"Ich dachte ans DFB-Team, klar"

Jan Höfling
15. September 201517:05
Michael Fink (l.) spielte unter Mustafa Denizli mit Besiktas in der Champions Leagueimago
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Michael Fink gelang über Arminia Bielefeld und Eintracht Frankfurt bei Besiktas der Sprung in die Champions League. Doch nachdem Bernd Schuster in Istanbul übernahm, ging es in Finks Karriere bergab. Mittlerweile spielt er bei Erzgebirge Aue in der 2. Liga. Im Interview spricht der 32-Jährige über seinen Aufstieg als Spieler, den Wahnsinn in der Türkei und erklärt, weshalb sich seine Hunde über das Leben im Erzgebirge freuen.

SPOX: Herr Fink, Sie spielten ab dem Alter von zehn Jahren beim VfB Stuttgart und durchliefen die Jugendmannschaften des Klubs. Letztlich reichte es jedoch nur für die Regionalliga Süd. Wieso war beim Verein, der später durch die 'Jungen Wilden' von sich reden machte, der Weg für Sie versperrt?

Fink: Schwer zu sagen. In der zweiten Mannschaft war ich häufig Kapitän, hatte zudem längere Zeit bei den Profis mittrainiert. Mir wurde stets eine gute Leistung attestiert. Das Hauptproblem war wohl meine Position. Mit Zvonimir Soldo und später Silvio Meißner hatte ich Spieler vor mir, die unangefochten waren.

SPOX: Fehlte damals auch der Mut, junge Akteure einfach mal ins kalte Wasser zu werfen?

Fink: Es lag eher an der Menge der jungen Spieler. Mit Kevin Kuranyi und Andreas Hinkel gab es schließlich zwei, die die Chance erhielten. Danach dachte man sich wohl, dass es nur mit jungen Spielern dann doch nicht gehen würde. Das war für mich auch der Grund, den VfB zu verlassen.

SPOX: Ihr Weg führte Sie anschließend nach Bielefeld und damit direkt in die Bundesliga. Zudem waren Sie erstmals in Ihrem Leben deutlich von der Heimat entfernt. Wie schwierig war es anfangs, die private Umstellung zu bewältigen?

Fink: Das war nicht einfach. Mir wurde allerdings bereits in meiner Jugend beigebracht, selbstständig zu handeln. Daher fiel es mir letztlich wohl auch leichter. Auch der Fußball hat mir geholfen, da ich bei der Arminia sehr in der Profimannschaft eingebunden war.

SPOX: Was war für Ihre Wahrnehmung als junger Spieler in Bielefeld grundlegend anders als beim VfB?

Fink: Es existierten gravierende Unterschiede, was die Struktur beider Vereine anbelangte. In Bielefeld war es deutlich familiärer. In Stuttgart hatte man als junger Spieler stets Kontakt zu den Profis, auf der Alm war das Training klar getrennt. Die Profimannschaft hatte ihren abgeschotteten Platz, der Rest hat woanders trainiert. Der familiäre Ansatz kam mir jedoch mehr entgegen.

SPOX: Wie wichtig war es, dass Ihnen in Bielefeld so schnell der Sprung ins Profiteam gelang?

Fink: Das war von großer Bedeutung. Hätte ich von den Trainern dort nicht diese Chance erhalten, wäre der nächste Schritt mit zunehmendem Alter sicherlich schwerer gefallen. Es gab dann schnell deutlich mehr Anfragen von ambitionierteren Vereinen.

SPOX: Zum Beispiel Eintracht Frankfurt, Ihre nächste Station. Wie sehr hat dieser Schritt Ihr Selbstbewusstsein gestärkt?

Fink: Er hat mir einen großen Schub gegeben. Es lief von Beginn an sehr gut, ich konnte Woche für Woche vor über 40.000 Fans spielen. Ich erhielt gute Kritiken und konnte mich beweisen. Diese Phase hat mich auch privat sehr gestärkt.

SPOX: In Frankfurt haben Sie sich als Bundesligaspieler etabliert. Wie sehr möchte man dann gleich auch den nächsten Sprung in Angriff nehmen?

Fink: Ich dachte damals ans DFB-Team, klar. Joachim Löw war bei unseren Spielen im Stadion und irgendwann wurde auch mein Name genannt. Auch wenn ich die Situation stets realistisch eingeschätzt habe, war ich schon stolz und wollte mehr. Leider hat es aber nie geklappt, weil es schließlich auch andere gute Spieler gab.

