Markus Krösche arbeitet erst seit zwei Jahren als Sportdirektor, war nach dem Durchmarsch in die Bundesliga mit dem SC Paderborn 07 aber die meistgehandelte Manager-Personalie in Fußball-Deutschland - und wechselte schließlich zu RB Leipzig.
Im Interview mit SPOX und Goal spricht Krösche über seine Vita im Anschluss an seine Spielerkarriere.
Der heutige Rekordakteur des SCP erzählt dabei von der einstigen Arbeit als Trainer, seiner Autoleasing-Firma, der Zahl 26, vom Hype rund um seinen Wechsel zu RBL und erklärt, warum die geplante Kooperation mit Ex-Klub Paderborn so krachend gescheitert ist.
Herr Krösche, unmittelbar nach dem Ende Ihrer Spielerkarriere fingen Sie 2014 als Cheftrainer der zweiten Mannschaft des SC Paderborn 07 in der sechstklassigen Westfalenliga an und führten diese prompt in die Oberliga. Anschließend gingen Sie für knapp zwei Spielzeiten als Co-Trainer zu Bayer Leverkusen. Seit März 2018 sind Sie zudem im Besitz aller Trainerlizenzen. Wieso sitzen Sie nun eigentlich als Sportdirektor hier?
Markus Krösche: Schauen Sie sich mal meinen Punkteschnitt an, als ich in Leverkusen Roger Schmidt wegen seiner Innenraumsperre ersetzen musste.
Habe ich! Drei Spiele, ein Punkt, 5:10 Tore. Anfang 2016 war das.
Krösche: Sehen Sie. (lacht) Spaß beiseite: Das Trainerdasein hat mir trotzdem sehr viel Freude bereitet. Ich konnte mich ausprobieren, meinen Blick auf den Fußball schulen und Dinge nach meinen Ideen umsetzen. Ich habe extrem viel gelernt, gerade als Co-Trainer unter Roger mit den Spielen in Bundesliga und Champions League. All diese Erfahrungen helfen mir nun in meiner aktuellen Rolle. Ich kann mittlerweile sagen: Sportdirektor zu sein, macht mir am meisten Spaß. In dieser Position sehe ich definitiv meine Zukunft, weil ich das große Ganze mitgestalten möchte.
Haben Sie bereits während Ihrer Zeit als Trainer diese Lust auf einen Posten im Management verspürt?
Krösche: Ich habe immer schon damit geliebäugelt, ja. Letztlich bin ich auch eher durch Zufall zum Trainerjob gekommen. Als ich nach dem Bundesligaaufstieg 2014 meine Spielerkarriere beendete, wollte man mich beim SCP halten. Nur waren im Grunde alle denkbaren Positionen besetzt. Also bot man mir die Stelle als U21-Trainer an und ich sagte zu. Mein Ziel war aber ursprünglich eigentlich gar nicht, Trainer zu werden. Letztlich habe ich dann doch nach und nach alle Lizenzen gemacht und bin auch sehr froh darüber, weil ich es für unheimlich wichtig halte, alle Facetten dieses Jobs zu kennen - erst recht jetzt als Sportdirektor.
spoxAls Ihr langjähriger Weggefährte Roger Schmidt Anfang März 2017 bei Bayer gehen musste, verließen auch Sie den Verein. Kurz darauf kehrten Sie als Sport-Geschäftsführer nach Paderborn zurück. Das überraschte.
Krösche: Die Anfrage kam aus dem Nichts, wir wurden ja erst zwei Wochen zuvor in Leverkusen entlassen. Wäre das nicht passiert, hätte ich diesen Wechsel natürlich nicht forciert. Ich bin zwar mutig, aber nicht wahnsinnig. (lacht) Schließlich bin ich dann wirklich quasi aus der Champions League in den Abstiegskampf der 3. Liga gewechselt. Hast du noch alle Latten am Zaun, diese Frage habe ich schon ein paar Mal gestellt bekommen. Die Situation in Paderborn hatte sich damals extrem zugespitzt. Für mich war es allerdings die Chance, in dem von mir gewünschten Bereich auf einem ordentlichen Niveau in verantwortlicher Position zu starten. In dieser Hinsicht ein glücklicher Umstand für mich. Ich wollte das unbedingt machen.
War Ihnen damals klar, dass Sie danach nicht mehr als Trainer arbeiten würden?
