Markus Steinhöfer duellierte sich schon mit Neymar und Co., gegen Manchester United erlangte er Kultstatus. Nach seinem Wechsel zu 1860 München spricht der Neu-Löwe im Interview über seine Jugend beim FC Bayern, das Chaos bei Real Betis und unvergessliche Momente in der Königsklasse.
SPOX: Kurz vor dem Trainingslager hat es mit dem Wechsel zum TSV 1860 München geklappt. Wie sehr standen Sie aufgrund der ungeklärten Zukunft unter Druck?
Markus Steinhöfer: Die Situation war nicht nervenaufreibend, aber ich wollte gerne wechseln. Wir waren uns auch einig, aber es hing noch an Kleinigkeiten. Ich bin froh, dass alles über die Bühne ist. Hier fühle ich mich wie zuhause. In Sevilla habe ich gemerkt, dass der deutschsprachige Raum meine Region ist. Ich freue mich, wieder zurück in München zu sein und mit den Löwen in der Rückrunde anzugreifen. Wir haben ja noch einiges vor!
SPOX: Nach einem Jahrzehnt Zweitklassigkeit soll es wieder ins Oberhaus gehen. Die Konkurrenz ist allerdings groß, der 1. FC Köln scheint enteilt. Wie bewerten Sie die Tabellensituation?
Steinhöfer: Wir müssen uns auf Platz zwei und drei konzentrieren. Nach dem Start in die Rückrunde wird an der Spitze relativ schnell aussortiert. Wir wollen auf jeden Fall eine der Mannschaften sein, die sich dann oben festsetzt.
SPOX: Ihr Vertrag läuft bis 2015. Bis dahin sollte der Aufstieg also spätestens geschafft sein?
Steinhöfer: Natürlich ist das mein Ziel. Bestenfalls haben wir das in einem halben Jahr erreicht, deshalb bin ich hierhergekommen. Für diesen Traum geben wir alles. Sechzig gehört einfach in die erste Liga.
SPOX: Gab es neben den Löwen weitere aussichtsreiche Interessenten?
Steinhöfer: Es gab weitere Gespräche, aber für mich hat das Gesamtpaket bei den Löwen am besten gepasst. Entscheidend war Friedhelm Funkel. Der Trainer kennt mich, er weiß um meine Stärken, aber auch um meine Schwächen. Er hat gesagt: 'Ich will, dass Du zu uns kommst. Ich will mit dir Erfolge feiern.' Das war für mich ausschlaggebend, und die Löwen sind ein absoluter Traditionsverein. Wenn es eine Stadt in Deutschland verdient, zwei Bundesligaklubs zu haben, dann München.
SPOX: Sie haben mit Funkel bereits in Frankfurt zusammengearbeitet. Er sieht Sie als Allrounder rechts, links, hinten, vorne und sogar zentral einsetzbar. Wo sehen Sie sich?
Steinhöfer: Es kommt immer auf die Spielweise des Trainers an, aber im System von Friedhelm Funkel liegen meine Stärken in der Offensive. Ob nun auf der Außenbahn oder doch im Zentrum, entscheidet der Trainer. Ich habe keine Wunschposition. Der Trainer muss überzeugt davon sein, wo er mich aufstellt.
SPOX: Wie waren die ersten Eindrücke von den neuen Mannschaftskollegen?
Steinhöfer: Daniel Adlung, Kai Bülow und Yannick Stark kenne ich noch von früher. Die Integration läuft reibungslos. Es fühlt sich so an, als wenn ich schon viel länger hier wäre. Im Ausland ist das schwieriger. Es geht einfach wahnsinnig schnell, wenn man die gleiche Sprache spricht. Das ist der Schlüssel, wie ich im vergangenen halben Jahr gelernt habe.
SPOX: München kennen Sie ja bereits, schließlich wurden Sie einst in der Jugend des FC Bayern ausgebildet.
Steinhöfer: Aber das sind zwei verschiedene Paar Schuhe für mich. Ich war in der Jugend dort und habe bei den Amateuren gespielt. Der Profibereich bei den Bayern war nicht existent für mich. Ich habe ja kein Spiel für die erste Mannschaft gemacht. In der Jugend hatte ich eine schöne Zeit da und eine sehr gute Ausbildung. Jetzt bin ich froh, ein Blauer zu sein. Es wird Zeit, dass es bald mal wieder zum Derby kommt. Schon in der Jugend ging es immer heiß her, das wäre im Profibereich aber noch viel schöner.
