"Hermann Gerland ist nicht mein Typ"

Matthias Faidt
01. Mai 201420:10
Der Ex-Münchner Sansone war in dieser Saison an zehn Toren direkt beteiligtgetty
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Beim FC Bayern reichte es für Nicola Sansone nie zum Durchbruch, in der Serie A hat sich der gebürtige Münchner aber einen Namen gemacht. Der Torjäger über seinen neuen Klub Sassuolo, die Querelen beim Rekordmeister und den besten Linksverteidiger der Welt - David Alaba.

SPOX: Herr Sansone, in der Winterpause wechselten Sie vom FC Parma zum Aufsteiger US Sassuolo. Wie haben Sie Ihren neuen Verein in den vergangenen Monaten kennengelernt?

Nicola Sansone: Man könnte Sassuolo eventuell mit Hoffenheim vergleichen, das auch in wenigen Jahren aus den unteren Spielklassen in die erste Liga durchmarschiert ist. Wie Dietmar Hopp hat auch Sassuolo mit Giorgio Squinzi einen Mäzen. Er ist der Präsident eines Industrieverbands und steckt viel Geld in den Klub. Deswegen ist der Verein so schnell so hoch gekommen.

SPOX: 2005 kickte Sassuolo noch in der 3. Liga, 2013 folgte der Aufstieg in die Serie A. Konnte der Verein in all seinen Strukturen mit dem sportlichen Erfolg Schritt halten?

Sansone: In Italien müssen die Strukturen der Klubs generell besser werden und sich weiterentwickeln. Da ist Deutschland schon viel weiter. Aber es wird daran gearbeitet, auch hier haben wir erst neue Umkleiden und ein Pressezentrum bekommen.

SPOX: Sie absolvierten in anderthalb Jahren 45 Pflichtspiele für den FC Parma und sammelten dabei acht Tore und sechs Assists. Wieso haben Sie sich dennoch für den Abschied entschieden?

Sansone: Nach der ersten Saison, die super verlaufen ist, hatte ich gehofft, dass der Trainer mehr auf mich setzt. Ich musste mich dann aber hinter den Stars wie Cassano oder Amauri anstellen. Ich wurde dann sogar noch Stammspieler, aber vor der Winterpause gab es einige Probleme mit dem Trainer. Deshalb bin ich gegangen.

SPOX: Sie wurden zum FC Crotone ausgeliehen. Wie wichtig war dieser Zwischenschritt als junger Spieler für Ihre Karriere?

Sansone: Meine Priorität war einfach nur zu spielen, egal ob in der ersten oder zweiten Liga. Es war auf jeden Fall ein sehr wichtiges und schönes Jahr, in dem ich mich als Mensch und als Spieler sehr weiterentwickelt habe.

SPOX: Ihr Mitspieler Domenico Berardi gilt als eines der größten Sturmtalente der Welt. Wie hoch schätzen Sie ihn und sein Potenzial ein?

Sansone: Er ist ein sehr starker Spieler, aber er muss sich noch weiterentwickeln - auch vom Kopf her. Seine Anlagen sind aber fantastisch. Man könnte ihn vom Spielertyp ein bisschen mit Arjen Robben vergleichen. Er hat eine sehr gute Ballbehandlung, sieht auch seine Mitspieler und hat einen guten Schuss mit Links. SPOX

SPOX: Kapitän Francesco Magnanelli ist mit 221 Einsätzen Rekordspieler des Vereins und hat seit 2005 quasi alles miterlebt. Wie wichtig ist er für Mannschaft und Klub?

Sansone: Er ist die Leitfigur des ganzen Vereins und natürlich auch Identifikationsfigur für die Fans. Außerdem ist er der Kapitän schlecht hin und der wichtigste Spieler, den wir haben.

SPOX: Sassuolo ist momentan das zweitschlechteste Rückrundenteam. Im Januar hatte man erst Trainer Eusebio Di Francesco entlassen und Alberto Malesani eingestellt, doch der wurde nach fünf Niederlagen wieder gefeuert und Di Francesco kehrte zurück. Wie hat die Mannschaft auf die chaotischen Umstände reagiert?

Sansone: Wenn man in zwei Monaten drei Mal den Trainer wechselt, ist es natürlich eine schwierige Situation für die Spieler. Die Trainingsmethoden verändern sich wieder und man muss mental stark sein, um dran zu bleiben. Der Monat war tatsächlich sehr chaotisch, wir konnten auch kein einziges Spiel in dieser Zeit gewinnen.

SPOX: Schaffen Sie mit Di Francesco den Klassenerhalt?