Krösche: Nein. Man könnte das ja weiterspinnen: Wären wir mit dem SCP damals in die Regionalliga abgestiegen, wer weiß, ob und wie es weitergegangen wäre. Dann hätte ich mir natürlich schon irgendwann überlegen müssen, ob ich nicht vielleicht doch noch einmal als Trainer auf den Platz zurückkehre. Es kam zum Glück für alle Beteiligten anders. (lacht)
Rund einen Monat nach Ihrem Start in Paderborn haben Sie bereits Trainer Stefan Emmerling entlassen. Wie schwer ist es Ihnen gefallen, so schnell eine solche Entscheidung zu treffen?
Krösche: Total schwer. Erst recht, nachdem ich ein paar Wochen zuvor ja selbst das blöde Gefühl nach einer Entlassung erlebt hatte. Ich bekam allerdings den Eindruck, dass die Mannschaft unter Stefan keinen großen Leistungssprung mehr machen wird. Den brauchten wir aber dringend, weil wir schon ziemlich weit abgeschlagen waren. Stefan war ein sehr ruhiger Trainer. Ich erhoffte mir von einem Trainer mit einer höheren Emotionalität, dass er eine größere Überzeugung auf die Mannschaft übertragen kann, um den Abstieg zu vermeiden. Das war bei Steffen Baumgart zusammen mit seiner Art und Weise, wie er Fußball spielen lässt, gegeben.
Es heißt, Sie sollen schon früh wirtschaftlich gedacht haben. Sie schlossen beispielsweise ein BWL-Bachelorstudium ab und bauten 2008 gemeinsam mit Ihrer Frau Viktoria die Auto-Leasing-Firma "Makro Leasing" auf. Wie sind Sie darauf gekommen?
Krösche: Ich habe mich schon früh auf 26 festgelegt: Entweder, ich habe mit 26 schon so viel Geld verdient, dass ich nie wieder im Leben arbeiten muss, oder aber ich orientiere mich in diesem Alter, wie ich mich nebenbei weiterbilde. Nach einem Blick auf mein Konto entschied ich mich dann für ein drei Jahre andauerndes duales Studium. (lacht) BWL hatte mich schon immer interessiert. Ich wollte einfach nicht derjenige sein, der auch mit 35 noch irgendwo herumkickt und zu dem die Leute sagen: So Krösche, jetzt hörste aber mal auf. Mir ging es darum zu vermeiden, nach der Spielerkarriere in ein Loch zu fallen.
Das Studium schlossen Sie mit einem Schnitt von 2,7 ab. Ihre Abschlussarbeit trug den Titel: "Die finanzielle Situation von Fußballprofis nach der Karriere - eine empirische Befragung unter 400 Fußballprofis". Was war das Ergebnis?
Krösche: Es ging vor allem um das Ausgabe- und Einnahmeverhalten der Spieler. Wenig überraschend war die Quintessenz, dass es für die meisten viel Sinn ergäbe, wenn sie Geld beiseite legen und vorsorgen. Denn nur neun Prozent aller Befragten konnten anhand ihrer Angaben und ihres Anlageverhaltens als finanziell unabhängig eingestuft werden, so dass sie nach der Karriere nicht mehr arbeiten müssten. Am Ende ist vor allem wichtig, dass der Unterschied zwischen dem Geld, das man während der Karriere zur Seite gelegt hat, und den späteren Lebenshaltungskosten nicht zu groß wird.
Und was hatte es mit der Auto-Firma auf sich?
Krösche: Ich kam dazu wie die Jungfrau zum Kind. Mir waren die Leasingzeiten immer zu lang und ich dachte, ich muss irgendeine Möglichkeit finden, wie man das verkürzt. Fast jeder fährt ein Auto, daher war die Firma eine runde Sache für mich. Mittlerweile bin ich aber seit zwei Jahren raus aus dem operativen Geschäft.
Die Autos sollen gerade bei Fußballprofis enorm beliebt gewesen sein. Stimmt die Geschichte, dass sich Marco Reus bei Ihnen einen Aston Martin Vanquish zulegte?
Krösche: Datenschutz! (lacht) Nur so viel: Wir hatten eine Phase, in der wir generell im Sport sehr viel unterwegs gewesen sind.
Im Mai 2018, nur ein Jahr nach Ihrer Paderborn-Rückkehr, standen Sie vor einem Wechsel zum HSV. "Hamburg hätte mich sehr gereizt. Ich hatte sowohl mit den Verantwortlichen gute Gespräche geführt, als auch mit meiner Familie alles durchgesprochen", sagten Sie damals. Warum hat es nicht geklappt?
