Heiko Westermann hat ein dürftiges Halbjahr hinter sich. Im Verein hat er die ersten Schritte zurück schon geschafft, jetzt greift er mit dem DFB-Team im EM-Quali-Spiel gegen Belgien in Brüssel das nächste Ziel an - wenn er denn auf seiner Lieblingsposition ran darf. Holger Badstuber sitzt ihm nämlich im Nacken.
Am Mittwoch sagte Joachim Löw inmitten der überhitzten Diskussion um das leidige Thema Kapitänsfrage einen Satz, der vom Bundestrainer in der Schärfe eher selten zu hören ist. "Die Spieler", sagte Löw, "dürfen gerne Wünsche äußern. Die Bedingungen aber stelle ich."
Nun sollte dies im Verhältnis Trainer zu Spieler eine Selbstverständlichkeit sein - in der Realität sieht es oft aber anders aus.
Heiko Westermann ist nicht gerade als Lautsprecher der Liga bekannt, der 27-Jährige ist ein besonnener Typ, der gerne etwas länger überlegt und dann erst spricht.
Nachteil des Allrounders
Wenn es aber um die Frage nach seiner Position auf dem Feld ging, war Westermann immer schnell und unmissverständlich bei der Sache: Ich bin ein Innenverteidiger.
Dem Hamburger haftete allerdings lange das (nicht immer wertvolle) Prädikat des Allrounders an, also wurde er auch schon auf so ziemlich allen defensiven Positionen eingesetzt.
Als er noch für den FC Schalke 04 spielte, trug er Trainer Felix Magath seine Forderungen offenbar ein wenig zu oft und zu forsch vor. In der Innenverteidigung wolle er endlich spielen - und nicht rechts oder links in der Viererkette oder im zentralen defensiven Mittelfeld davor.
Scheußliches halbes Jahr
Er hatte da offenbar übersehen, dass Magath ein noch weniger liberaler Diskussionspartner ist als Löw. Es war der Anfang vom Ende Westermanns auf Schalke, als seine langsame Demontage begann. Zunächst verlor er erst Magaths Vertrauen - der Trainer sprach ihm die nötigen Führungsqualitäten ab - und später dann seinen Status im Team.
In der Nationalmannschaft suchte er Trost und die Herausforderung der WM - und musste wenige Tage vor dem Abflug nach Südafrika wegen einer Kahnbeinfraktur passen. Zurück aus dem Krankenstand teilte ihm Magath dann mit, dass er nicht mehr mit ihm plane.
Heiko Westermann hat wirklich ein scheußliches Halbjahr hinter sich. Deswegen wird das EM-Qualifikationsspiel der deutschen Nationalmannschaft am Freitag in Belgien (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) für keinen anderen im Kader so zu einem Neuanfang, wie für ihn.
In Hamburg gleich Führungsspieler
Er ist zurück, mit ordentlich frischem Wind im Rücken. Nach seinem Wechsel nach Hamburg wurde er dort gleich Kapitän. Durchwachsene Spiele in der Vorbereitung wischte Westermann mit zwei guten Spielen zum Auftakt weg. In Hamburg stellt ihn Trainer Armin Veh dort auf, wo sich Westermann selbst am stärksten sieht.
In Hamburg ist er das, was er auf Schalke nie sein durfte: Der Chef in der Abwehr. Selbst der alte Haudegen Joris Mathijsen, seit vier Jahren beim HSV und immerhin Stammspieler bei Vize-Weltmeister Niederlande, hört auf seine Kommandos.
In Gelsenkirchen war im Zweifel immer noch Marcelo Bordon der Anführer der Viererkette, Westermann zwar akzeptiert, aber als Führungsspieler nie so richtig angekommen. Jetzt hat er in Hamburg seinen ganz persönlichen Neuanfang geschafft, im DFB-Dress soll es in den Spielen gegen Belgien und Aserbaidschan im gleichen Tempo weitergehen.
WM-Viererkette vorerst gesprengt
Die Chancen dazu stehen besser denn je. Die Viererkette der WM ist vorerst gesprengt. Linksverteidiger Jerome Boateng fällt mit einer Sehnenentzündung im Knie auf unbestimmte Zeit aus, Arne Friedrich erwischte es sogar mit einem Bandscheibenvorfall: OP, bis zu drei Monate Pause.
Stuttgarts Serdar Tasci hat letzten Sonntag gegen Dortmund erst die ersten 90 Minuten der Saison absolviert und war für die beiden EM-Qualifikationsspiele kein Thema.
Eine der beiden Lücken wird Westermann also auf jeden Fall besetzen. Löw: "Heiko ist für die beiden anstehenden Spiele als Innenverteidiger oder linker Verteidiger eingeplant."
Zwei Vorteile für Westermann
"Natürlich gehe ich davon aus, dass ich auch von Anfang an dabei bin. Ich weiß allerdings nicht, auf welcher Position ich dann spielen würde", sagt Westermann. Sehr wahrscheinlich wird er aber neben Per Mertesacker wieder in der Innenverteidigung auflaufen.
Mit Bayerns Holger Badstuber bleibt dafür nur ein Kontrahent. Westermann hat allerdings gegenüber dem Bayern-Youngster zwei entscheidende Vorteile: In der Nationalmannschaft durfte Badstuber in der Innenverteidigung noch nie ran, das durchaus heikle Spiel gegen die unbequemen Belgier wird Löw sicherlich nicht zu einer ersten Versuchsreihe motivieren.
Und außerdem weiß er mit Manuel Neuer einen alten Bekannten hinter sich. "Für mich ist es natürlich kein Nachteil, dass wir in den vergangenen Jahren auf Schalke gut miteinander harmoniert haben", sagt Westermann vorsichtig.
Er will sich jetzt in Geduld üben und keine überzogenen Forderungen stellen.
Also fallen weiter moderate Sätze wie dieser: "Wenn der Bundestrainer will, dass ich auf einer anderen Position auflaufe, dann wäre ich der Letzte, der Nein sagt."
Die voraussichtlichen Aufstellungen:
Belgien: Bailly - Alderweireld, Van Buyten, Kompany, Vermaelen - Vertonghen, Simons - Fellaini - Hazard, Dembele - Lukaku
Deutschland: Neuer - Lahm, Mertesacker, Westermann (Badstuber), Jansen - Schweinsteiger, Khedira - Müller, Özil, Podolski - Klose
Schiedsrichter: Terje Hauge (Norwegen)