SPOX: Dann könnten Sie auf Ihren ehemaligen Mitspieler in Basel, Xherdan Shaqiri, treffen.
Steinhöfer: Da kommen tolle Erinnerungen auf. Das war bisher die schönste Zeit in meiner Karriere. Wir waren super erfolgreich mit Basel. Wir hätten kaum mehr gewinnen können: Den Pokal haben wir zwar 'nur' einmal geholt, aber ich wurde dreimal Meister und wir haben international für Furore gesorgt. In Basel habe ich immer noch viele Freunde. Dort habe ich mich immer wohl gefühlt. Shaq lebt ja auch in München, wir werden uns auf jeden Fall mal treffen. Wir sind schon in Basel gut ausgekommen.
SPOX: Zum Stammspieler hat es für ihn auch unter Pep Guardiola noch nicht gereicht. Wann kommt der große Durchbruch?
Steinhöfer: Die Konkurrenz ist einfach wahnsinnig groß, aber er ist noch sehr jung und hat auf jeden Fall das Zeug dazu. Für mich ist es nur eine Frage der Zeit, dass er den Sprung endgültig schafft. Als schneller, gewiefter und flinker Spieler kommt ihm das Spiel der Bayern entgegen. In seinem ersten Jahr hat er einige Spiele gemacht und das Triple gewonnen - was will man mehr? Er wird sich durchsetzen, er hat die Qualität.
Seite 2: Steinhöfer über Betis-Chaos, Duelle mit Neymar und Bayerns Spielstil
SPOX: Gemeinsam haben Sie Manchester United aus der Champions League geworfen und Sie haben nach dem spektakulären Klärungsversuch an die Latte Kult-Status erlangt.
Steinhöfer: Das war für mich einer der schönsten Abende als Fußballer. 'Dr Steini isch e Glatte, Dr Steini isch e Glatte, Dr Steini schießt dr Ball an d Latte' kam dann spontan auf dem Barfüßerplatz nach dem Spiel, als wir mit den Fans gefeiert haben. Im Hinspiel haben wir zunächst 3:3 im Old Trafford gespielt, dann zuhause das alles entscheidende Spiel: So eine Stimmung habe ich noch nie erlebt! Ein Wahnsinn, nach dem 2:0 ist das Stadion explodiert. Darauf schaut man immer wieder gerne zurück.
SPOX: Ihre Zeit in Basel ging im Sommer 2013 zu Ende, es folgte Real Betis. Wie groß war die kulturelle Umstellung?
Steinhöfer: Sehr groß! Ich bin Deutscher und 'dahoam is dahoam', sagt man in Bayern. Sevilla ist wunderschön, das Wetter ist toll, aber meine Freundin, meine Freunde, meine Familie haben mir gefehlt - das ganze soziale Umfeld eben. Man kann ja nicht einfach alles mit nach Sevilla nehmen. Ich bin früh von zuhause ausgezogen, aber ich war immer in Schlagdistanz. Ich konnte immer nach Hause fahren, wenn ich es mal brauchte. Ich muss mich wohlfühlen, um eine gute Leistung zu bringen. In Basel hatte ich das richtige Umfeld, da habe ich schnell Freunde gefunden. In Sevilla war das viel schwieriger, denn fast keiner spricht Englisch. Ich musste sofort Spanisch lernen, was von heute auf morgen auch nicht ganz einfach war. Rückblickend war das eine prägende Zeit. Jetzt bin ich aber einfach froh, wieder in Deutschland zu sein: Organisatorisch gibt es einfach nichts Besseres.
SPOX: Konnten Ihnen die anderen deutschsprachigen Spieler vom Stadtrivalen FC Sevilla bei der Eingewöhnung etwas weiterhelfen?
Steinhöfer: Mit Piotr Trochowski habe ich mich ein paar Mal getroffen, war auch mal bei ihm zum Grillen. Wir kannten uns schon aus der Bayern-Jugend. Aber Ivan Rakitic habe ich nur während des Derbys auf dem Spielfeld getroffen, außerhalb hatte ich nichts mit ihm zu tun. Marko Marin habe ich nie gesehen. Ich hatte also nur zu Troche Kontakt. Der ist inzwischen schon zwei Jahre dort und es gefällt ihm wirklich gut.