Krösche: Ich war zunächst einmal auch von der Intensität überrascht, mit der der HSV um mich geworben hat. Ich hatte damals allerdings noch vier Jahre Vertrag in Paderborn. Der mittlerweile leider verstorbene Präsident Wilfried Finke nannte dann eine Ablösesumme, die der HSV nicht bezahlen konnte. Daher war die Sache relativ schnell wieder vom Tisch. Manchmal kann es ja aber auch ganz gut sein, wenn Sachen nicht klappen. (lacht)
Zumindest gelang Ihnen mit dem SCP in der folgenden Saison der Durchmarsch in die Bundesliga. Gerade im letzten Drittel entstand ein regelrechter Hype auch um Sie, bei zahlreichen Klubs waren Sie im Gespräch. Haben Sie mit einer solchen Dynamik gerechnet?
Krösche: Nein, auch nicht mit der Anzahl an Anfragen. Wie im Vorjahr beim HSV war ich überrascht. Ich bin jedoch nun auch schon ein paar Jahre im Geschäft und weiß, wie eine solche Lawine entstehen kann - sowohl im Erfolgsfall, als auch bei Misserfolg. Ich habe mich daher nicht wie der Größte gefühlt, sondern konnte das alles gut einordnen.
Ab wann wurde Ihnen denn bewusst, dass Sie eines der vielen Angebote wahrscheinlich annehmen und den SCP verlassen werden?
Krösche: Je mehr klar wurde, dass der Bundesligaaufstieg klappen könnte, desto mehr kam ich zur Überzeugung, dass es nach diesem großen Erfolg Sinn ergeben würde, den Verein zu verlassen. Ich musste einfach überlegen, wohin ich persönlich genau möchte und wie die Möglichkeiten auf Weiterentwicklung in Paderborn aussehen. Durch den Aufstieg war für mich die Mission beim SCP gewissermaßen vollbracht. Ich habe es als Spieler schon geschafft, auf dem Höhepunkt aufzuhören. In Paderborn konnte ich ein funktionierendes, nachhaltig aufgestelltes System hinter mir lassen. Es war ein idealer Zeitpunkt, den nächsten Schritt zu gehen.
"Beim ersten Gespräch mit ihm haben mir 20 Minuten gereicht. Da wusste ich, wir sollten alles daran setzen, Markus Krösche nach Leipzig zu holen", sagte Ralf Rangnick über Sie. Hatten Sie diesen Eindruck auch?
Krösche: Ralf war ja auch nur 25 Minuten da. (lacht) Aber doch, auch ich hatte relativ schnell ein gutes Gefühl. Oliver Mintzlaff war noch mit dabei und die Atmosphäre total angenehm. Wir lagen schon nach wenigen Minuten inhaltlich auf einer Wellenlänge und hatten sehr ähnliche Vorstellungen, wie wir arbeiten und gewisse Dinge angehen wollen. Es passte also vom ersten Moment an und wir haben die Entscheidung auch kurz darauf schon getroffen.
Was macht RB Leipzig für Sie aus?
Krösche: Spaß, Mut und Überzeugung: Diese drei Eigenschaften sind mir schon mein Leben lang extrem wichtig gewesen - und das strahlte Leipzig für mich immer aus, auf und neben dem Platz. Daher passen der Verein und auch Julian Nagelsmann als Trainer perfekt zu mir. Ich finde, es sind alle Voraussetzungen gegeben, um in den nächsten Jahren noch erfolgreicher zu werden.
Wenn Sie nun einen Trainer wie Nagelsmann erleben und das mit sich selbst vergleichen: Können Sie einem solchen Taktikfuchs inhaltlich das Wasser reichen?
Krösche: Ja, das kann ich. Ich habe meine Erfahrungen als Trainer im Profibereich zwar nicht in der ersten Reihe gesammelt, aber ich habe schon eine klare Idee davon, wie ich Fußball sehe. In den letzten Wochen hat sich gezeigt, dass ich mich mit Julian inhaltlich sehr gut und kongruent austauschen kann. Wir sehen viele Dinge wie gewisse Spielprinzipien und -abläufe ähnlich und tauschen uns da auch auf Augenhöhe aus.
Was sind in Ihren Augen die besonderen Stärken von Nagelsmann?
