Jörg Schmadtke ist seit Sommer 2013 Geschäftsführer Sport beim 1. FC Köln, der kurz vor Saisonende gute Chancen besitzt, in die 1. Bundesliga aufzusteigen. Im Interview spricht Schmadtke über seine Karrierestationen bei Alemannia Aachen und Hannover 96, seinen Charakter und die Besonderheiten des Scouting.
SPOX: Herr Schmadtke, Sie sind rund drei Jahre nach Ihrem Karriereende als Spieler Sportdirektor bei Alemannia Aachen geworden - und auf diesen Job durch eine Anzeige im "Kicker" aufmerksam geworden. Wie kam's?
Jörg Schmadtke: Ich hatte gerade meinen Fußballlehrer in der Tasche und mich auf Positionen als Verbandssportlehrer beworben. Die Alemannia hatte zwei Stellen ausgeschrieben: Geschäftsführer und Sportdirektor. Ich habe mir das genauer angeschaut und dachte: Sportdirektor könnte vielleicht passen. Und da ich sowieso dabei war, Bewerbungen zu verschicken, habe ich einfach eine mehr geschrieben.
SPOX: Sie haben sich in der kurzen Zeit zwischen Karriereende und dem Start in Aachen auch als Torwart- und Co-Trainer versucht. Wieso dann doch der Weg ins Management?
Schmadtke: Mich haben schon immer alle Facetten interessiert. Klar, als Spieler wollte ich Trainer werden, aber in den Jahren nach der Karriere war ich nie nur auf diesen einen Job fixiert. Als die Möglichkeit bestand, sich als Sportdirektor zu bewerben, dachte ich mir, dass ich daran auch Spaß haben könnte. Was daraus werden würde, war damals ja noch nicht abzusehen.
spoxSPOX: Wenn Sie gewusst hätten, dass Sie seitdem nirgends hochklassig Cheftrainer wurden, hätten Sie dann die Trainerausbildung erst gar nicht gemacht?
Schmadtke: Doch. Die Ausbildung hilft mir schon. Mir ging es darum, allumfassend im Sport ausgebildet zu sein. Es gibt ja keine klassische Manager-Ausbildung.
SPOX: Auf welchen Erfahrungsschatz haben Sie sich anfangs im Management stützen können?
Schmadtke: Das lief vor allem über eigene Beobachtungen und die Erfahrung als Spieler. Man läuft ja auch nicht ganz blind durch die Welt.
SPOX: Das reicht?
Schmadtke: Für den einen wird's reichen, für den anderen nicht (lacht).
SPOX: Und bei Ihnen hat's gereicht?
Schmadtke: Als ich in Aachen anfing, habe ich gesagt, dass es möglich ist, dass ich das Ganze nicht sehr lange mache, weil ich nicht sicher bin, ob es funktioniert. Dann habe ich einen echten Crashkurs als Vereinsfunktionär bekommen. Etwa eine Woche nach meinem Amtsantritt saß ich bereits im Notpräsidium, da das Präsidium zurücktreten musste. Diese Zeit war für mich unglaublich lehrreich, ich habe dort Vereins- und Verbandsstrukturen von der Pike auf kennen gelernt. Das war die beste Schule nach dem Motto: Rein ins Wasser und guck' mal, wie du schwimmst - aber tauche nicht zu lange!
SPOX: Die sieben sehr erfolgreichen Jahre in Aachen gingen etwas unschön zu Ende. Nachdem Sie in einem TV-Interview öffentlich machten, Ihren Vertrag nicht mehr zu verlängern, beurlaubte man Sie noch am selben Abend. Was haben Sie in dieser letzten Phase, die von vielen Unstimmigkeiten mit den Gremien geprägt war, über die Machenschaften auf dieser Ebene eines Vereins gelernt?
Schmadtke: Man lernt immer mal wieder Menschen kennen, die glauben Dinge beurteilen zu können, die sie eigentlich nicht beurteilen können. Es geht dabei teilweise nicht um fachliche oder sachliche Diskussionen, sondern um Eitelkeiten. Insgesamt gesehen war das Ende in Aachen aber auch ein Fehler. Ich hätte mich gar nicht auf neue Vertragsgespräche einlassen dürfen.
SPOX: Inwiefern?
Schmadtke: Es war für beide Seiten schon nach dem ersten Sondierungsgespräch klar, dass der Vertrag nicht verlängert wird.
SPOX: Wieso haben Sie nicht weitergemacht?
Schmadtke: Es hat einfach nicht mehr gepasst, ich will das nach all den Jahren nicht breit treten. Es ist in meinen Augen kein Verbrechen, einen Vertrag auch mal auslaufen zu lassen.
SPOX: Im Nachhinein hieß es unter anderem aus dem Verein, man habe aufgrund der Erfolge mit der Alemannia Ihre Psyche und Eigenarten akzeptiert. Halten Sie es grundsätzlich für möglich, dass sich manche an Ihren Sichtweisen auch stoßen können?
Schmadtke: Warum nicht? Das ist ja relativ normal. Ich habe es dort auch nicht jedem einfach gemacht, das gebe ich zu.
