Nach vier sieglosen Bundesliga-Heimspielen droht Niko Kovac beim FC Bayern München das Aus. Vor seinem Schicksalsspiel in der Champions League gegen Benfica gibt sich der Kroate undurchsichtig.
Niko Kovac ist ein intelligenter Mann, ein Lausbub im positiven Sinne. Schelmisch grinsend wie eh und je hüpfte der zur Diskussion stehende Trainer des FC Bayern München am frühen Montagnachmittag die Stufen zum Konferenz-Podest im Pressebereich der Fröttmaninger Allianz Arena hinauf, blickte freundlich in die Journalisten-Schar. Nonverbal, einzig und allein durch Gestik und Mimik, schien der Kroate zunächst eine Frage an sein Publikum zu stellen, bevor er selbst Rede und Antwort stehen würde: "War irgendwas?"
Auf der obligatorischen Pressekonferenz im Vorfeld der Champions-League-Begegnung mit Benfica (Di., 20.45 Uhr im LIVETICKER), die gemeinhin als Schicksalsspiel für Kovac gehandelt wird, vermittelte der 47-Jährige jedenfalls nicht den Eindruck eines strauchelnden Übungsleiters, dessen Wohl und Wehe vom nächsten Tag abhängt.
Niko Kovac: "Was sollte mich denn negativ stimmen?"
Stattdessen legte Kovac einen einigermaßen sonderbaren und undurchsichtigen Auftritt hin, bei dem er mitunter sogar den Eindruck vermittelte, als lebe er in seiner eigenen Welt. So schien es ob der aktuellen sportlichen Lage nahezu paradox, dass Kovac auf die Frage, was ihn für Dienstagabend denn positiv stimmen würde, etwas dünnhäutig und feixend konterte: "Was sollte mich denn negativ stimmen?"
Nun ja, da würden sich bekanntermaßen dieser Tage eine Menge stichhaltiger Argumente finden lassen. Immerhin rangiert der Serienmeister der vergangenen sechs Jahre derzeit nur auf Rang fünf, mit bereits neun Punkten Rückstand auf Borussia Dortmund. Dann wären da noch die Schwäche in der vormaligen Festung namens Allianz Arena, die in den vergangenen sechs Wochen durchweg uninspirierten Auftritte und die ausbleibende Protektion durch die Klubbosse, um nur einige Punkte exemplarisch zu nennen.
Zuletzt sorgte Kovac bei der breiten Öffentlichkeit mit seinen Einschätzungen immer wieder für Verwunderung. So hatte er beim rumpeligen 2:0-Erfolg in Athen ein "sehr, sehr gutes Spiel gesehen", nach der jüngsten 3:3-Blamage gegen Fortuna Düsseldorf sagte er: "Ich glaube, dass wir das 90 Minuten lang ordentlich gemacht haben, wenn man die drei Gegentore abzieht." Es sind Aussagen wie diese, die grotesk wirken und nicht gerade zum bajuwarischen Selbstverständnis passen. Überhaupt ist es Kovacs Umgang mit Kritik, der manche Leute stutzig macht.
Champions League: Die Tabelle der Gruppe E
Platz | Team | Spiele | Torverhältnis | Tordifferenz | Punkte |
1 | FC Bayern München | 4 | 7:1 | 6 | 10 |
2 | Ajax Amsterdam | 4 | 6:2 | 4 | 8 |
3 | Benfica Lissabon | 4 | 4:6 | -2 | 4 |
4 | AEK Athen | 4 | 2:10 | -8 | 0 |
Denn auch am Montag ließ der Coach unangenehme Themen weitestgehend an sich abperlen, beantwortete Reporterfragen mit Gegenfragen. Als er etwa auf das angeblich zerrüttete Verhältnis zu einigen seiner Spieler angesprochen wurde, forderte er Belege für dahingehende Gerüchte.
Mehrere Medien hatten allerdings von Spannungen berichtet, Leon Goretzka wollte sich zum Beispiel nach dem Spiel gegen Düsseldorf überhaupt nicht zu seinem Trainer äußern, allgemein ließ jeder, der nach Kovac befragt wurde, bedingungslose Rückendeckung vermissen. Das Verhältnis zur Mannschaft sei "sehr gut", widersprach er dem Ondit und führte aus: "Ich habe Gespräche mit einigen meiner Spieler geführt. Diejenigen, mit denen ich gesprochen habe, haben mir bestätigt, dass das Verhältnis außerordentlich gut ist."
Niko Kovac gibt sich kämpferisch vor Duell mit Benfica
Darüber hinaus zeigte sich der gebürtige Berliner gleichermaßen kämpferisch wie trotzig. Denn natürlich kam die Frage nach seiner Zukunft und seiner Gefühlslage auf. "Diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich immer ein Kämpfer war. Mein ganzes Leben bestand darin, mich durchzusetzen", antwortete Kovac. Er ergänzte pathetisch: "Die Worte 'aufgeben' und 'zurückstecken' existieren in meinem Wortschatz nicht."
Verständlich, dürfte wohl niemand damit gerechnet haben, dass Kovac vor dem richtungsweisenden Spiel gegen Lissabon die weiße Flagge hissen würde - denn auch diese Umschreibung des Resignierens finde sich nicht in seinem Vokabular, wie er sagte.
Und dennoch wird auch der smarte Kovac realisiert haben, dass sich die Lage zuspitzt. Uli Hoeneß, der Anfang Oktober noch verkündet hatte, seinen Trainer "bis aufs Blut" verteidigen zu wollen, stimmte am Samstag nämlich ganz andere Töne an: "Wir müssen beim FC Bayern jetzt alles hinterfragen. Wir sagen hier nicht: 'Das wird schon werden'. Die nächsten Tage und Wochen müssen wir dazu nutzen, um die richtige Lösung zu finden."
Ob die auch am Mittwochmorgen noch Niko Kovac heißt, ist jedoch ungewiss.