Zwei wie Pech und Schwefel

Frank Oschwald
26. August 201612:41
Benjamin Stambouli (l.) und Nabil Bentaleb sind die neuen beim FC Schalke 04getty
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Schalke 04 schlug auf dem Transfermarkt gleich doppelt zu. Von Paris St. Germain kommt Benjamin Stambouli und unterzeichnet einen Vierjahresvertrag. Zudem wird Nabil Bentaleb von Tottenham für ein Jahr mit Kaufoption ausgeliehen. Doch wer sind die beiden Spieler überhaupt? Und was bedeuten die Neuverpflichtungen für den aktuellen Kader. SPOX stellt die Neuzugänge vor und klärt die wichtigsten Fragen.

Benjamin Stambouli

Eigentlich ist es fast schon kurios, dass der Franzose bislang nicht für die Profimannschaft von Olympique Marseille aufgelaufen ist. Er selbst wurde in der Hafenstadt geboren, bereits sein Vater Henry war Spieler, Trainer und schließlich Leiter des Nachwuchszentrums von OM. Sein Weg schien demnach schon früh vorgezeichnet. Der heute 26-Jährige entschied sich jedoch anders, obwohl er stets betont, dass Olympique "sein Verein" sei und er irgendwann das Trikot des Klubs überstreifen werde.

Doch bereits mit 14 Jahren wechselte der Franzose zum HSC Montpellier und lernte dort das Kicken von der Pike auf. Umso romantischer ist es, dass er genau an dieser Stelle seinen bislang größten Erfolg feierte. Nachdem er mit 20 Jahren einen Profivertrag unterzeichnete, wurde er 2012 an der Seite von Olivier Giroud und Younes Belhanda völlig überraschend französischer Meister. Stambouli war dabei unumstrittener Leader und Stütze des Teams.

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2014 konnte er den Lockrufen der Konkurrenz nicht entgehen und wechselte am Deadline Day zu Tottenham. Gegen die starke Konkurrenz im defensiven Mittelfeld (u.a. Nabil Bentaleb) konnte er sich dort aber nie richtig durchsetzen. Nach einem Jahr auf der Insel kam er auf lediglich 12 Ligaspiele. Der Wechsel zurück nach Frankreich folgte. SPOXspox

Dass er jedoch 2015 gerade zum in Marseille verhassten Ligakrösus PSG wechselte, stieß in seiner Heimat auf großes Unverständnis und kostete ihn unzählige Punkte auf der Beliebtheitsskala. Umso schöner war es für die OM-Fans, dass er sich auch in der französischen Hauptstadt nicht hundertprozentig zurecht fand. Gerade einmal neun Ligaspiele bestritt er über 90 Minuten, in der Champions League kam er nur zwei Mal zum Einsatz. Obwohl er meist nur Vertreter des Italieners Marco Veratti war, liest sich sein Briefkopf durch sein Jahr bei PSG dennoch inzwischen recht gut: ein weiterer Meistertitel kam hinzu, zudem gewann er den Pokal, den Ligapokal und erst jüngst den nationalen Supercup.

Mit Grzegorz Krychowiak bringt der neue PSG-Coach Unai Emery seinen Lieblingsspieler aus seiner Sevilla-Zeit mit nach Frankreich und wird den Konkurrenzkampf im Mittelfeld weiter vergrößern. Die Einsatzzeiten von Stambouli wären deshalb weiterhin gesunken. Ein Wechsel zu Schalke scheint demnach der einzig logische Schritt für den 26-Jährigen.

Stambouli, der auch in der Innenverteidigung spielen kann, gilt eher als ruhiger Vertreter. Er hat durch seine zahlreichen Stationen bereits eine unglaubliche Ruhe am Ball, Fehlpässe spielt er kaum. Sein Spiel ist für den Außenstehenden nicht sonderlich spektakulär, seinem Team hilft er jedoch extrem weiter. Im Spielaufbau ist er die zentrale Position, die den Ball von der einen auf die andere Seite verlagert. Seine Aufgabe ist es, dem offensiveren Sechser mit seiner enormen Zweikampfhärte und dem antizipativ starken Stellungsspiel den Rücken freizuhalten - genau das, was sie auf Schalke gesucht haben.

