Wie schon im Vorjahr bei der Verkündung des Wechsels von Marco Reus gelang Borussia Dortmund auch im neuen Jahr ein Coup auf dem Transfermarkt: Nuri Sahin spielt ab sofort wieder beim BVB. Doch welche Auswirkungen hat die Rückkehr des verlorenen Sohns? SPOX beantwortet die fünf dringlichsten Fragen.
Was bedeutet der Wechsel für Sahins Karriere?
Es war entwaffnend ehrlich, als Sahin davon sprach, schon kurz nach seinem Weggang aus Dortmund gemerkt zu haben, dass er als Spieler nur beim BVB zu hundert Prozent funktionieren würde. Natürlich ist diese Aussage auch als erstaunliches Eingeständnis seines eigenen Scheiterns zu werten.
Wobei möglicherweise auch er selbst gar nicht abschließend bewerten kann, ob er seine Stärken als Fußballer tatsächlich nur in Schwarz-Gelb zur vollständigen Entfaltung bringen kann. Zu viel lief suboptimal seit seinem Wechsel: Die akute Innenbandverletzung, mit der er zu Real Madrid wechselte - auskuriert in genau jener Phase, als Jose Mourinho die Besetzung im königlichen Mittelfeld für austariert genug befand, um nicht sofort einem gerade Wiedergenesenem zur nötigen Spielpraxis zu verhelfen.
Dazu das Leihgeschäft auf die Großbaustelle Liverpool, wo ein neuer Trainer innerhalb seiner Belegschaft lange nach einem funktionierenden Gebilde suchte und die Personalie Sahin in Brendan Rodgers Überlegungen rein- und rausrotierte.
Fakt bleibt jedoch: Sahin hat in den letzten eineinhalb Jahren 22 Pflichtspiele bestritten, davon lediglich acht über die volle Spielzeit. Borussia Dortmund hat sich in dieser Zeit vom Einfluss des Taktgebers Sahin vollständig emanzipiert und ging in insgesamt nur zehn Pflichtspielen als Verlierer vom Platz.
Für den türkischen Nationalspieler, der seitdem auch im Dress mit dem Halbmond zur Randfigur verkümmerte, ist 2013 ein Neuanfang. Allerdings einer, bei dem er sich zunächst hinten anstellen und seinen Platz in einem funktionierenden Team nach und nach suchen muss. Er biegt mit der Rückkehr an die alte Wirkungsstätte aus freien Stücken in eine entscheidende Phase seiner Karriere, auch seiner Entwicklung, ein.
Dortmund wird versuchen, Druck und Erwartungshaltung so gut es geht zu dämpfen, gänzlich verschwinden werden diese Faktoren jedoch nicht. Und Sahin wird sich daran messen lassen müssen.
Zumal er selbst am meisten davon überzeugt ist, im gewohnten Umfeld sein bisweilen geniales, zuletzt allerdings brachliegendes Potential wieder abzurufen. Somit hat er sich diesen Druck auch selbst auferlegt - und muss zeigen, dass er tatsächlich wieder funktioniert.
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Wie geht der BVB jetzt mit Sahin um?
Was Sahins Spielanteile während der letzten 18 Monate angeht, zeigen die erwähnten Zahlen, dass ihm derzeit echte Spielpraxis fehlt. Vor über zwei Monaten trat er letztmals in einem Pflichtspiel gegen den Ball. Dennoch bringt er eine gewisse Grundfitness mit, da er sich bis zuletzt auch aufgrund der fehlenden Winterpause in England durchgehend im Trainingsbetrieb befand.
In Dortmund heißt das Stichwort nun aber Gewöhnung: an die mannschaftstaktischen Abläufe, die physischen Herausforderungen und auch an die Mitspieler. Klopp will Sahin nun so schleifen, dass er in vier bis fünf Wochen, also zu Beginn der englischen Wochen mit den Aufgaben in der Champions League und im DFB-Pokal, alle Defizite abgearbeitet hat. Dazu wird er ihm natürlich auch ausreichend Spielminuten gönnen, ein baldiger Startelfeinsatz scheint aber nicht wahrscheinlich.
Das "Risiko" dabei: Sollte Sahin auf dem Weg dorthin einen Rückschlag erleiden, der derzeit anvisierte Zeitplan also ins Wanken geraten und der BVB darüber hinaus plötzlich nur noch auf einer statt auf drei Hochzeiten tanzen, hätte man erst dann einen spielfitten Sahin und würde "nur" noch in der Bundesliga um die Qualifikation zur Königsklasse kämpfen. Zugegeben ein derzeit sehr konjunktivistisches Szenario...
Welche Auswirkungen hat Sahins Transfer auf das Spielsystem?
Neben der gängigen 4-2-3-1-Anordnung hat das Team mittlerweile auch ein Gefühl für ein 4-3-3-System entwickelt. Die Übergänge dabei sind allerdings ziemlich fließend. In der Champions League bei Manchester City sowie in der Liga beim FC Bayern und in Hoffenheim agierte der BVB aus einer Grundordnung mit drei defensiv orientierten Mittelfeldspielern heraus, die Klopp etwas enger und teilweise ins Zentrum orientiert aneinanderreihte.
