Von der Kreisliga in den Profifußball: Hendrik Weydandt hat das geschafft, von dem viele Kicker nur träumen. Im Interview mit SPOX und Goal erklärt der 24-jährige Stürmer, warum er weiter in einer Steuerkanzlei arbeitet und wie sein WG-Leben aussieht.
Außerdem erzählt Weydandt, wie er mit Sprechchören über sich umgeht und wie lange er brauchte, um den Abstieg mit Hannover 96 zu verarbeiten.
Herr Weydandt, Sie leben mit zwei Freunden aus Ihrer Zeit beim Oberligisten Germania Egestorf zusammen in einer WG. Nehmen Sie uns doch mal mit in Ihren Alltag.
Hendrik Weydandt: Also für den Müll ist schon mal jeder verantwortlich. (lacht) Im Ernst: Durch den Fußball ist mein Alltag sehr durchstrukturiert. Ich stehe früh auf und muss kein Essen auftreiben, da ich am Trainingsgelände frühstücke. Nach dem Training und anderen Terminen bin ich gegen Abend wieder zu Hause. Dort passiert dann auch nichts mehr Extraordinäres.
Wie verbringen Sie sonst die Zeit in Ihrer WG?
Weydandt: Das kommt darauf an, was meine Mitbewohner im Fernsehen gucken. Wenn ich die Tür aufmache und sich die beiden Reality-Shows anschauen, bleibt mir ja nichts anderes übrig, als in mein Zimmer zu gehen. So etwas zu sehen, ist eine völlige Katastrophe! Ansonsten spielen wir gerne Brettspiele. Bei "Risiko" zerstöre ich gerne mal Freundschaften. (lacht) Wir spielen aber auch Playstation und haben daher drei Stück in der WG.
Können Sie eigentlich noch den Begriff Märchenstürmer hören?
Weydandt: Der Begriff ist prinzipiell ja etwas Positives. Ich kann damit viele tolle Erinnerungen verbinden, die ich nie vergessen werde. Von daher habe ich mich nie gegen das Wort gewehrt, obwohl es für mich natürlich kein Märchen war. In dieser Zeit habe ich aber auch sehr schnell gemerkt, dass die Medien das schreiben, was sie schreiben wollen.
SPOXAb welchem Zeitpunkt haben Sie eigentlich realisiert, dass Sie Ihren Traum leben können?
Weydandt: Das war, als ich aus dem Trainingslager der Profis zurückkam und mir ein Profi-Vertrag angeboten wurde. Danach habe ich mich an den Hörer gesetzt und mit Familie und Freunde darüber gesprochen.
Weydandt über seine Arbeit in der Steuerkanzlei
Sie haben BWL studiert. Vor dem Profigeschäft hieß der Plan eigentlich, in der Steuerkanzlei Ihres Vaters anzufangen. Steht der Plan noch?
Weydandt: Klar, das ist immer noch geplant. Ich kann ja nicht bis 60 professionell Fußball spielen. Von daher brauche ich nach diesem Lebensabschnitt ein neues Standbein und so läuft der Plan im Stillen weiter.
Wie bleiben Sie diesbezüglich auf dem Laufenden? Sie werden ja schlecht in Ihrer Freizeit Jahresabschlüsse prüfen können.
Weydandt: Einen Jahresabschluss darf ich noch gar nicht prüfen. Aber natürlich muss ich dahingehend fit bleiben. Wenn ich mich mit einem Thema beschäftige, was nicht mit Fußball zu tun hat, nimmt das den Stress runter. Ich arbeite in der Kanzlei ab und zu mit und habe dort meine kleineren Aufgaben, die mich interessieren. Es ist auf jeden Fall eine andere Art, vom Fußball abzuschalten.
Dass Sie sich mit viel Aktivität auf Social-Media-Kanälen ablenken, kann man wahrlich nicht sagen. Sie sind dort wenig präsent. Warum?
Weydandt: Vielen Spielern hilft das Profil auf Social Media für die eigene Vermarktung. Das große Paradebeispiel hierfür ist bekanntlich Cristiano Ronaldo. Ich akzeptiere das, weil es für viele Menschen ein Geschäftsmodell geworden ist. Für mich persönlich wäre das aber nichts. Ich passe enorm auf, dass ich nichts aus meinem privaten Leben poste. Hin und wieder poste ich mal ein Fußball-Bild, das war es für mich aber auch. Es hat für mich einfach keine Priorität.
Weydandt: "Wir Kerle sind oft sehr autofokussiert"
Einige Sportler protzen ja gerne mit Ihren Autos. Was denken Sie darüber?
Weydandt: Wir Kerle sind ja oft sehr autofokussiert. Ich habe mal mit einem Mitspieler gesprochen, der ein extremes Faible für Autos hat. Am Anfang dachte ich mir auch: "Klar, ein Fußballer. Der braucht gleich vier Autos, eins reicht nicht." Der Mitspieler wollte aber immer etwas mit Autos machen. Er wäre auch Werkstatt-Monteur geworden, hätte es mit dem Fußball nicht geklappt. Nach diesem Gespräch konnte ich es dann nachvollziehen, dass jemand auch so seiner Leidenschaft nachgehen kann. Niemand hat das Recht, ihn dafür zu verurteilen. Ich würde jetzt aber nicht darauf wetten, dass man mich in ein paar Jahren im Porsche sieht. (lacht)
Was ist denn neben dem Fußball Ihre Leidenschaft?
Weydandt: Ich spiele hin und wieder Klavier. Das kann man aber nicht mit Autos vergleichen, da ich mir ja nicht alle zwei Wochen ein neues Klavier kaufe.
