Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge sind die starken Männer beim FC Bayern. In letzter Zeit tragen sie ihre Uneinigkeit ungewohnt offen nach außen.
Sichtlich mitgenommen von einer mitreißenden, aufwühlenden Partie, den rot-weißen Bayern-Schal locker über die Schulter gelegt, trat Uli Hoeneß vor die wenigen mitgereisten Reporter, die den Weg von München nach Bremen auf sich genommen hatten. Der deutsche Branchenprimus hatte wenige Augenblicke zuvor das Finale des DFB-Pokals erreicht. Verdient, am Ende aber mit dem Geschmäckle, einen strittigen Elfmeter benötigt zu haben, der die deutschlandweite Fußballberichterstattung tagelang bestimmen sollte.
Er habe zuletzt "fantastischen Fußball" gesehen, sagte Hoeneß. Ein Lob, das an Trainer Niko Kovac gerichtet war, der seit vergangenem Herbst in verlässlicher Regelmäßigkeit immer wieder zur Debatte steht. Müsse er der Arbeit des Kroaten in der laufenden Saison eine Schulnote geben, gäbe er eine "Eins minus". Die Eins, weil der FCB um den Gewinn des Doubles spielt, das Minus dahinter, weil der mutlose Auftritt im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League noch immer an allen Beteiligten nagt. Dass Kovac nach jedem sportlichen Rückschlag gefühlt kurz vor dem Aus steht, nervt den Präsidenten.
Bereits Anfang April hatte Hoeneß, der immer wieder in die Bresche springt, sobald sein Coach kritisiert wird, gesagt: "Wie soll ich denn mit jemandem zusammenarbeiten, den ich bei jeder Gelegenheit infrage stelle? In so einem Spannungsfeld, wie unser Trainer in den letzten Wochen gelebt hat, kann man auf Dauer nicht vernünftig arbeiten." Doch, wer stellt Kovac bei jeder Gelegenheit infrage? Klar, vielen Fans passt die Spielweise nicht. Zu wenig zu sehen vom Guardiola'schen Glanz, nicht so effektiv wie unter dem pensionierten Triple-Macher Jupp Heynckes. Öffentlich lässt aber ausgerechnet Hoeneß' Kollege Karl-Heinz Rummenigge Rückendeckung für Kovac vermissen, stößt stattdessen besagte Debatte immer wieder bewusst an.
Rummenigge gibt Kovac-Diskussionen immer wieder Futter
Vor dem Duell mit dem Tabellenvorletzten 1. FC Nürnberg beispielsweise bekräftigte Rummenigge in der Bild am Sonntag vielsagend: "Jeder, der für Bayern München arbeitet, mich eingeschlossen, muss hier liefern, hier herrscht Druck, das ist beim FC Bayern schon immer so gewesen." Er richtete diese Worte an Kovac und knüpfte damit nahtlos an seinen Auftritt bei Sky-Moderator Jörg Wontorra vor einigen Wochen an.
Damals, einen Tag nachdem die Bayern ihren Konkurrenten um die Meisterschale, Borussia Dortmund, vor heimischer Kulisse mit 5:0 gedemütigt hatten, erklärte der Vorstandsboss mit Hinblick auf Kovacs Trainerdasein: "Es gibt keine Jobgarantie bei Bayern München, für niemanden. Jeder muss liefern, jeder muss mit diesem Druck umgehen können. Wer mit dem Druck nicht umgehen kann, ist bei uns im falschen Klub."
Danach führte er zudem aus, wie man Rotationsverfechter Kovac in der herbstlichen Schwächephase erst einmal einnorden musste. "Ich bin ein erbitterter Gegner der Rotation. Ich bin ein totaler Freund davon, die elf besten Spieler aufzustellen. Sonst gehe das "Leistungsprinzip verloren". Interne Gespräche zwischen den Verantwortlichen und dem ehemaligen Frankfurt-Übungsleiter sorgten dafür, dass dieser mehr Kontinuität in seine Startelf brachte.
