Vor 38 Jahren ist Jupp Heynckes ins Trainergeschäft eingestiegen - damals übrigens als jüngster Trainer der Bundesligageschichte. Erstaunlicherweise trat er in dieser langen Laufbahn mit seinen Mannschaften nur sechs Mal im wichtigsten europäischen Wettbewerb an. Am Mittwoch kehrt der 72-Jährige mit dem FC Bayern beim Spiel gegen Celtic in den Europapokal zurück (20.45 Uhr im LIVETICKER). Ein Rückblick.
Europapokal der Landesmeister 1987/88: Ein Sauhaufen auf Abschiedstour
Heynckes übernimmt die Bayern 1987 von Udo Lattek, der mit der Mannschaft drei Meistertitel in Folge eingefahren, aber auch gerade erst das Europapokalfinale gegen den FC Porto verloren hatte. "Gut, dass ich nichts mehr damit zu tun habe", sagte Lattek nach der bitteren Niederlage in Wien.
Die Aufarbeitung muss also Heynckes vornehmen. "Ehemalige Bayern-Spieler haben mich bei meinem Amtsantritt gewarnt, dass ich von meinem Vorgänger einen Sauhaufen übernehmen würde", sagte Heynckes später in einem Spiegel-Interview. "So war es auch. Diese Cliquenwirtschaft innerhalb der Mannschaft, das Statusdenken der Stars, der Konkurrenzkampf der Münchner Boulevardzeitungen, der auf meine Kosten ausgetragen wurde - ich sage heute ganz ehrlich: So schwer hatte ich mir den Job nicht vorgestellt."
Diese Reibereien wirken sich auf den sportlichen Erfolg aus, zumal auch Lattek immer wieder gegen seinen Nachfolger und ehemaligen Assistenten stichelt. In der Liga müssen die Bayern Werder Bremen den Vortritt lassen, im Europapokal treffen sie nach Siegen über ZSKA Sofia und Xamax Neuchatel im Viertelfinale auf Real Madrid.
Bayern führt fünf Minuten vor Schluss im Hinspiel mit 3:0, Real hat mit der Kälte und dem schneebedeckten Platz im Olympiastadion seine Probleme. Doch dann grätscht Norbert Eder einen Ball Richtung Torhüter Jean-Marie Paff zurück, aber zu kurz. Emilio Butrageno geht dazwischen und trifft.
In der letzten Minute Freistoß für Madrid. Hugo Sanchez haut das Ding von links neben dem Strafraum flach in die Mitte, nicht mal sonderlich scharf und eigentlich auch ungefährlich. Aber Pfaff flutscht der Ball unter dem Körper durch, 3:2. Zur damaligen Zeit ein fast nicht zu verteidigender Vorsprung im Estadio Santiago Bernabeu.
Und so kommt es dann auch: Real dreht die Partie schon in der ersten Hälfte durch Tore von Milan Jankovic und Michel. Die Bayern haben zwar ihre Chancen, kommen aber nicht zurück. Heynckes' erste Saison im Europapokal der Landesmeister endet mit dem Aus im Viertelfinale.
Anschließend baut Heynckes die Bayern um. Pfaff, Eder, Hughes und Michael Rummenigge müssen gehen, Lothar Matthäus und Andreas Brehme wechseln nach Italien, es kommen junge Spieler wie Olaf Thon, Stefan Reuter und Roland Grahammer.
Europapokal der Landesmeister 1989/90: Der sterbende Schwan Borgonovo
Nach einem Jahr im UEFA-Cup, in dem Bayern gegen Inter eine Sternstunde in San Siro feiert (3:1) und im Halbfinale am späteren Sieger Napoli um Diego Maradona und Careca scheitert, kehren die Münchner in den Landesmeistercup zurück.
Die Meisterschaft 1989 ist Heynckes' erste als Trainer, die Schale ist auch ein Zeichen erfolgreicher Arbeit auf dem Transfermarkt. Der Umbruch ist in vollem Gange und Heynckes kann seine Vorstellungen besser umsetzen als noch in seiner ersten Saison.
Nach Siegen über die Glasgow Rangers, KS 17 Nentori Tirana und dem Titelträger von 1988 PSV Eindhoven wartet im Halbfinale der AC Milan. Das Team von Trainer Arrigo Sachhi ist die dominierende Mannschaft dieser Zeit und der Titelverteidiger in diesem Wettbewerb.
