"Da ist einiges nicht optimal gelaufen"

Jochen Tittmar
24. Januar 201713:30
Stefan Reuter ist seit 2012 Manager des FC Augsburggetty
Werbung
Werbung

Seit etwas mehr als vier Jahren arbeitet Stefan Reuter nun schon als Manager beim FC Augsburg. Der Weltmeister von 1990 etablierte den FCA in der Bundesliga und zog mit dem Verein erstmals in der Klubgeschichte in den Europapokal ein. Im Interview spricht Reuter über Alltag und Erfahrungen in seiner langen Phase außerhalb des Profigeschäfts, die Zeit im Management bei Borussia Dortmund und dem TSV 1860 München sowie die Probleme mit den Trainern Markus Weinzierl und Dirk Schuster.

SPOX: Herr Reuter, als Sie im Februar 2009 nach drei Jahren beim TSV 1860 München Ihr Engagement beendeten, dauerte es vier Jahre, bis Sie wieder als Manager einstiegen und beim FC Augsburg unterschrieben. Dort sind Sie nun ebenfalls seit vier Jahren im Amt. Welche Zeitspanne verging denn schneller?

Stefan Reuter: Gute Frage. Ich glaube, dass die Zeit ohnehin sehr schnell verrinnt, weil man in diesem Fußball-Kosmos permanent mit vielen Dingen beschäftigt ist. Ich wundere mich immer: Wo ist all die Zeit hin? (lacht) Langeweile hatte ich zumindest schon eine Weile nicht mehr. Denn auch in den vier Jahren zwischen 1860 und dem FCA gab es ständig neue Projekte zu betreuen, wodurch ich mich wohlgefühlt habe.

SPOX: Sie haben in dieser Zwischenzeit bei der Sportmarketingagentur mmsports gearbeitet und neuartige Spielfelder, Naturrasen gemischt mit Kunstfasern, verkauft. Wie hat man Sie dazu überredet?

Reuter: Das musste man gar nicht. Diese Sache kam über Kontakte aus der Sportszene zustande. Wir haben damals den Vertrieb in Deutschland, Österreich und der Schweiz aufgebaut. Ich bin auch immer mal wieder nach England geflogen, um die dort lange etablierte Rasen-Kultur kennen zu lernen. Ich habe mir Plätze angeschaut und mich mit Greenkeepern oder Managern über die Vor- und Nachteile der Rasenflächen ausgetauscht. Das war eine rundum spannende Geschichte.

SPOX: Haben Sie nach Ihrem Aus bei 1860 gedacht, dass Sie einmal einen solchen Job machen würden?

Stefan Reuter ist seit 2012 Manager des FC AugsburggettyReuter: Das würde niemals eine Aufgabe sein, die mich komplett ausfüllt. Es ist eher ein Teil, der zu meinem jetzigen Job auch irgendwo dazu gehört. Rückblickend kann man sagen, dass ich die Zeit, in der ich nicht in diesem Tagesgeschäft arbeitete, dazu genutzt habe, Ideen und Gedanken anzusammeln. Ich habe in dieser Phase auch sehr viele Spiele gesehen und mich mit zahlreichen Menschen aus der Branche unterhalten. Ich wollte den Draht zur Liga nicht verlieren.

SPOX: Sie sprachen eben von Projekten. An welchen weiteren haben Sie zu diesem Zeitpunkt noch gearbeitet?

Reuter: Wir waren auch beratend für Fußballvereine tätig. Es kommt immer wieder vor, dass die Klubs nach Rat oder Hilfestellungen suchen. Wir haben uns dann mit Juristen und Sportrechtlern der Vereine ausgetauscht. Das wurde nie an die große Glocke gehängt, denn Beratung ist dann am effektivsten, wenn sie im Hintergrund stattfindet. Ich habe letztlich nie die Seite gewechselt. Es gab einige Angebote, in die Spielerberater-Branche zu gehen. Das habe ich jedoch immer abgelehnt, da mir klar war, dass ich langfristig wieder bei einem Verein richtig einsteigen möchte.

SPOX: Gab es nach der Zeit bei den Löwen keine Angebote?