SPOX: Können Sie das bitte konkretisieren?
Schmadtke: Ich habe meine Meinung immer relativ klar vertreten und auch manchen Leuten deutlich gemacht, dass sie sich über andere Dinge auslassen sollen, von denen sie auch etwas verstehen. Was dieses Zitat betrifft: Letztlich muss man die Psyche von anderen immer ertragen, das gilt für alle Seiten. Sonst würde man es sich sehr schwer machen.
SPOX: Sie sind gebürtiger Düsseldorfer. Das Klischee über die Rheinländer definiert diese als Frohnaturen. Bei Ihnen heißt es dagegen häufiger: Komischer Kauz, distanzierter Kerl. Wann sind Sie denn ausgelassen?
Schmadtke: Ich lache gern. Die Karnevalszeit hier in Köln habe ich beispielsweise sehr genossen, weil sie mich an meine frühe Jugendlichkeit erinnert hat. Ich bin aber nicht auf Bestellung fröhlich, sondern wenn ich dazu Lust habe. Wenn eine Party nicht so richtig läuft, dann ruft man mich also besser nicht an, um die Stimmung zu retten (lacht). Ich komme aber gerne vorbei und habe dann meinen Spaß.
SPOX: Auch in Hannover arbeiteten Sie sehr erfolgreich. 2012 haben Sie dann mit dem Verein eine elfwöchige Auszeit vereinbart und diese mit privaten Gründen erklärt. Wie lange haben Sie denn mit sich gerungen, bis die Entscheidung zu dieser Pause gefallen war?
Schmadtke: Das hat schon eine ganze Weile gedauert, so etwas passiert ja nicht in fünf Minuten. Ich brauchte Zeit für andere Dinge, die ich zu regeln hatte.
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SPOX: Ihre Familie blieb während drei Ihrer vier Jahre bei 96 in der Heimat. Wie eng kann denn der Kontakt nach Hause überhaupt sein, wenn man als Bundesliga-Manager quasi ständig im Einsatz ist?
Schmadtke: Das ist teilweise sehr kompliziert und nur möglich, wenn beide Seiten eine hohe Mobilität an den Tag legen. Andererseits kann man sich mit modernen Kommunikationstechniken behelfen.
SPOX: Wie hat Ihre Familie in Situationen reagiert, in denen sie merkte, dass Sie zwar körperlich, aber aufgrund des Jobs nicht immer geistig anwesend waren?
Schmadtke: Das habe ich meistens vermeiden können, auch wenn man das erst lernen muss. Wenn ich da war, dann immer zu hundert Prozent. Das Handy war dann größtenteils abgeschaltet.
SPOX: Die gewissermaßen andere Version zu Ihrem Ende in Hannover wurde mit dem angespannten Verhältnis zu Trainer Mirko Slomka erklärt. Wie sehr hing Ihre Entscheidung damit zusammen, dass die Zusammenarbeit an Ihrem Arbeitsplatz einfach nicht mehr so passte, wie Sie es für sich haben möchten?
Schmadtke: Man trennt sich ja immer nur dann, wenn man denkt, dass nicht mehr alles zu perfekt zusammen passt. Das würde ich aber nicht nur an Mirko Slomka festmachen, auch wenn das damals das große Thema für die Medien war. Wir haben Jahre lang hoch professionell und erfolgreich zusammengearbeitet, das kommt in der medialen Betrachtung viel zu kurz.
SPOX: Ist es Ihnen leicht gefallen zu sagen: Dann war's das jetzt eben?
Schmadtke: Ich bin kein Job-Hopper. Ich erfülle eigentlich immer meine Verträge und habe auch keine Lust, alle zwei Jahre einen Möbelwagen bestellen zu müssen. Wenn man aber trotz aller Versuche das Gefühl hat, dass es nicht mehr passt, dann sollte man auch in der Lage sein, einen Schlussstrich zu ziehen.
SPOX: Es hieß, Slomka und Sie hätten zum Ende hin nur noch per Email miteinander kommuniziert.
Schmadtke: Das stimmt nicht.
SPOX: Jetzt in Köln haben Sie davon gesprochen, dass sich Peter Stöger und Sie irgendwie auch gesucht und gefunden hätten. Wie wichtig ist es denn auch unabhängig von übereinstimmenden fußballerischen Ansichten, dass man sich für seinen Gegenüber auch als Mensch interessiert?
Schmadtke: Gar nicht. Das mag ein schönes Idyll sein und es ist natürlich auch gut, wenn sich ein Arbeitsverhältnis so darstellt. Ich war mit Mirko Slomka nie Bier trinken, aber wir haben trotzdem über Jahre sehr erfolgreich zusammengearbeitet. Es ist viel wichtiger, eine gemeinsame Basis zu haben, die keineswegs freundschaftlicher Art sein muss, aber auf der man dennoch kontrovers miteinander diskutieren kann - ohne den anderen dabei zu verletzten. Man darf nie unkritisch sein.
SPOX: Sie waren letzten Sommer ein begehrter Manager auf dem Markt. War Ihnen schon zum Beginn Ihrer Auszeit klar, dass Sie ohne großen Zeitverlust sofort wieder bei einem Verein einsteigen könnten?