Für die junge Münchner Mannschaft ist das Duell die große Standortbestimmung, sie geht als klarer Außenseiter in diese Partien. In Mailand halten sich die Münchner lange schadlos, bis Stefano Borgonovo nach einer Freistoßflanke im Strafraum wie ein sterbender Schwan zu Boden sinkt - und dafür auch noch einen Elfmeter bekommt. Den verwandelt Marco van Basten sicher zum 1:0-Sieg.
Das Rückspiel sollte eines der emotionalsten Spiele in der Geschichte des Olympiastadions werden. Mit einem herrlich herausgespielten Treffer von Thomas Strunz nach doppeltem Doppelpass mit Hans Dorfner geht es in die Verlängerung. Die Bayern haben das große Milan tatsächlich am Rande des Ausscheidens, das Finale winkt.
Aber wieder ist es Borgonovo, der den Münchner in die Suppe spuckt. Diesmal in Minute 100 mit einem gefühlvollen Heber über Torhüter Raimond Aumann - 1:1. Acht Minuten später gelingt Alan McInally erneut die Führung für Bayern. Angetrieben von einem fanatischen Publikum in der sonst eher unterkühlten Schüssel mit dem Zeltdach drängen die Bayern auf das dritte Tor, aber es gelingt nicht.
Heynckes und die Bayern scheitern erneut, während Milan einen Monat später den Europapokal gegen Benfica gewinnt. Da der FCB in der Liga erneut souverän Meister wird, bietet sich aber im kommenden Jahr die nächste Chance.
Europapokal der Landesmeister 1990/91: Das große Versprechen
Bei der Meisterfeier auf dem Münchner Rathausbalkon 1990 haut der sonst so zurückhaltende und realistische Heynckes auf die Pauke. "Ich verspreche Euch hiermit: Nächstes Jahr holen wir den Europapokal!"
Mit Brian Laudrup, Stefan Effenberg, Michael Sternkopf und Christian Ziege holt der FC Bayern vier weitere hochgehandelte Talente, von denen keins älter als 21 Jahre ist.
In der Bundesliga reicht es nicht zum Titel-Hattrick, der 1. FC Kaiserslautern macht das Rennen, aber Heynckes hatte ja auch den Europapokal versprochen. Dort setzen sich die Bayern gegen APOEL Nikosia, ZSKA Sofia und den FC Porto durch, ehe es im Halbfinale gegen Roter Stern Belgrad geht.
Die Jugoslawen hatten zu dieser Zeit Stars wie Dejan Savicevic, Robert Prosinecki, Sinisa Mihajlovic und Vladimir Jugovic in ihrem Team. Das Hinspiel zuhause verlieren die Bayern trotz eines Zaubertors von Roland Wohlfarth und Führung mit 1:2.
Vor dem Rückspiel trifft sich die Mannschaft im Keller von Klaus Augenthaler - ohne Heynckes. "Dummerweise hat Jupp Heynckes später von der Sitzung erfahren und sich drüber aufgeregt - obwohl ich das erst auf Anregung von Uli Hoeneß gemacht habe", erzählt Augenthaler im SPOX-Interview. Die Spieler beschließen - später auch in Absprache mit Heynckes -, dass Augenthaler im Mittelfeld gegen Prosinecki spielt und Reuter Libero. "Der Plan wäre ohne das unglückliche Gegentor in der letzten Minute aufgegangen."
Das unglückliche Gegentor... Der Treffer ist einer der bizarrsten und zugleich tragischsten in der ganzen Geschichte des FC Bayern. In Belgrad drehen die Bayern ein 0:1 in ein 2:1. Wohlfarth hat das 3:1 auf dem Fuß, trifft aber nur den Pfosten, ehe Roter Stern einen letzten Angriff nach vorne treibt.
Prosinecki wird links am Sechzehner zur Grundlinie abgedrängt, seinen Rückpass flankt Mihajlovic vom Sechzehnereck nach innen. Augenthalers Klärungsversuch fliegt Richtung eigenes Tor, was Aumann dann macht, ist bis heute unverständlich. Er selbst ist sich sicher, "dass der Ball übers Tor geht. In letzter Sekunde hat er dann so einen Effet bekommen und bis ich gemerkt habe, dass er Richtung Tor geht, diese Zehntelsekunde habe ich verpasst und am Ball vorbei gelangt." 2:2! Aus!
