Matthias Jaissle steht bei RB Salzburg in der Kritik. Möglicherweise könnte er spätestens im Sommer verfügbar sein. Das wird in der deutschen Bundesliga registriert. Unter anderem Eintracht Frankfurt soll ein Klub sein, der den 35-Jährigen im Blick hat. Angesichts seines Profils wäre der Schritt nach Deutschland nur logisch - oder?
Marco Rose, Roger Schmidt, Adi Hütter, Oliver Glasner - die Liste an erfolgreichen Trainern, die einst die Red-Bull-Schule in Salzburg durchliefen und anschließend die Bundesliga zumindest in Phasen aufmischten, ist lang. Im Jahr 2023 könnte ein weiterer diesen Weg gehen: Matthias Jaissle.
Der 35-Jährige ist seit Sommer 2021 in der Mozartstadt tätig und hat seitdem in 85 Partien einen Punkteschnitt von 2,27 eingefahren. Damit hat er aktuell den zweitbesten Durchschnitt in der Geschichte des Klubs - inklusive des Vorgängervereins SV Austria Salzburg. Nur Marco Rose thront mit 2,35 Punkten pro Spiel vor ihm an der Spitze.
Laut Sky ist Jaissle nun Thema bei Eintracht Frankfurt - wenn auch erstmal nur als Notnagel. Glasner hat bei der SGE noch einen Vertrag bis 2024. Dem Vernehmen nach möchte der Klub mit ihm verlängern. Gleichzeitig gibt es immer wieder Gerüchte, dass es zwischen der sportlichen Leitung und dem 48-Jährigen knirscht. Jaissle soll auf der Liste der Nachfolger ganz weit oben stehen.
Doch auch unabhängig vom vermeintlichen Interesse der Eintracht dürfte der Weg des noch jungen Trainers sehr bald in eine größere Liga und womöglich in die Bundesliga führen. Sein Profil passt perfekt in die höchste deutsche Spielklasse - oder?
gettyMathias Jaissle vereint viele klassische RB-Elemente
Anders als beispielsweise Glasner ist Jaissle ein recht klassischer RB-Trainer. Sowohl Salzburg als auch Leipzig spielen einen sehr vertikalen und durch Umschaltsituationen geprägten Fußball. Es ist Teil der sportlichen DNA, die einst bei der Übernahme von Red Bull implementiert wurde.
Jaissles Idee beinhaltet sehr viel davon. Er will von seinen Spielern vor allem nach Ballgewinnen einen sehr direkten, schnellen und vertikalen Fußball sehen. Hohes Tempo und eine hohe Laufbereitschaft sind unabdingbar. Das Risiko bei Kontern und Tempoangriffen soll durch ein aggressives Gegenpressing aufgefangen werden. Salzburg läuft in der Regel sehr hoch an, versucht Gegner konsequent auf die Außenbahnen zu lenken und dort zuzupacken.
Das Mittelfeldzentrum spielt eine besondere Rolle für Jaissle. Deshalb setzt der gebürtige Baden-Württemberger meist auf eine Raute: Ein Sechser, zwei Halbraumspieler und ein klarer Zehner hinter zwei Spitzen. Vier Spieler, die mit dem Ball in der Lage sind, Kontrolle aufzubauen, aber eben auch vier Spieler, die für schnelle Rückeroberungen und eine kompakte Grundformation sorgen.
Matthias Jaissle: Achtungserfolge mit RB Salzburg in der Champions League
Salzburg hatte unter Jaissle einige Highlightspiele in der Champions League, in denen sie die taktischen Vorzüge des Gegenpressingfußballs perfekt ausspielen konnten. In dieser Saison waren es vor allem die beiden Unentschieden gegen die AC Milan und den FC Chelsea (jeweils 1:1).
Das Heimspiel gegen Milan war eines auf Augenhöhe. Salzburg hatte sogar leichte Vorteile. Mit nur 35 Prozent Ballbesitz erspielten sie sich insgesamt 16 Abschlüsse, gingen sogar mit 1:0 in Führung. Das überfallartige Konterspiel tat den Italienern weh, gegen das variable RB-Pressing fanden sie zu wenig Lösungen. Jaissle ist sich nicht zu schade, das Risiko auch mal zu minimieren und sein Team defensiver einzustellen.
Auswärts beim FC Chelsea brauchte es schon deutlich mehr Glück. Doch auch da bewies der Trainer eine gewisse Qualität. Mit Junior Adamu wechselte er den Vorlagengeber zum 1:1 ein. Insgesamt machte Salzburg in der Schlussphase einen griffigeren Eindruck und belohnte sich mit dem Ausgleich.
In seiner ersten Saison gelang Jaissle ein 1:1 im Achtelfinale gegen den FC Bayern. Zwar ging das Rückspiel deutlich mit 1:7 verloren, doch das Hinspiel gestaltete man über weite Strecken sehr offen. Auch hier gelang es den Salzburgern, die Schwäche des Gegners nach Ballverlusten gnadenlos auszunutzen. Ein zweites Tor sowie ein Sieg wären möglich gewesen.
gettyMatthias Jaissle: Das perfekte Match mit der deutschen Bundesliga?