Nabil Bentaleb

Der Algerier wuchs in Frankreich in der nördlich gelegenen Stadt Lille auf und machte dort bei örtlichen Vereinen erste Schritte im Fußball. Doch bereits mit 17 Jahren wechselte er auf die Insel zu Tottenham und durchlief zunächst die Jugendmannschaften. Nur rund eineinhalb Jahre nach seiner Ankunft erhielt Bentaleb einen Profivertrag bei den Spurs. Unter Andre Villas-Boas spielte der damals 18-Jährige allerdings zunächst keine Rolle und war meist bei der U21 des Teams zu Hause.

Doch unmittelbar nach der Entlassung des Portugiesen und der gleichzeitigen Beförderung des damaligen Co-Trainers Tim Sherwood begann er, auf der Karriereleiter nach oben zu klettern. Direkt im ersten Spiel unter dem neuen Trainer kam er zu seinem Debüt in der Premier League (3:2 beim FC Southampton) und spielte sich in der Rückrunde in der Startelf fest.

Seine starken Leistungen spülten ihn im darauffolgenden Sommer zur WM. Mit Algerien bestritt er in der Vorrunde alle drei Spiele und kämpfte sich mit seinem Team ins Achtelfinale. Beim vieldiskutierten Spiel gegen Deutschland saß Bentaleb etwas überraschend allerdings auf der Bank.

Bei den Spurs folgte im nachfolgenden Jahr seine wohl beste Saison. Trotz des neuen Trainers Mauricio Pochettino war Bentaleb auf der Sechs gesetzt, machte 26 Ligaspiele und bereitete zwei Tore vor. Nach seinen ersten Gehversuchen unter Sherwood schien er angekommen in der Premier League. Doch dann verhagelten Verletzungen seinen steilen Weg nach oben.

Zunächst streckte ihn in der Saison 2015/16 eine Sprunggelenksverletzung nieder. Als er sich gerade wieder herangekämpft hatte, musste er sich einer Knie-OP unterziehen. Das führte dazu, dass er in der letzten Runde gerade einmal vier Liga-Einsätze vorweisen konnte. Alleine in der Rückrunde kam er im Januar auf eine einzige Spielminute. Bei Tottenham machten sie ihm zu Beginn der Vorbereitung recht schnell klar, dass sie nicht mehr mit ihm planen.

Auch aufgrund des zurückliegenden Seuchenjahrs gilt der Algerier, der in Jugend auch für Frankreich spielte, im Vergleich zu Stambouli als deutlich größerer Unsicherheitsfaktor. Dennoch fädelte Schalke-Manager Heidel einen guten Deal ein, indem er den Kicker zunächst für ein Jahr ausleiht, sich allerdings eine Kaufoption in Höhe von rund 20 Millionen Euro sichert. Das Risiko hält sich demnach in Grenzen.

Speziell wenn Bentaleb nach seinen Verletzungen wieder in die Spur findet, könnte er ein echter Glücksgriff werden. "Bentaleb ist ein großes Talent. Wir lassen ihn jetzt ankommen und werden ihn eingliedern. Wir müssen ihm die notwendige Zeit auch geben", erklärte Heidel, der gleichzeitig versicherte, dass der Spieler "hundertprozentig fit und gesund" sei.

