Peter Stöger ist seit zwei Jahren Trainer beim 1. FC Köln, seitdem läuft es in der Domstadt. Im Interview mit SPOX spricht der Österreicher über die veränderte Hysterie in Köln, Transfercoups im Sommer, Kritik am Stil des Klubs und das Vorbild Mönchengladbach.
SPOX: Herr Stöger, Sie wurden nach dem Training am letzten Donnerstag von einem österreichischen FC-Fan mit "Herr Professor Stöger" angesprochen. Fühlen Sie sich geschmeichelt?
Peter Stöger: In Österreich bekommt man relativ schnell einen Titel zugesprochen, ohne dass man etwas wirklich Außergewöhnliches erreicht hat. Vor allem in Wien wird man gerne mal als "Kommerzialrat" oder "Hofrat" bezeichnet, das bringt die Geschichte unseres Landes mit sich. Aber ich habe mir jetzt nicht unbedingt große Verdienste um Österreich erworben. (lacht)
SPOX: Aber man freut sich doch sicher, wenn man Anerkennung für die geleistete Arbeit bekommt.
Stöger: Natürlich ist es schön mitzubekommen, dass sich die Leute in Österreich mitfreuen und sehen, dass wir in den letzten zwei Jahren in Köln relativ viel richtig gemacht haben. Ich bin aber auch nur ein Teil eines Teams, das in den letzten beiden Jahren Erfolg hatte. Dass wir alle zusammen als Team funktionieren, macht mich stolz. Zugleich müssten die Verantwortlichen in Köln stolz sein, dass sie die Idee hatten, Manfred Schmid (Stögers Co-Trainer, Anm. d. Red.) und mich zu holen. Es war für den Verein schon ein gewisses Risiko, ein Trainerteam aus der österreichischen Liga zu holen.
SPOX: War es auch für Sie ein Risiko, nach Köln zu gehen? Der FC ist ja nicht irgendein Klub in Deutschland.
Stöger: Überhaupt nicht. Wenn es nicht funktioniert hätte, hätte ich meine Sachen gepackt und wäre wieder zurück nach Österreich gegangen. Ich wusste, dass der FC ambitioniert ist und dass es auch Vorbehalte gab. Ein Trainer aus Österreich. Was hat der schon drauf? Der kennt die Liga nicht. Das war für mich aber alles kein Problem, weil ich von Anfang an ein gutes Gefühl bei der Sache hatte. Und die Chance, als Trainer in Köln zu arbeiten, muss man einfach annehmen. Es ist für mich eine Ehre, beim FC arbeiten zu dürfen.
SPOX: In Ihrem ersten SPOX-Interview als FC-Trainer im November 2013 haben Sie uns um Verständnis gebeten, dass Sie nach vier, fünf Monaten noch kein erstes Fazit ziehen könnten. Mittlerweile sind Sie zwei Jahre in Köln. Wie fällt ihr Resümee jetzt aus? Unabhängig vom sportlichen Erfolg.
Stöger: Ich habe in dieser Zeit nie feststellen können, dass ich in einem unruhigen Umfeld arbeiten würde. Es wurden nie persönliche Eitelkeiten in den Vordergrund gestellt, niemand macht sich wichtig. Was dem Verein an negativem Ruf mitunter vorausgeeilt ist, kann ich überhaupt nicht bestätigen. Der FC ist ein großer Klub in Deutschland und die Erwartungshaltung der Fans ist hoch. Man strebt in Köln immer nach dem Höchsten, das wird auch immer so bleiben. Aber genau das macht auch den Reiz aus, hier zu arbeiten. Die Fans träumen, das muss auch erlaubt sein. Für uns ist aber wichtig, dass diese Erwartungshaltung nicht vom Verein ausgeht. Die handelnden Personen denken und arbeiten immer als Team. Wir sind alle total geerdet.
SPOX: Als Christoph Daum zurückgeholt wurde, schien das Kölner Umfeld von außen betrachtet fast schon hysterisch zu werden. Gleiches galt für die Rückholaktion von Lukas Podolski. Spüren Sie diese Hysterie auch manchmal?
Stöger: Köln ist eine positiv wahnsinnige Stadt. Wir spüren, dass immer mehr Leute den Weg, den wir eingeschlagen haben, total mitgehen. Wir wollen mit kleinen Schritten nach oben kommen. Die Bundesliga wird oft als stärkste und ausgeglichenste Liga Europas bezeichnet. Da konnte man von uns als Aufsteiger nicht erwarten, dass wir gleich Achter werden. Natürlich passieren im Fußball ab und zu mal außergewöhnliche Dinge, so dass auch mal ein Aufsteiger auf Anhieb in die Europa League einzieht. Aber im Normalfall verläuft eine Entwicklung in kleineren Schritten und es ist auch besser so, weil dann die Fallhöhe bei Misserfolgen deutlich geringer ist. Das hat man in Köln nicht immer verstanden. Die Leute verstehen das und sind mit voller Begeisterung dabei. Das spüre ich, egal ob ich einem Siebenjährigen ein Autogramm gebe oder von einer älteren Dame beim Einkaufen angesprochen werde. Köln lebt den Verein nach wie vor, aber die Leute denken nicht mehr übertrieben groß.