Im Finale schlägt Roter Stern Olympique Marseille. Heynckes kann sein Versprechen nicht einlösen. "Vielleicht hätte ich sagen sollen, wir tun alles, um den Europapokal zu holen", sagt er später. Vier Monate später wird er entlassen.
Champions League 1997/98: Erlösung und Entlassung
Heynckes' Karriere bekommt nach seinem Abschied aus München einen Knick. Über die Stationen Athletic Bilbao, Eintracht Frankfurt und CD Teneriffa empfiehlt er sich aber wieder für einen Topklub: Real Madrid.
Als Nachfolger von Fabio Capello hat er von Beginn an einen schweren Stand, intern wie extern. "Das Wichtigste als Trainer bei Real ist, von den Verantwortlichen einen gewissen Kredit zu bekommen und die Fäden dann so zu ziehen, dass du immer eloquent zu allen Seiten bist. Da sind die Medien inbegriffen, da sie einige Entscheidungen stark beeinflussen", sagt Heynckes heute.
In der Liga ist gegen Louis van Gaals FC Barcelona kein Kraut gewachsen, Madrid wird nur Vierter und in der Copa del Rey scheiden die Madrilenen gegen den Zweitligisten Alaves aus, aber Heynckes führt Real Madrid ins Finale der Champions League.
Sechs Mal haben die Königlichen in den 50er und 60er Jahren den Europapokal der Landesmeister gewonnen, aber in der 1992 gegründeten Champions League sind sie bisher ein kleines Licht. Im Endspiel gegen Juventus sind sie Außenseiter.
"Respekt? Wir hatten Angst. Juve war drei Mal hintereinander Champions-League-Finalteilnehmer gewesen, hatte den Pott 1996 gewonnen, war souverän Meister geworden. Zinedine Zidane spielte dort, Del Piero, Davids, Deschamps, Inzaghi, und wie sie alle hießen", sagte Predrag Mijatovic unlängst der Süddeutschen Zeitung.
Aber ein Tor des Montenegriners reicht zum ersten Sieg in der Königsklasse. 32 Jahre Warten haben ein Ende. Aber trotz La Septima wird Heynckes in Madrid kein Denkmal gebaut, er wird wüst vom Sockel gestoßen.
Schon auf der Pressekonferenz nach dem Spiel wird er gefragt, ob er mit seiner Entlassung rechne. Acht Tage später ist es dann soweit. Heynckes wird ins Haus des Technischen Direktors Jose Martinez Pirri gebeten, wo auch Präsident Lorenzo Sanz wartet, um ihm seine Entlassung mitzuteilen.
Überrascht ist der damals 53-Jährige nicht mehr. "Erstens hatte der Präsident ja die Trennung bereits nachts in einem Radio-Interview verkündet und zweitens hatte ich für mich gedanklich sowieso schon beschlossen, nicht mehr weiterzumachen."
Champions League 2011/12: Drama dahoam
2009 holen die Bayern Heynckes erstmals aus dem Ruhestand, um die Saison nach der Entlassung von Jürgen Klinsmann zu retten. Als ihm das gelingt, greift Leverkusen zu und verpflichtet Heynckes für zwei Jahre. Dann ruft wieder der FC Bayern: Der Klub sucht einen Nachfolger für Louis van Gaal und Heynckes folgt.
Die erste Saison endet in einem Desaster. Bayern wird Zweiter in der Liga, kassiert eine 2:5-Klatsche im Pokalfinale und verliert das Finale dahoam gegen den FC Chelsea. Dazu gab es Streitereien in der Mannschaft, im Champions-League-Halbfinale - Bayern siegte zur Genugtuung von Heynckes gegen Real Madrid - schlug Franck Ribery Arjen Robben in der Kabine ein blaues Auge. Es rumorte im ganzen Klub.
Die Geschichte des CL-Finals ist tausendmal erzählt, die Bayern waren überlegen, drückten, hatten alles im Griff und gingen kurz vor Schluss durch Thomas Müller in Führung. Aber dann gab es noch einmal Ecke. David Luiz sagte zu Bastian Schweinsteiger: "And now goal!" Didier Drogba machte per Kopfball das 1:1. Verlängerung! Arjen Robben verschießt einen Strafstoß. Chelsea rettet sich ins Elfmeterschießen und siegt.