Sansone: Er war hier schon Trainer, als der Klub noch in der zweiten Liga gekickt hat und hat Sassuolo in die Serie A geführt. Er kennt alle Spieler sehr gut, deswegen glaube ich, dass er der richtige Mann ist.

Seite 2: Sansone über die Zeit beim FCB und eine Bundesliga-Rückkehr

SPOX: Sie haben in der Winterpause zwölf Spieler dazu bekommen, im Sommer gingen Leistungsträger wie Richmond Boakye und Leonardo Pavoletti verloren. Braucht die neue Mannschaft einfach noch Zeit, um sich zu finden?

Sansone: Der Verein braucht auf jeden Fall noch Zeit. Das erste Jahr in der Serie A in der Geschichte des Klubs ist ein Übergangsjahr. Es wäre deshalb so wichtig, die Klasse zu halten, um in Zukunft ambitioniertere Ziele angehen zu können.

SPOX: Sie sind gebürtiger Münchner. Wie oft kommen Sie noch in Ihre Heimatstadt und was vermissen Sie am meisten?

Sansone: Auf jeden Fall vermisse ich meine Familie und Freunde. Ich komme immer an Weihnachten und auch einmal im Sommer nach München, ansonsten nur zu kurzen Ausflügen.

SPOX: Sie wurden in der Jugend des FC Bayern München ausgebildet. Von Ihren Kollegen in der U 19 schaffte neben Ihnen nur noch David Alaba den Sprung zu den Profis. Hätten Sie ihm damals schon zugetraut, ein Weltklassespieler zu werden? Haben Sie heute noch Kontakt?

Sansone: Ja, ich habe ab und zu mit ihm Kontakt. Er ist ein guter und lustiger Typ. Ich habe mir damals schon gedacht, dass er durchstarten könnte, aber nicht so wie er es im Endeffekt gemacht hat. Er hat wirklich eine sehr starke Entwicklung hingelegt. Für mich ist er der beste Linksverteidiger der Welt.

SPOX: In der A-Jugend waren Sie Toptorjäger der Münchner. Da träumt man doch sicher von der großen Karriere bei den Bayern?

Sansone: Klar glaubt man daran, und es hätte ja auch fast geklappt. Dann gab es jedoch ein paar Unannehmlichkeiten mit dem Verein. Nichtsdestotrotz bin ich sehr stolz darauf, bei Bayern ausgebildet worden zu sein.

SPOX: Was waren das für Probleme? SPOX

Sansone: Hauptsächlich haben mich Verletzungen immer wieder zurückgeworfen. Mit 18 hatte ich einen Leistenbruch, der mich länger außer Gefecht gesetzt hat. Unter Mehmet Scholl bin ich dennoch zurück gekommen und durfte sogar in der dritten Liga debütieren. Nach einer Sprunggelenksverletzung und dem Trainerwechsel zu Hermann Gerland konnte ich im Amateurteam nicht mehr richtig Fuß fassen.

SPOX: Also haben Sie lieber mit Scholl zusammengearbeitet?

Sansone: Gerland ist nicht mein Typ, aber ich habe trotzdem viel von ihm gelernt. Vor allem von seiner Mentalität, nie aufzugeben und sich immer 100 Prozent reinzuhauen. Besser zurecht gekommen bin ich aber mit Scholl. Er hat auf mich gebaut und war ein ähnlicher Spielertyp wie ich, das hat besser gepasst.

SPOX: Sie gelten in Italien mittlerweile als große Nachwuchshoffnung. Können Sie sich irgendwann einen Wechsel in die Bundesliga vorstellen?

Sansone: Auf jeden Fall kann ich mir vorstellen, nochmal in die Bundesliga zurück zu gehen. Sie ist zu einer von Europas Topligen geworden. Die Stadien sind schön, neu und immer voll. Auch die kleineren Vereine neben Bayern, Dortmund oder Schalke sind sehr interessant geworden.

SPOX: Wo unterscheiden sich Bundesliga und Serie A am deutlichsten?

Sansone: Meiner Meinung nach in der Intensität des Spiels. In Deutschland geht mehr die Post ab, und in Italien ist alles mehr von der Taktik geprägt.

SPOX: Mit Miroslav Klose, Mario Gomez und Shkodran Mustafi spielen drei mögliche Brasilien-Fahrer der Nationalmannschaft in der Serie A. Wird Italien wieder interessanter für deutsche Profis?

Sansone: Italien hat schon immer ein besonderes und spezielles Flair gehabt. Mit Miroslav Klose habe ich schon ein paar Mal nach Spielen gesprochen, ihm gefällt es hier sehr gut. Mustafi genauso, mit Gomez hatte ich noch keinen Kontakt. Aber vor allem für junge Spieler wird Italien immer reizvoller.

Nicola Sansone im Steckbrief