Krösche: Für mich sind vier Dinge entscheidend, die einen guten Trainer ausmachen: Authentizität, soziale Kompetenz, das Potenzial eines Spielers erkennen können, um ihn besser zu machen, und das Coaching während des Spiels. All diese Punkte treffen bei ihm zu, das hat er ja in Hoffenheim hinlänglich bewiesen. Er hat einfach ein unfassbar gutes Gesamtpaket.
Ihr Abgang aus Paderborn sorgte derweil rund um den SCP für einen Sturm der Entrüstung, nicht weil Sie den Verein verließen, sondern weil im Zuge Ihres Wechsels eine Kooperation zwischen beiden Klubs bekannt gegeben wurde, die massiven Protest in der Paderborner Fanszene nach sich zog. Wie kam es zu dieser Vereinbarung?
Krösche: Auf Basis der wirklich sehr guten und respektvollen Gespräche rund um meinen Wechsel nach Leipzig kam von Paderborner Seite der Wunsch zu einer Art Know-how-Austausch auf. Das hatte nichts mit irgendwelchen Spielerwechseln, sondern vielmehr mit einer inhaltlichen Unterstützung im strukturell-wirtschaftlichen Bereich zu tun. Das war der Grundtenor des Ganzen, Spielerwechsel waren wie gesagt kein Bestandteil davon. Dem SCP war es daraufhin wichtig, diese Vereinbarung auch entsprechend zu kommunizieren. RB Leipzig hatte damit kein Problem. Im Nachhinein kann man sicher darüber streiten, ob der Begriff Kooperation falsch war. Doch all das, was medial letztlich in dieses Thema hineininterpretiert wurde, wurde von den Klubs gar nicht erst besprochen.
Wieso hat man nach ein paar Wochen dennoch einen Rückzieher gemacht und die geplante Kooperation auf Eis gelegt?
Krösche: Als nach der Bekanntgabe klar wurde, dass der Durchmarsch des SCP in die Bundesliga immer mehr zum Randaspekt verkam und die Fans sich dort fragten, was ihre Vereinsführung mit dem Klub anstellen würde, haben beide Parteien die Gespräche noch einmal vertieft. Dabei haben wir festgestellt, dass das Thema Kooperation inhaltlich nicht so darstellbar ist, wie man sich das während des ersten Austauschs vorgestellt hat.
Man ist also nicht aufgrund der vehementen Proteste vor den Fans eingeknickt?
Krösche: Nein.
Würden Sie diese Sache dennoch als Eigentor bezeichnen?
Krösche: Nein, das war es überhaupt nicht. Natürlich fand ich es richtig schade, dass der Erfolg des SCP derart überlagert wurde. Auf der einen Seite wollen alle immer die größtmögliche Transparenz. Ist das dann der Fall, ist es auch wieder nicht richtig. Die Öffentlichkeit hat die geplante Kooperation letztlich anders wahrgenommen. Man muss grundsätzlich damit leben, dass dir die Leute etwas vorwerfen. Das tangiert mich in dem Sinne auch nicht besonders, denn jeder hat seine Meinung und darf sie äußern. Das akzeptiere ich voll und ganz.
RB Leipzig ist vielen aktiven Fanszenen in Deutschland immer noch ein Dorn im Auge. Wie beurteilen Sie generell den Ruf Ihres neuen Klubs?
Krösche: Ich finde, dass sich die Wahrnehmung schon sehr verändert hat und dabei vor allem der sportliche Aspekt im Vordergrund steht, aber auch das Auftreten des Vereins insgesamt neben dem Platz. In ganz Deutschland und darüber hinaus wird dem Klub immer mehr Respekt dafür gezollt, welche Arbeit hier im Laufe der letzten Jahre geleistet wurde. Dass man immer ein paar Leute hat, die versuchen, den Fokus auf das Thema Retortenklub zu legen, ist doch normal. Man wird nicht alle ständig unter einen Hut bekommen, aber in meinen Augen hat sich der anfängliche Protest deutlich verändert und ist fast gar nicht mehr vorhanden. Für mich hat der Verein eine positive Ausstrahlung und ist eine Bereicherung für Deutschland. Wir werden diesen Weg weitergehen: Wir wollen die Menschen durch unsere ganz spezielle Art des Fußballs von unserer Arbeit überzeugen, aber gleichzeitig auch weiterhin als Klub polarisieren.