SPOX: Nicht nur das Stadtderby ging deutlich verloren. Betis steht als Europa-League-Teilnehmer abgeschlagen am Tabellenende.
Steinhöfer: Bei Betis greifen die Zahnräder einfach nicht ineinander. Nun wurde schon wieder ein Trainer entlassen. Juan Carlos Garrido, der erst im Dezember gekommen war, ist schon wieder weg. Vor meinem Wechsel hatten der Sportdirektor und der damalige Trainer Pepe Mel nicht mal miteinander kommuniziert. Bei so etwas fängt es an und das zieht sich dann durch bis in die Mannschaft. Wenn das Team nicht harmoniert und es solche Spannungen gibt, dann bleibt der Erfolg aus. Wenn man realistisch ist, hat man zu viele Spiele verschenkt. Betis ist jetzt bereits abgeschlagen und hat eigentlich kaum mehr Chancen, sich zu retten.
SPOX: Also haben der damalige Trainer und Sportdirektor Ihren Transfer gar nicht gemeinsam abgestimmt?
Steinhöfer: Das weiß ich nicht. Im Sommer sind insgesamt zwölf neue Spieler gekommen und ich weiß nicht, ob der Trainer zwölf neue Spieler haben wollte. Ich hatte immer das Gefühl, dass eine Kommunikationslücke zwischen diesen beiden Personen klaffte. Das ist einfach schlecht. Das kann ich rückblickend sagen. Aber ich zerbreche mir nicht mehr den Kopf darüber. Für mich ist das Thema abgehakt, das Kapitel Betis ist geschlossen.
SPOX: Spanien hatte aber auch unvergessliche Momente zu bieten: Sie haben 90 Minuten gegen den FC Barcelona und Neymar verteidigt.
Steinhöfer: Barca hat eine unfassbare Qualität mit Neymar und Messi und dem Mittelfeld mit Xavi und Iniesta. Gegen Neymar habe ich eigentlich einen guten Job gemacht. Das war eine tolle Erfahrung, aber wenn man einmal nicht aufpasst, dann zeigt sich die ganze Klasse. Das ist eine Wahnsinns-Mannschaft, gegen die man immer das Gefühl hat, dass ein Spieler mehr auf dem Platz steht. Ein Duell, das ich nicht missen möchte. Nach dem Abpfiff haben Neymar und ich abgeklatscht, ich habe mir sein Trikot als Erinnerung an die Zeit in Spanien gesichert.
SPOX: Wenn Sie die Bundesliga mit der Primera Division vergleichen, wo liegen die Unterschiede?
Steinhöfer: Bayern spielt inzwischen spanisch und Dortmund spielt deutschen Powerfußball. Diese beiden Mannschaften spiegeln den Unterschied wider. Ich bin ein Fan dieses unterhaltsamen Powerfußballs, so wie ihn Dortmund spielt. Bayern hingegen spielt den Gegner müde: immer rein und wieder raus, rein, raus. Dadurch verschleppt man das Spiel, das ist mir in Spanien vermehrt aufgefallen. Und es fehlt die nötige Geschwindigkeit in den entscheidenden Momenten. Deshalb sage ich auch, dass die Bundesliga inzwischen einen Schritt voraus ist. Das Gesamtkonzept Bundesliga, die Vereine, die Stadien, die Infrastruktur in Deutschland sehe ich vor Spanien.
SPOX: 2011 haben Sie im Interview mit SPOX angedeutet, noch einmal für den 1. FC Nürnberg spielen zu wollen. Liegen die Pläne nun erstmal auf Eis?
Steinhöfer: Klar, daheim ist es am schönsten. Deshalb kann ich mir schon vorstellen, irgendwann nochmal beim Club zu spielen. Ich bin 27 Jahre alt und habe ja hoffentlich noch ein paar Jahre vor mir. Aber für mich zählt im Moment nur die Aufgabe beim TSV 1860 München, die will ich mit vollem Elan angehen.
Markus Steinhöfer im Steckbrief