Der Algerier ist für seine stattliche Größe von 1,87 Meter ein recht wendiger Spieler, der sich aus engen Situationen geschickt lösen kann. Vor allem seinen robusten Körper setzt er in den Zweikämpfen oft gut ein und sorgt somit für eine gute Ballkontrolle. Das hilft ihm dabei, sich ständig mit in die Offensive einzuschalten. Gewinnt er in der eigenen Hälfte den Ball, schaltet Bentaleb blitzschnell um und geht die Wege selbst mit. Auch im Abschluss hat er seine Qualitäten. Zwar hat er bislang noch recht wenige Tore geschossen, doch speziell in der Liga stellte er seinen starken linken Fuß schon einige Male unter Beweis.

Bedeutung für Schalke 04

Die Verwunderung auf Schalke war zunächst groß. Mit Stambouli und Bentaleb holten sich die Gelsenkirchner auf den ersten Blick zwei ähnliche Spielertypen, die beide im defensiven Mittelfeld zu Hause sind. Klar, die Position war mit Johannes Geis, Dennis Aogo und Leon Goretzka nicht überdurchschnittlich gut besetzt, doch waren tatsächlich zwei Spieler auf dieser Position nötig? Mit Thilo Kehrer und Christian Sivodedov haben die Schalker ja zudem noch zwei vielversprechende Talente im Kader.

Manager Heidel und Coach Weinziel waren sich jedoch schnell einig, dass das nicht reichen wird. Ziel der neuen Schalker Macher war es von Anfang an, auf allen Positionen doppelt - und vor allem doppelt gut - besetzt zu sein. Immer wieder betonten sie, dass ihnen mit den neuen Spielern ganz neue Optionen offen stehen. So könne man "alle Optionen auszuschöpfen", erklärte Heidel.

Speziell der defensive Mittelfeldspieler, der robust und resolut in den Zweikampf geht, habe ihnen gefehlt. "Diese Spielertypen tun uns gut. Das sind aggressive Spieler, beide haben enorme Qualität", erklärte Weinzierl. SPOXspox

Vor allem mit Stambouli bekommen die Schalker einen Musterprofi, der sich stets in den Dienst der Mannschaft stellt. Er passt aufgrund seines einwandfreien Charakters und seines unaufgeregten Spiels perfekt ins neue Bild der Königsblauen. Im neuen System von Weinzierl könnte er den defensiven Part im defensiven Mittelfeld übernehmen und an der Seite des jungen Partners die leitenden Hand darstellen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er nach der Verletzung von Goretzka direkt zu Beginn in der Startelf steht und Aogo im Vergleich zum Pokal auf die Bank muss.

Bentaleb scheint im Vergleich zu Stambouli eher ein Spieler für die Zukunft zu sein. Nach seinen zahlreichen Verletzungen muss sich der 21-Jährige wohl zunächst wieder Wettkampfhärte aneignen. Sollte er diese jedoch schnell bekommen, kann er für Schalke mit seinen offensivem und hier und da etwas unpragmatisch wirkendem Spielstil für die nötigen Akzente in der Offensive sorgen. Er bildet den perfekten und etwas offensiveren Partner zu Stambouli. Bei Tottenham in der Saison 2014/15 stellten die beiden Akteure dies bereits unter Beweis. Die sieben Spiele, die sie gemeinsam bestritten, gewannen die Spurs allesamt. Bei Schalke führen ihre Wege nun wieder zusammen.

Inwiefern die Neuverpflichtungen die Hierarchie im neuen Schalker System über den Haufen schmeißen werden, muss sich zunächst zeigen. Fixpunkt Geis ist in der Anfangsphase der Saison wohl trotz der Neuverpflichtungen erstmal gesetzt. Dennoch wird er sich behaupten müssen und könnte bei einem entsprechenden Gegner auch mal auf der Bank landen. Mit Stambouli, Bentaleb und Goretzka lauern dahinter drei Spieler, die zunächst auf einem Level starten. Da alle einen unterschiedlichen Spielstil haben, hat die Weinzierl die Qual der Wahl. Genau das, was sie auf Schalke wollten.

Schalke 04 im Überblick