Sahin könnte dort problemlos eine der "offensiven" Halbpositionen links oder rechts des zentral-defensiven Sechsers (Sebastian Kehl oder Sven Bender) bekleiden. Sahin ist in jedem Fall eine gewissermaßen flexible Option für die Mittelfelddreierreihe im 4-3-3, das der BVB mit ihm sicherlich weiter zu verfeinern versucht.
Spielt Dortmund im 4-2-3-1, wäre Sahin ein Mann für den offensiven Part auf der Doppelsechs - so wie man es aus der Meistersaison 2011 kennt. Vermeintlich offen ist dabei die Frage, ob Sahin nur zusammen mit einem defensiven Sechser auflaufen könnte. Ein klares Ja oder Nein kann es hier jedoch nicht geben, da von Spiel zu Spiel auch jeweils viel von der personellen Konstellation abhängen und Klopp sich auch vor dem Hintergrund der nötigen Rotation nicht davor scheuen wird, zwei offensiv denkende Akteure (z.B. Ilkay Gündogan und Sahin) zusammen aufzubieten.
News und Ergebnisse: Borussia Dortmund in der Winterpause
Man kann zudem davon ausgehen, dass Sahin nicht wie zuletzt ab und an in Liverpool praktiziert als Zehner zum Einsatz kommen wird. Auf dieser Position sieht ihn Klopp nicht. Dafür plant der Coach, mit Sahin als Sechser die Möglichkeit zu nutzen, "andere Sechser für offensivere Positionen freizumachen". Damit dürfte er ausschließlich Gündogan und Moritz Leitner meinen, mit beiden experimentierte Klopp bereits im Trainingslager in Spanien auf der Zehnerposition. Gerade Gündogan könnte dort in Teilbereichen der Rückrundenpartien weitere Chancen erhalten und durch ein Nach-Vorne-Rücken sozusagen Platz für eine Einwechslung auf der Doppelsechs machen. Klopp zeigte sich von Gündogans Zehner-Auftritten bislang jedenfalls recht angetan.
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Wie wird Sahin das Dortmunder Spiel beeinflussen?
Diese Frage lässt sich zu diesem frühen Zeitpunkt lediglich mutmaßend beantworten.
Im Meisterjahr 2011 war Sahin der Herzschrittmacher im BVB-Maschinenraum, die ersten Impulse im Spielaufbau gingen von ihm aus. Dazu holte er sich die Bälle teilweise auch tief in der eigenen Hälfte von der Viererkette ab und ließ sich auf eine der Halbpositionen fallen.
Sahins chirurgisch getimten langen Bälle in den Rücken der gegnerischen Abwehr übernahm nach seinem Weggang Mats Hummels.
Der Nationalspieler schwang sich vor allem in jener Phase, in der Gündogans Eingewöhnungsprozess noch nicht abgeschlossen war, zum Initiator der Spieleröffnung auf und rückte häufig auch mit nach vorne.
Zukünftig könnten sich Hummels, Gündogan und Sahin diese Aufgaben intuitiv teilen, ein Verbot für lange Bälle wird Hummels nicht erhalten. Es ist aber möglich, dass Hummels häufiger den Dienst-nach-Vorschrift-Gedanken in der Defensive zu erfüllen hat, vor allem dann, wenn er zusammen mit Gündogan und Sahin auf dem Platz stehen sollte.
So oder so: Es wird spannend sein zu sehen, wie das Trainerteam plant, Sahin ins BVB-Spiel zu implementieren.
Welche Auswirkungen hat Sahins Transfer auf das Personal?
Die Konkurrenzsituation hat sich vor allem für Gündogan, Bender, Kehl und Moritz Leitner verschärft, wenngleich nicht dramatisch. Auch für Kevin Großkreutz und Jakub Blaszyzkowski ist der Weg in die erste Elf nicht kürzer geworden, beide könnten vor allem in einem 4-3-3 mit Sahin und einem defensiven Sechser (Kehl, Bender) auf die Bank rotieren.
Der Vorteil der zuletzt immer wieder verletzungsgeplagten Kehl und Bender ist der, dass sie die einzigen Sechser sind, deren Stärken eindeutig im Spiel gegen den Ball liegen. Es ist nicht besonders wahrscheinlich, dass Klopp bei der Besetzung des defensiven Mittelfelds künftig auf beide verzichten wird. Die Gerüchte, wonach die Borussia an Frankfurts Sebastian Rode Interesse zeigt, dürften nach dem Sahin-Transfer verstummen.
Es würde dazu nicht überraschen, sollte Leitner künftig häufiger im offensiven Mittelfeldbereich eingesetzt werden. Die Entwicklung genau beobachten wird in jedem Fall Großkreutz, der bei weniger als der Hälfte aller Vorrundenpartien in der Bundesliga von Beginn an auf dem Feld stand. Der Ur-Dortmunder befindet sich derzeit in Gesprächen über eine Verlängerung seines bis 2014 datierten Vertrages. Diese könnten sich noch etwas hinziehen, da es den Anschein hat, dass die Vorstellungen beider Parteien noch ein Stück weit auseinander liegen - eine weitere Reduzierung seiner Spielanteile würde eine Lösung nicht beschleunigen.
Großes Aber: Hält das Verletzungspech in diesem Mannschaftsteil wie in der Vorrunde an, wird kaum einer der genannten Spieler auf deutlich verringerte Einsatzzeiten kommen.
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Nuri Sahin im Steckbrief