Kovac reagiert auf Rummenigge-Aussagen
Rummenigge belässt es aber nicht bloß dabei, Kovac öffentlich anzuzählen, sondern bringt bereits einen Wunschkandidaten als Alternative ins Spiel: Ex-Bayern-Profi Xabi Alonso. Der Spanier sei einer der "klügsten und besten Strategen, die ich je bei uns im Mittelfeld gesehen habe." Der 63-jährige schob nach: "Meiner Meinung nach müssen wir uns bemühen, dass er irgendwann nach München zurückkehrt." Derzeit absolviert der Weltmeister von 2010 eine Trainerausbildung bei Real Madrid und dürfte eher als Kandidat für die fernere Zukunft betrachtet werden.
Auf kurze Sicht, so berichtet die tz am Freitag, rückt mehr und mehr Ajax-Macher Erik ten Hag in Rummenigges Fokus. Der Niederländer arbeitete zwischen 2013 und 2015 schon als Trainer der Münchner Zweitvertretung und würde den viel zitierten Stallgeruch mitbringen. Ten Hag, der mit den Amsterdamern in der aktuellen Spielzeit diverse europäische Schwergewichte durcheinanderwirbelte, wäre ein Rummenigge-Kandidat. Kovac ist bekanntermaßen ein Hoeneß-Mann.
Kovac nimmt die Rummenigge-Spitzen - zumindest nach außen - indes gelassen. Auf der Pressekonferenz im Vorfeld der Begegnung mit Hannover 96 auf die jüngste Aussagen seines Chefs angesprochen, sagte der 47-Jährige: "Ich nehme es wahr. Aber ich kann mich damit jetzt nicht beschäftigen. Ich lese es nicht, aber mir wird es zugetragen. Ich versuche, es auszublenden. Weil es bringt nichts, wenn ich mich mit Nebensachen beschäftige."
James-Verbleib? Rummenigge geht "fest davon aus"
Die Gräben zwischen Hoeneß und Rummenigge enden aber nicht an der Trainer-Thematik. Eine weitere Personalie, die die beiden starken Männer bei den Bayern uneins wirken lässt, ist James Rodriguez. Während Hoeneß, Kovac und Sportdirektor Hasan Salihamidzic seit Monaten herumdrucksen, was eine feste Verpflichtung des Kolumbianers angeht, machte Rummenigge unlängst keinen Hehl daraus, dass er sich einen langfristigen James-Verbleib in der bayrischen Landeshauptstadt wünscht.
"Ich oute mich nach wie vor als Fan von James. Er hat einen unglaublichen tollen linken Fuß und ist für mich ein Weltstar", sagte der gebürtige Lippstädter im Interview mit der AZ und schob nach: "Ich gehe fest davon aus, dass James auch in der nächsten Saison beim FC Bayern spielen wird." Er glaube nicht, dass Kovac und James ein Problem miteinander hatten. Die jüngsten Entwicklungen, die Tatsache, dass der Coach jenen begabten "Weltstar" immer wieder auf die Bank verbannte und ihm höchstens ein paar Minuten Spielzeit einräumte, legen eine andere Vermutung nahe.
Dass die Bosse ihre Uneinigkeit derart unverblümt in die Welt tragen, mutet seltsam an. Gerade in dieser Saison, die nur allzu häufig als Übergangs-, beziehungsweise Umbruchsspielzeit deklariert wurde, weil Kovac unter anderem mit der Aufgabe betraut wurde, die alternden, aber dennoch traditionell spielwilligen Vereinsikonen Franck Ribery und Arjen Robben einzubinden und gleichzeitig eine zukunftsträchtige Truppe aufzubauen, wäre das Bestreben, ein harmonischeres Bild zu vermitteln, naheliegender. Aber: Der FC Bayern wäre eben nicht der FC Bayern, wenn alles erwartbar liefe.