Schmadtke: Das ist einem nie klar, zumal ich auch jemand bin, der dann trotz aller Gelassenheit auch mal zweifelt. Wenn man mal ein, zwei Jahre nicht dabei ist, wird man in diesem Geschäft schnell vergessen. Würde mir das einmal passieren, dann wäre es eben so. Dann mache ich halt etwas anderes (lacht).
SPOX: Sie kennen sich mit dem Einfluss von Gremien und Aufsichtsräten gut aus. Halten Sie es grundsätzlich für unmöglich, dass bei einer oft hohen Anzahl an Personen sinnvolle Synergien im Sinne eines Vereins entstehen können?
Schmadtke: Ist die Gruppe zu groß, dann ist es schwieriger - aber nicht unmöglich. Entscheidend ist, was während einer sportlichen Krise passiert. Da kann es sehr kompliziert werden, zehn oder mehr Menschen mit auf die Reise zu nehmen. Jeder Einzelne ist in seiner Ansprache verschieden oder reagiert anders auf seine Mitmenschen. Eine Gruppe von drei bis fünf Leuten ist in meinen Augen ideal und letztlich einfacher zu handhaben.
SPOX: Aber auch drei bis fünf Personen können doch unterschiedlich reagieren.
Schmadtke: Natürlich, aber wenn man mit Widerständen von Einzelnen zu kämpfen hat, kann man sich damit in einer kleineren Gruppe einfacher befassen. Dann geht man mal ungezwungen zusammen essen und unterhält sich. Ist die Gruppe größer, dann sind es meistens Gruppierungen, die man aufbrechen muss - und das ist deutlich schwieriger.
SPOX: Die Gruppe in Köln ist eine kleine. Mit dabei ist wie schon in Aachen und Hannover Ihr Kumpel Jörg Jakobs, den Sie bei der Alemannia ins Scouting holten.
Schmadtke: Wir haben uns beim Vermarkter "Sportwelt" kennen gelernt. Damals in Aachen gab es keine unterschiedlichen Abteilungen, die dem Sport an sich zugeordnet waren. Ich hatte einen Computer, auf dem anfangs nicht einmal Word und Excel installiert waren. Es gab keinen Safe mit Spielerverträgen und eben auch kein Scouting. Ich habe das dann nach meinem Gusto aufgebaut. Daraufhin habe ich Jörg zunächst auf Honorarbasis ins Boot geholt.
SPOX: Haben Sie damals gedacht, dass er einer ist, der den Fußball so sieht, wie Sie ihn sehen?
Schmadtke: Ich kannte natürlich seine Ansichten, aber es war nicht ausschlaggebend, dass er dasselbe zu denken hat wie ich. Für einen Scout ist es vielmehr essentiell, sich eine Meinung über einen Spieler bilden zu können. Gerade, wenn man einen Spieler aus einer anderen Liga beobachtet, muss ein Scout dessen Fähigkeiten auf das Niveau der eigenen Liga transportieren können. Nur dann ist ein Scout auch eine Hilfe, ansonsten würde er nur noch mehr Arbeit verursachen.
SPOX: Woher wissen Sie abgesehen vom Aspekt der Meinungsbildung, wer die richtigen Leute für eine Scouting-Abteilung sind?
Schmadtke: Ich halte es für wichtig, auch soziale Komponenten zu beachten. Es geht nicht darum, Einzelspieler zu verpflichten, sondern eine Gruppierung zusammen zu stellen, die in sich schlüssig sein muss.
SPOX: Können Scouts auch kompetente Trainer sein?
Schmadtke: Grundsätzlich halte ich das für möglich. Scouts und Trainer beschäftigen sich zwar mit derselben Materie, es sind aber trotzdem zwei völlig unterschiedliche Berufe. Nicht jeder Trainer kann scouten. Es gibt auch Trainer, die Schwierigkeiten haben, eine Mannschaft zusammen zu stellen - obwohl sie fachlich hervorragend sind. Ein Scout muss in der Lage sein, bestimmte Dinge auf dem Spielfeld zu erkennen. Ob er aber in der Lage ist, seine Erkenntnisse auch in eine Mannschaft zu implementieren, ist die andere Frage und die große Kunst.
SPOX: Das Team in Köln funktioniert gut. Der Aufstieg ist zum Greifen nahe, obwohl Sie erst seit Saisonbeginn beim FC arbeiten. Inwiefern ist es für Sie denn entscheidender, an einem Verein sozusagen von Grund auf herum zu werkeln, anstatt ausgiebigen Erfolg verstetigen zu müssen?
Schmadtke: Pokale interessieren mich nicht, wenn es nur um das bloße Hochhalten geht. Das ist ja dann lediglich das Endprodukt. Mich reizen vielmehr Aufgabenstellungen. Die Genetik eines Klubs kennen zu lernen, seine Potentiale vollkommen auszuschöpfen und ihn dann dorthin zu führen, wo ihn die Menschen im Umfeld sehen möchten - das interessiert mich.
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