Auch fünf Jahre danach ist es nur schwer zu verstehen, wie der FC Bayern dieses Spiel verlieren konnte. Aber damals bedeutete die Niederlage auch für Heynckes nichts Gutes. Der Trainer stand auch aufgrund des Dortmunder Doubles in der Kritik.
Und warum wussten die Bayernspieler im CL-Finale so wenig über Petr Cechs Vorlieben beim Elfmeterschießen? Warum hat Heynckes Thomas Müller ausgewechselt? Warum fand er kaum fünf Schützen und warum war das nicht vorher festgelegt? Und kann der schon 67 Jahre alte Heynckes wirklich den Fußball der Zukunft beim FC Bayern einleiten?
Über Heynckes' Entlassung wurde öffentlich diskutiert, der Trainer selbst sagte ein paar Tage nach dem Finale: "Ich habe einen Vertrag bis 2013. Wenn sich etwas ändert, werden der Verein und ich das bekannt geben."
Champions League 2012/13: Die Krönung
Heynckes darf trotz der deprimierenden Vorsaison bleiben, Sportdirektor Christian Nerlinger wird dafür durch Matthias Sammer ersetzt. "Matthias kam zur richtigen Zeit. Der FC Bayern war scheintot", sagt Ehrenpräsident Franz Beckenbauer im Rückblick.
Routinier Heynckes und Neuling Sammer reiben sich aneinander, vor allem beim Thema Mannschaftsführung sind sich beide nicht einig. Aber sie raufen sich wie die Mannschaft und der gesamte Verein zusammen.
Auf dem Weg zum ultimativen Höhepunkt gibt es aber weitere Stolperfallen. Der FC Bayern entschließt sich Ende 2012, Pep Guardiola als neuen Trainer für die kommende Saison zu verpflichten. Heynckes muss also erneut gehen, egal, was in der laufenden Spielzeit passiert.
Heynckes ist sauer, zumal der FC Bayern in der offiziellen Pressemitteilung Anfang 2013 ohne sein Einverständnis sein Karriereende ankündigt.
Uli Hoeneß erinnert sich an diese Momente: "Du hast nicht verzagt, du hast gesagt: Diesen Deppen zeig ich es. Du hast die richtige Reaktion gezeigt und vom ersten Tag nach der Winterpause an gekämpft. Nach der Winterpause war bei uns eine andere Mannschaft auf dem Platz. Danach wurde der beste Fußball gespielt, den es in München je gegeben hat."
Die Bayern holen die früheste Meisterschaft der Bundesligageschichte, in der Champions League kommt es zum Finale mit Borussia Dortmund. Nach einer Zitterpartie im Achtelfinale gegen Arsenal ist der Weg ins Finale nach Wembley ein Triumphmarsch der Bayern. Zweimal 2:0 gegen Juventus, 4:0 und 3:0 gegen den FC Barcelona.
Aber der Druck im Endspiel gegen den BVB ist enorm. Die Generation Lahm/Schweinsteiger hat nach zwei verlorenen Endspielen 2010 und 2012 viel zu verlieren. Die Münchner kommen schwer in die Partie, überstehen aber die schwere Anfangsphase mit Dortmunder Möglichkeiten. Die Führung durch Mario Mandzukic gleicht Ilkay Gündogan per Elfmeter aus, das Spiel steuert auf die Verlängerung zu.
Es kommt der Moment der Entscheidung: Langer Ball von Jerome Boateng, Franck Ribery legt per Hack auf Arjen Robben ab, der allein vor Roman Weidenfeller cool bleibt und den Ball am BVB-Keeper vorbei murmelt. Der FC Bayern ist Champions-League-Sieger!
"Das ist natürlich ein Höhepunkt in einer Trainerlaufbahn, wenn man die Champions League zum zweiten Mal gewinnt oder dreimal teilnimmt und dreimal ins Endspiel einzieht und zweimal gewinnt", sagt Heynckes. "Das ist sicher auch eine Leistung, die nicht selbstverständlich oder alltäglich ist."
Deutlich euphorischer ist da schon Co-Trainer Hermann Gerland auf der Party danach: "Ich habe nur einen Wunsch, Josef. Du bist Champions-League-Sieger! Ich möchte, dass du ein bisschen locker bist heute. Irgendwann holt uns der Sensenmann, du kommst in den Himmel, ich in die Hölle. Aber heute wird die Sau rausgelassen."
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