SPOX: Es folgte ein etwas überraschender Wechsel in die Türkei zu Besiktas. Wie sehr stand für Sie dabei die Tatsache im Vordergrund, endlich auch konstant im internationalen Geschäft mitmischen zu können?

Fink: Die Chance auf Einsätze in der Champions League wollte ich auf jeden Fall wahrnehmen. Das Finanzielle war für mich nebensächlich, in diesen Gehaltsregionen geben sich die Vereine auch nicht wirklich viel.

SPOX: Wäre ein sportlich vergleichbares, aber finanziell schwächeres Angebot aus Deutschland auch interessant für Sie gewesen?

Fink: Auf jeden Fall, dann wäre ich wohl in Deutschland geblieben. Die Mischung aus sportlicher Perspektive und den Finanzen hat aber bei Besiktas einfach gepasst. Ich würde diesen Wechsel noch einmal so vollziehen.

SPOX: Im Vorfeld des Transfers waren Sie gezwungen, den Wechsel lange geheim zu halten. Besiktas befand sich mitten im Kampf um die Meisterschaft und zudem gab es mit Edouard Cisse noch einen Spieler auf Ihrer Position, der letztlich den Verein verlassen musste.

Fink: Das war schon schwierig. Eintracht Frankfurt hatte mir auch die Pistole auf die Brust gesetzt.

SPOX: Inwiefern?

Fink: Als ich intern verkündet habe, den Verein zu verlassen, wurde dies öffentlich entsprechend kommuniziert. Es war in der Folge nicht leicht, täglich von den Medien dazu befragt zu werden und nicht korrekt antworten zu können.

SPOX: Fühlt man sich in dieser Zeit gerade auch auf der menschlichen Ebene schlecht?

Fink: Natürlich. Ich hatte einen neuen Verein, durfte diesen lange Zeit jedoch nicht nennen. Da steckte ich schon in einer Zwickmühle.

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Seite 2: Fink über den Istanbul-Wahnsinn und Hunde im Erzgebirge

SPOX: Wie groß war die kulturelle Umstellung auf die Türkei für Ihre Familie und Sie?

Fink: Sehr groß. Die türkische Mentalität bringt es mit, dass die Menschen dort teils sehr forsch sind. Als Spieler einer der drei großen Vereine kann man weder ungestört in ein Restaurant noch einkaufen gehen. Jeder hat mich erkannt, weil die Menschen dort einfach so fußballverrückt sind.

SPOX: Wie hat Ihre Familie darauf reagiert?

Fink: Alle waren sehr auf mich fixiert. Wenn ich beispielsweise mit meiner Frau unterwegs war, wurde sie zumeist links liegen gelassen. Das war für sie nicht einfach, auch wenn wir uns daran gewöhnt haben.

SPOX: Sie absolvierten mit Besiktas unter anderem im Old Trafford Ihre ersten Champions-League-Spiele und kämpften in der Liga um die Meisterschaft. Dachten Sie damals, es als Fußballer jetzt wirklich zu etwas gebracht zu haben?

Fink: Auf jeden Fall. Solche Spiele treiben einen an. Trotz des Sieges in Manchester, schaut man auch in diesem Moment bereits ein wenig in die Zukunft. Ich hätte mir gewünscht, dass die Zeit länger andauern würde. SPOX

SPOX: Welche Dimension haben die Stadtderbys auf und neben dem Spielfeld angenommen?

Fink: Die Istanbul-Derbys sind schon etwas Einzigartiges, die Brisanz kann man nicht ansatzweise mit der in Deutschland vergleichen. Etwas wie diese Spiele habe ich noch nie erlebt. Für viele Fans geht es da eher um Leben und Tod als um Fußball. Gewinnt man das Derby, kann man auch gegen andere Mannschaften drei Partien hintereinander verlieren.

SPOX: Mit der Zeit wurden Ihre Perspektiven bei Besiktas schlechter. Wie kam es dazu?

Fink: Der Hauptgrund war der Trainerwechsel. Mustafa Denizli, der mich holte, war sehr überzeugt von mir. Unter ihm durfte ich regelmäßig spielen. Er musste leider wegen gesundheitlicher Probleme den Verein verlassen.