Gönnen Sie sich etwas, was vor Ihrer Karriere nicht möglich war?
Weydandt: Ich habe es zum Beispiel sehr genossen, dass ich mir im Sommer einen großen USA-Urlaub leisten konnte. So einen Trip macht man sonst höchstens alle zehn Jahre.
Wie hat sich Ihr Leben sonst verändert? Genießen Sie es, auf der Straße erkannt zu werden?
Weydandt: Wenn es im Rahmen bleibt, freue ich mich natürlich darüber. Mittlerweile sage ich auch ehrlich, wenn es gerade nicht passt, Autogramme zu schreiben oder ein Foto zu machen. Mit der Zeit muss man seine Art und Weise entwickeln, damit umzugehen. Besonders schön ist es, Kindern eine Freude zu machen. Das ist für mich einer der größten Vorteile am Fußball-Geschäft. Ich kann mit so wenig Aufwand einem Kind die ganze Woche versüßen. Das hätte ich vorher nicht für Kinder leisten können.
Sie gelten in Hannover auch als Fanliebling. Was machen Gesänge wie "Du bist der beste Mann" mit Ihnen?
Weydandt: Es macht mich total stolz und es ist ein wahnsinniges Gefühl, so etwas zu hören. Bei meinen ersten Spielen wusste ich noch überhaupt nicht, wie ich damit umgehen soll. Du läufst auf und mehrere tausend Menschen schreien deinen Namen. Mittlerweile kann ich das besser fassen. Es ist eine schöne Bestätigung, dass ich anscheinend immer noch ganz sympathisch rüberkomme.
Wie werden solche Gesänge von der Mannschaft aufgenommen?
Weydandt: Ich darf mir dann den einen oder anderen Spruch anhören. Aber die sind alle mit einem Augenzwinkern und nicht ernst zu nehmen. Wegen solcher Fangesänge verhalte ich mich ja meinem Sitznachbarn gegenüber nicht plötzlich ganz anders.
Apropos Sprüche: Haben Sie schon mal von Gegenspielern einen Spruch bekommen?
Weydandt: Bislang zum Glück nur positive. (lacht) Während meiner ersten Partien habe ich ein Tor geschossen, wir haben 1:1 gespielt. Ich hatte aber sogar noch eine große Chance zum Siegtor auf dem Fuß. Da meinte der Torwart dann nur, dass das ja zu meiner Geschichte gepasst hätte. Dass andere Spieler das mitbekommen haben, war cool.
Weydandt über den bitteren Abstieg mit Hannover 96
Wie sehr konnten Sie denn trotz des Abstiegs Ihr erstes Jahr genießen?
Weydandt: Deutlich weniger, als es sonst der Fall gewesen wäre. Der Abstieg hat einen enormen Kratzer hinterlassen. Nach meinen ersten drei oder vier Wochen war mir meine persönliche Geschichte dann auch komplett egal. Ich habe gemerkt, dass es nichts bringt, wenn man sich über seine Leistungen freut, aber trotzdem 0:3 auf den Sack bekommt. Da musst du als Team funktionieren und das hat bekanntlich nicht geklappt.
Wie lange haben Sie persönlich benötigt, um den Abstieg zu verkraften?
Weydandt: Der Abstieg hat mich extrem verfolgt. Natürlich habe ich mich nicht zu Hause in die Ecke gekauert. Aber insgesamt hat es mehrere Wochen der Verarbeitung gebraucht, um sich damit abzufinden. Von der Außenwelt bekommt man das aber so lange präsentiert, bis man wieder aufgestiegen ist.
In der vergangenen Saison hat Ex-Präsident Martin Kind die Mannschaft oft scharf kritisiert. Unter anderem ging er Spieler wie Walace stark an. Mussten Sie da Kollegen aufmuntern?
Weydandt: Kritik gehört im Fußball dazu. Trotzdem habe ich auf der einen Seite schon die Verantwortung gespürt, diesen Spielern ein besseres Gefühl zu geben und ihnen meine Hilfe anzubieten. Auf der anderen Seite ist aber auch klar, dass die Spieler Profis sind und damit umgehen müssen. Natürlich haben wir darüber in der Mannschaft gesprochen. So wie wir gespielt haben, war Kritik aber absolut gerechtfertigt.
Weydandt: "Doll war immer für einen Schmunzler gut"
Ihr Förderer Andre Breitenreiter wurde am 27. Januar entlassen und durch Thomas Doll ersetzt. Wie haben Sie ihn persönlich wahrgenommen?
Weydandt: Thomas Doll ist ein positiver Typ, er war immer für einen Schmunzler gut. Er hat die ganze Zeit versucht, seine Energie auf uns zu übertragen. Was mir besonders gut gefallen hat, war seine Ehrlichkeit. Ich habe ihn dafür bewundert, dass er nicht nur auf uns draufgehauen hat, sondern versucht hat, uns so schnell wie möglich aufzurichten.
Im Sommer wurden unter anderem Cedric Teuchert und Marvin Ducksch verpflichtet. Hatten Sie Sorge um Ihren Stammplatz?
Weydandt: Nein, das hatte ich nicht. Ich hätte mich auch nicht in die Ecke verkriechen müssen, hätte Mirko Slomka erstmal nur auf die neuen Spieler gesetzt. Ich weiß, dass ich mich mit meinen Qualitäten nicht mehr verstecken muss.
Sie haben noch einen Vertrag bis zum Sommer. Werden Sie diesen verlängern oder beim Nicht-Aufstieg Hannover verlassen?
Weydandt: Wir haben in den vergangenen Wochen die Gespräche aufgenommen, die sehr positiv waren. Alles Weitere wäre spekulativ.