Die Power seines Ansatzes passt perfekt in die deutsche Bundesliga, die durch die Einflüsse von Jürgen Klopp und Ralf Rangnick einst zur "Pressingliga" wurde. Gegenpressing gilt hier als bester Spielmacher. Dem Gegner den Ball überlassen und ihn Fehler machen lassen. Auch aus diesem Grund fanden viele RB-Trainer ihren Weg in den deutschen Profifußball.
Auf der anderen Seite bekämpfen sich viele Klubs mittlerweile mit den gleichen Waffen. Die meisten Bundesliga-Spiele laufen heruntergebrochen darauf hinaus, dass beide Teams wenig mit dem Ball anfangen können und das Risiko im geordneten Ballvortrag schon deshalb minimieren, weil sie um den Pressingfokus des Gegners wissen. Das Resultat sind häufig Spiele, denen es an Tempo und Torraumszenen mangelt oder temporeiche Partien, in denen es hin und her geht.
Jaissle hat durchaus das Potenzial, in der Kategorie der Trainer, die diesen Ansatz vertreten, einer der besseren in der Bundesliga zu sein. Gleichzeitig könnte er Gefahr laufen, häufig neutralisiert zu werden, wenn er sich nicht bald weiterentwickelt.
Matthias Jaissle: Probleme mit RB Salzburg
In Salzburg hat er derzeit Probleme damit, dass seine Herangehensweise zunehmend durchschaut wird. Im Umfeld werden die Stimmen lauter, dass das Team stagniert. Zuletzt gab es mehrere Spiele, in denen die Dominanz, die Zielstrebigkeit und vor allem die Power fehlten. Weniger Abschlüsse, weniger Tore, mehr Patzer in der sonst wegen RB so eintönigen Bundesliga in Österreich. Schon sechs Unentschieden und eine Niederlage gab es in der Meistergruppe. Durch den 2:0-Sieg gegen Verfolger Sturm Graz ist der Vorsprung immerhin wieder auf fünf Punkte angewachsen.
Für den Anspruch der Salzburger trotzdem zu wenig. Jaissle steht in der Kritik, weil er zu eintönigen Fußball spielen lässt. Ein Grund dafür ist, dass derzeit neun Spieler ausfallen. Doch nicht alles ist darauf zurückzuführen.
So energiegeladen und intensiv das Salzburger Spiel in den Umschaltsituationen sein kann, so pragmatisch und teils statisch wirkt es in längeren Ballbesitzphasen. Zu Beginn, als die Ergebnisse größtenteils stimmten, wurde Jaissle das als große Stärke ausgelegt. Endlich jemand, der Salzburg mehr Ruhe am Ball gibt.
Mittlerweile wird ihm nachgesagt, dass dieser Ansatz schlicht keinem Plan folgt. Funktionieren Gegenpressing und daraus entstehende offensive Umschaltmomente nicht wie gewünscht, kommt Salzburg schnell an seine Grenzen.
gettyMatthias Jaissle: Wie viel Chance und wie viel Risiko?
Mit der wachsenden Kritik gibt es zudem immer mehr Gerüchte, dass seine Menschenführung problematisch sei. Der Grat zwischen Selbstvertrauen und Arroganz soll schmal sein. Wie viel davon der Wahrheit entspricht und was aufgrund von schlechten Ergebnissen gestreut wird, lässt sich von außen kaum beurteilen.
Trotzdem stellt sich aus Sicht vieler Bundesligisten in Deutschland die Frage: Wie viel Chance und wie viel Risiko sind mit Jaissle verknüpft, sollte er RB Salzburg im Sommer tatsächlich verlassen?
Auf den ersten Blick ist der Deutsche ein perfektes Match für viele Teams. Doch gerade ein Klub wie Eintracht Frankfurt, der unter Glasner den Entwicklungsschritt hin zu einem ganzheitlicheren Fußball geschafft hat, sollte ganz genau auf die aktuellen Defizite der Salzburger schauen.
Aus der Perspektive des Trainers ist es ähnlich. Wo kann Jaissle an seiner Idee feilen? Wo werden ihm etwaige Fehler verziehen, weil man weiß, dass er mit 35 Jahren noch längst nicht auf dem Höhepunkt seiner Karriere ist?
In der deutschen Bundesliga gibt es einige solcher Klubs. Gleichzeitig gibt es einige, an denen er sich schnell die Finger verbrennen könnte. In jedem Fall aber wird die Saison, in der es Jaissle zurück nach Deutschland verschlägt, eine hochinteressante. Sein Talent ist unbestritten und auch wenn es aktuell Zweifel gibt, ob er Salzburg noch voranbringen kann, so ist er als junger Trainer in der Lage, schnell zu lernen. Das hat er in der Vergangenheit bereits bewiesen.
In der langen Liste der RB-Trainer, die in der deutschen Bundesliga teilweise sogar prägende Arbeit geleistet haben, könnte also bald auch Matthias Jaissle auftauchen. Nur wird er der nächste Marco Rose, der sich dort im Oberhaus etabliert? Oder doch eher der nächste Jesse Marsch, der sich bisher außerhalb Salzburgs schwergetan hat?