SPOX: Dass Ruhe im Verein herrscht, merkte man zuletzt beim Transfer von Leonardo Bittencourt. Die Boulevard-Medien haben davon nichts mitbekommen. Das war in Köln früher undenkbar. Wie ist Ihnen das gelungen?
Stöger: Es geht nicht darum, dem Boulevard irgendetwas zu verheimlichen. Ich habe vollstes Verständnis für die Arbeit der Journalisten und den Wunsch nach Exklusivität. Wir sitzen nicht mit den Medien in einem Boot, aber wir versuchen, es den Leuten so einfach wie möglich zu machen. Wir arbeiten ja fast täglich mit ihnen zusammen. Aber wenn früh publik wird, dass wir an diesem oder jenem Spieler interessiert sind, wird es für uns als Verein schwierig. Ich habe es in meiner Karriere als Trainer oder Sportdirektor schon erlebt, dass Transfers deshalb geplatzt sind.
SPOX: Bittencourt vollendet die Liste bekannter Spieler, die der FC in diesem Transfersommer geholt hat. Sie haben vergleichsweise früh ihren Kader für die kommende Saison beisammen. Sie müssen sich in der Analyse der letzten Saison bezüglich möglicher Verstärkungen schnell einig geworden sein mit Jörg Schmadtke.
Stöger: Wir sind nicht der Klub, der Mitte August nochmal 30 Millionen Euro in die Hand nehmen und sagen kann: 'Okay, unsere neuen Spieler sind nicht so gut, wie wir uns das vorgestellt haben, dann holen wir eben noch schnell Verstärkung.' Wir haben konkrete Ideen, wie wir in Zukunft Fußballspielen wollen und von diesen Ideen müssen wir die Spieler, die wir brauchen, frühzeitig begeistern und überzeugen. Es ist sicher hilfreich, dass Jörg Schmadtke Bittencourt schon länger persönlich kennt und ich mit Philipp Hosiner schon zusammengearbeitet habe. Dazu kam, dass wir von außen betrachtet nicht verstanden haben, warum ein Anthony Modeste in Hoffenheim nicht so zum Zug kommt. Für uns war früh klar, welche Spieler wir nach Köln holen wollen.
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SPOX: Spieler wie Modeste, Jojic oder Bittencourt hatten auch andere Angebote. Mit welchen Argumenten ist es Ihnen gelungen, diese Spieler zu verpflichten?
Stöger: Wir sind weit davon entfernt, uns selbst beweihräuchern zu wollen. Aber die Spieler haben erkannt, dass man sich in Köln entwickeln kann. Es wird wahrgenommen, dass mit Kevin Wimmer ein Spieler von Tottenham engagiert wurde, der vor rund zwei Jahren noch in der zweiten Mannschaft des FC aufgelaufen ist. Wir können die Leute nicht ködern, indem wir ihnen versprechen, dass sie bei uns mehr verdienen als anderswo. Wir müssen die Spieler davon überzeugen, dass sie sich bei uns entwickeln können und ihnen ihre Rolle in unserem System klar darlegen. Vielleicht profitieren wir auch von der Mundpropaganda der Spieler, die schon hier sind. Ganz sicher profitieren wir vom Standort Köln, unserem Stadion und der Begeisterung der Fans.
SPOX: Befürchten Sie, dass gerade englische Vereine in Zukunft häufiger Spieler wie Kevin Wimmer abwerben?
Stöger: Ich halte nichts davon, sich darüber zu beklagen. Es war für Vereine wie den 1. FC Köln schon immer schwierig, Spieler zu halten, wenn Vereine, die einfach mehr Geld haben, diese Spieler holen wollen. Wir als Verein bekommen ja ordentlich Geld dafür. Dann geht es darum, dieses Geld vernünftig zu reinvestieren. In neue Spieler oder auch in die Jugendarbeit. Meine Einschätzung ist, dass wir in diesem Sommer super in neue Spieler investiert haben.
SPOX: Werden wir in der kommenden Saison einen offensiveren FC erleben?
Stöger: Im Lauf der letzten Saison ist es fast schon Mode geworden, das Spiel des FC als destruktiv zu beurteilen. Ich leugne nicht, dass wir neun Mal 0:0 gespielt haben und dass das nicht immer attraktiv war. Aber wir haben uns auch nicht ständig hinten eingebunkert. Gegen Mannschaften wie Leverkusen, Dortmund oder Mönchengladbach ist es nicht unsere Aufgabe, das Spiel zu gestalten. Da müssen sich diese Mannschaften hinterfragen, warum es ihnen nicht gelungen ist, den 1. FC Köln herzuspielen. Ich habe die Kritik an unserem Spiel immer als positives Zeichen für unsere gute Organisation gewertet. Das war für uns als Aufsteiger das A und O. Für die kommende Saison haben wir uns überlegt, was wir anbieten können, um unser Spiel nach vorne zu verbessern. Wir werden aber für mehr Attraktivität nie unsere Organisation opfern.