SPOX: Es folgte Bernd Schuster.

Fink: Mit ihm bin ich nie richtig warm geworden. Er hatte eine ganz andere Vorstellung von der Art und Weise, wie die Mannschaft zu spielen hat. Er wollte zudem viele Spieler aus seiner Zeit in Spanien bei Besiktas haben. Wir hatten letztlich einige Portugiesen in der Mannschaft.

SPOX: Zumal dann ja auch die Ausländerregelung eingeführt wurde.

Fink: Das kam erschwerend hinzu, einige Spieler mussten aussortiert werden. Ich habe ein halbes Jahr lang im Training versucht, Schuster zu überzeugen, aber mir fehlte auch die Einsatzzeit. Er hat lieber seine Spieler eingesetzt und ich habe leider keine Chance mehr bekommen.

SPOX: Nach einem kurzen Leihgeschäft bei Borussia Mönchengladbach gingen Sie zu Samsunspor. War es Ihr Wunsch, in der Türkei zu bleiben? SPOX

Fink: Hätte es eine gute Option gegeben, wäre ich wohl zurück nach Deutschland gekommen. In der Türkei gab es dagegen einige Angebote. Da ich das Land und die Mentalität lieben gelernt hatte, ging ich nach Samsun.

SPOX: Dort stand am Ende der Abstieg. Sie hatten keinen Vertrag für die 2. Liga und waren deshalb ab Juli vereinslos. Wieso kam es zu keiner weiteren Einigung?

Fink: Die Situation war kompliziert, nach dem Abstieg herrschte dort das absolute Chaos. Vorstand und Trainer sind recht zügig gegangen und es war ungewiss, wie es weitergeht. Ich wollte dann einfach nicht so lange warten, bis sich etwas ergibt.

SPOX: Ihr Engagement in Aue kam dann allerdings erst im Dezember 2012 zustande. Sie waren also fünf Monate ohne Verein.

Fink: Das Problem war, dass sich die Geschichte in Samsun so lange hinzog. Ich wollte nicht auf Anhieb gehen, so dass leider einige interessante Angebote verstrichen sind. In der Folge kam dann nichts Interessantes mehr herein. Mir war zudem klar, dass die Chancen im Winter wieder größer werden. Deshalb entschied ich mich, darauf zu warten.

SPOX: Wie schwer war diese Zeit der Ungewissheit?

Fink: Es gibt dann schon einige Schwankungen und Selbstzweifel. Ich fing an, mich zu fragen, ob meine Leistungsfähigkeit noch ausreicht - auch wenn ich nie ans Karriereende gedacht habe. Wenn aber als noch nicht so alter Sack die Angebote ausbleiben, macht man sich eben seine Gedanken (lacht).

SPOX: Letztlich ging es in die 2. Liga zu Aue. Wie kam das Engagement im Erzgebirge zustande? SPOX

Fink: Über Karsten Baumann. Er hat mich hierhin eingeladen und wir haben Gespräche geführt. Ich war froh, wieder zu spielen.

SPOX: Aue hat keine 20.000 Einwohner, Istanbul über 13 Millionen. Inwiefern war die Umstellung auf die neue Umgebung ebenso eine Herausforderung wie damals der Umzug in die Metropole?

Fink: Das war ehrlich gesagt gar kein Problem. Teilweise war in Istanbul für meinen Geschmack fast schon zu viel los, all diese Menschen und Autos...(lacht). Meine Hunde freuen sich über Aue, für sie ist das Erzgebirge super. Ich selbst genieße bei den Spaziergängen mit ihnen ebenfalls die Landschaft und Natur.

SPOX: Sie sind jetzt 32. Schaut man sich den Verlauf Ihrer Karriere an, so ging die Kurve zunächst steil nach oben und seit der Leihe nach Gladbach senkt sie sich nach unten. Ist diese Sicht für Sie nachvollziehbar?

Fink: Das kann man schon so sehen, ja.

SPOX: Wann folgte für Sie der Bruch?

Fink: Bis zum Wechsel nach Istanbul war ich sehr zufrieden mit meiner Karriere. Der Schritt ins Ausland birgt ja auch immer eine gewisse Gefahr in sich. Im ersten Jahr lief es noch ausgezeichnet, dann ging es bergab. Jetzt spiele ich zweite Liga, bin aber dennoch mit meiner Karriere zufrieden und dankbar.

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