotz des Tores war ich nicht hundertprozentig zufrieden mit meiner Leistung. Ich habe mir gesagt: 'Das ist erst der Anfang, ich muss mich weiter steigern.'

SPOX: Gesteigert haben Sie sich im Verlauf der Rückrunde. Als Lohn durften Sie mit Salzburg in der Champions League spielen. Wie war es für Sie, auf dem Platz zu stehen und die Hymne zu hören?

Atanga: Natürlich war es ein super Gefühl, aber letztlich ging das alles etwas zu schnell. Ich hatte gerade ein paar Spiele für Liefering gemacht, kam gerade erst von der U20-WM zurück und schon stand ich in der Champions League-Qualifikation auf dem Platz. Dennoch möchte ich diese Erfahrung nicht missen.

SPOX: Durch Ihre Auftritte standen Sie auch zu Saisonbeginn in der Bundesliga von Beginn an auf dem Platz. Nach fünf Spieltagen wurden Sie aber wieder zum FC Liefering geschickt. Weshalb?

Atanga: Das war meine eigene Entscheidung. Ich stand in vier von fünf Partien in der Startelf und weiß ehrlich gesagt nicht, warum ich auf einmal nur noch einen Bankplatz hatte. Ich habe mit dem Trainer gesprochen und er konnte mir keine regelmäßigen Einsätze garantieren. Deshalb habe ich dann darum gebeten, wieder für Liefering spielen zu dürfen.

SPOX: Das ist ein ungewöhnlicher Schritt, normalerweise versuchen viele Talente, sich über Kurzeinsätze bei den Profis in den Fokus zu spielen.

Atanga: Für mich war das die richtige Entscheidung. Ich war 18 Jahre alt und in diesem Alter muss man viel und regelmäßig spielen. Nur so kann man sich weiterentwickeln. Außerdem habe ich weiter mit den Profis trainiert.

SPOX: Bei Liefering lief es sehr gut für Sie, Sie waren regelmäßig an Toren beteiligt und gehörten zu den Leistungsträgern. Wie groß war die Hoffnung, wieder für Salzburg spielen zu können?

Atanga: Die Hoffnung war da. Der Trainer wollte mich auch wieder in den Kader von Salzburg zurückholen, aber mir ging es vor allem um Spielzeit. Da ich weiterhin nur als Ersatz eingeplant war, habe ich bewusst die Option Liefering gewählt.

SPOX: War die Aussicht auf regelmäßige Einsätze einer der Gründe für Ihren Wechsel nach Heidenheim?

Atanga: Ja, auf jeden Fall. In Salzburg wurden neue Spieler verpflichtet und so waren die Chancen auf einen Stammplatz nicht unbedingt größer. Heidenheim ist bewusst auf mich zugekommen, hat sich um mich bemüht.

SPOX: Kannten Sie Heidenheim vor ihrem Wechsel?SPOX

Atanga: Ja, man verfolgt die 2. Bundesliga auch in Österreich. Von daher war mir der Verein natürlich ein Begriff.

SPOX: Bei Ihrer Vorstellung sagte Sportdirektor Holger Sanwald, dass es einige weitere Interessenten gab. Können Sie uns verraten, welche das waren?

Atanga: Ich hatte schon am Ende der vergangenen Saison gehört, dass sich einige Vereine nach mir erkundigt haben. Da ich nicht weiß, wie intensiv die Gespräche waren, ist es besser, wenn ich keine Namen nenne. (lacht)

SPOX: Welche Ziele haben Sie mit Heidenheim in der laufenden Saison?

Atanga: Wir wollen in der 2. Bundesliga eine gute Rolle spielen und möglichst früh den Klassenerhalt sichern. Im Pokal haben wir die erste Hürde bereits genommen, nach Möglichkeit sollen noch ein paar weitere folgen.

SPOX: Ihr Vorbild ist Arjen Robben. Glauben Sie, dass Sie ihn während ihrer Zeit in Deutschland auch persönlich kennenlernen dürfen?

Atanga: Ich hoffe es natürlich. Sollten wir vielleicht mal im Pokal gegeneinander spielen, wäre das ein ganz besonderer Moment für mich. Dann könnte ich mir sicherlich auch das eine oder andere von ihm abschauen.