SPOX: Sind Sie nicht in gewisser Weise gezwungen, durch die namhaften Neuzugänge und fünf Stürmer, die für ein, zwei Positionen infrage kommen, vom Pragmatismus etwas abzuweichen hin zu mehr Attraktivität?
Stöger: Jeder unserer Spieler würde lieber 4:3 statt 1:0 gewinnen. Wir würden es auch alle akzeptieren, wenn wir 34 Mal 3:3 spielen und dadurch in der Liga bleiben. Aber es trägt niemand mit, 3:4 zu verlieren statt 0:0 zu spielen. Im Endeffekt entscheiden die offensiven Spieler, wie viele wir von ihnen aufstellen. Je mehr Offensivspieler bereit sind, dafür zu arbeiten, dass wir unsere Organisation behalten, desto mehr stehen in der Startelf. Wie jeder Trainer habe ich Vorstellungen, wie meine Mannschaft spielen soll. Wir ziehen diese Vorstellung aber nicht auf Teufel komm raus durch, sondern wir als Trainerteam möchten unsere Systematik mit den Spielern teilen. Wenn die Spieler die Vorstellungen nicht mittragen, macht es keinen Sinn, das durchzuziehen. Ich muss die Einstellung der Mannschaft zu meinen Ideen akzeptieren und dann gegebenenfalls ändern. Erfolg im Sport ist extrem abhängig von Spielertypen und Charakteren. Es funktioniert nur als Gruppe. Und wir als Gruppe haben ein Ziel: Wir wollen in der Bundesliga bleiben.
SPOX: Jörg Schmadtke hat kürzlich den "inneren Wunsch" geäußert, noch lange mit Ihnen in Köln arbeiten zu wollen. Sein Vertrag geht bis 2020. Wie sieht's aus?
Stöger: Ich habe noch zwei Jahre Vertrag in Köln, das ist lange genug. Ich fühle mich auch nicht sicherer oder besser, wenn ich noch vier Jahre Vertrag hätte. Bei Schmadtkes Aussage ist für mich entscheidend, was transportiert wird; dass wir gemeinsam etwas erreichen wollen und dass meine Arbeit und die meines Trainerteams wertgeschätzt wird. Das ist für mich viel wichtiger als Vertragslängen. Ich werde nicht nächste Woche vor der Geschäftsstelle stehen und fragen: 'Was ist jetzt mit meinem neuen Vertrag?' Ich muss die Mannschaft so vorbereiten, dass sie ab Mitte August Samstag für Samstag Punkte einfährt.
SPOX: Ist es als Trainer überhaupt möglich, mehr als ein, zwei Jahre vorauszudenken?
Stöger: Für mich war es immer wichtig, das Wohl des ganzen Vereins nicht zu vernachlässigen. Ich möchte keine verbrannte Erde hinterlassen, nur weil ich irgendetwas durchsetzen will, was dann eventuell nicht funktioniert. Deshalb haben wir auch wieder viele junge Spieler geholt, U21-Nationalspieler mit Perspektive. Vielleicht funktioniert alles auf Anhieb, vielleicht greifen unsere Investitionen erst in zwei Jahren. Aber sie geben dem Verein Perspektive. Idealerweise ist das jetzige Trainerteam bei dieser Perspektivplanung dabei, aber das kann man nicht wissen. Ich werde wöchentlich an Ergebnissen gemessen, der Verein sollte unabhängig davon langfristig im sportlichen Bereich funktionieren. Das ist auch meine Aufgabe als Trainer, auch wenn ich vielleicht irgendwann nicht mehr in Köln arbeite.
SPOX: Wie lange das tatsächlich sein wird, können Sie sicher nicht beantworten. Aber welche Ziele haben Sie noch in Köln? Und gibt es manchmal Überlegungen, was in Ihrer Trainerkarriere noch alles möglich ist?
Stöger: Natürlich hat man Träume. Aber als Trainer wird man schnell vom Tagesgeschäft eingeholt. Das ist die Basis dafür, dass man überhaupt die Chance bekommt, irgendeinen Traum umzusetzen. Ich überlege mir derzeit oft, was ist mit dem 1. FC Köln in zwei Jahren? Was können wir erreichen? Man darf in Köln nicht so laut vom Vorbild Mönchengladbach sprechen. (lacht) Aber ich überlege mir, ob es uns gelingen kann, sportlich irgendwann einen ähnlichen Weg zu gehen wie beispielsweise Mönchengladbach in den letzten Jahren. Ich fühle mich momentan in Köln super aufgestellt. Ich verspüre große Motivation und großen Reiz, diesen Klub mit unserem Team langfristig in der Bundesliga zu etablieren.
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