SPOX-Redakteur Jochen Tittmar traf Stefan Reuter im Augsburger Trainingslager in MarbellaspoxReuter: Doch. Für mich war allerdings die Zeit reif, um vieles zu reflektieren und mir Gedanken zu machen. Was möchte ich künftig anders machen, welche Fehler habe ich begangen, wie funktioniert ein Unternehmen am besten, welche Vereinsstrukturen sind sinnvoll? Danach wurde mir absolut klar, wie es künftig für mich persönlich aussehen muss, um bei einem Angebot davon überzeugt zu sein, dass es auch erfolgreich wird. Ich wollte Abstand gewinnen und das geht nicht von heute auf morgen. Anfragen oder Angebote müssen am Ende auch zur aktuellen Lebenssituation passen. In Augsburg ist das sehr gut, denn meine drei Kinder leben in München. Das sind alles Dinge, die rund um eine Entscheidung zusammenkommen können.

SPOX: Wie sah Ihr Alltag als Rasen-Verkäufer aus?

Reuter: Ich war viel im Auto unterwegs. Ich habe häufig die Dinge nebeneinander geplant, so dass ich einerseits viele Spiele anschauen und andererseits das Rasen-Geschäft vorantreiben konnte. Damals blieb auch noch genügend Zeit für Privates. Das war ein Luxus, wenn man das mit heute vergleicht. Nun ist es weitaus schwieriger, sich Freiräume zu schaffen.

SPOX: Hätten Sie gedacht, dass zwischen Ihren beiden Management-Aufgaben im Fußball eine derart lange Pause liegen könnte?

Watzke: "Ich habe Hoeneß nicht vermisst"

Reuter: Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht. Es gab Anfragen noch im selben Monat, als ich bei 1860 aufhörte. Ich hätte oft die Chance gehabt, wieder irgendwo einzusteigen. Mir war aber klar, dass ich zunächst einmal eine Pause einlegen werde. Im Nachhinein bin ich davon überzeugt, richtig entschieden zu haben. In Augsburg bin ich völlig frei und hoch motiviert angetreten, denn ich halte es für sehr entscheidend, einen solchen Job zu 100 Prozent zu leben.

SPOX: In München wurde Miroslav Stevic nach Ihnen zum Sportdirektor ernannt, doch man bot auch Ihnen einen neuen Vertrag an. Weshalb war das für Sie nicht hinnehmbar?

Reuter: Im Verein wurde der Weg der Geschäftsführung, zu der ich gehörte, nicht vollumfänglich mitgegangen. Ich war daher nicht bereit, Dinge zu tun, von denen ich nicht überzeugt war. Im Nachhinein wurde meine Entscheidung auch mehr als bestätigt.

SPOX: Gab es einen bestimmten Zeitpunkt, an dem Ihnen klar wurde, wieder in den Fußball einsteigen zu wollen?

Reuter: Klar war mir das schon immer. Es war eine Frage der Zeit. Ich war nie komplett weg und hatte keinerlei Befürchtungen, vom Radar zu verschwinden. Und selbst wenn das passiert wäre, hätte ich andere Dinge gemacht, die mir Spaß machen. Ich kenne keine Langeweile.

SPOX: Sie haben unmittelbar nach dem Ende Ihrer aktiven Spielerkarriere 2004 bei Borussia Dortmund im Management assistiert. Zudem sind Sie Inhaber aller Trainerscheine. Weshalb hat sich das Management durchgesetzt?

Reuter: Dieses Gefühl hat sich noch während meiner Zeit als Spieler immer mehr manifestiert. Ich habe mich schon damals viel mit dem Thema Management beschäftigt und wollte wissen, weshalb und wie welche Entscheidungen getroffen wurden. Das hat mich einfach interessiert. Ich wurde auch als Spieler häufig in Entscheidungsprozesse meiner Vereine eingebunden und habe somit schon eine gewisse Lehrphase durchlaufen. Davon profitiere ich heute noch enorm. Diese Art von Wissen kann sich ein Externer kaum aneignen.

SPOXspoxSPOX: Der BVB befand sich damals in einer großen wirtschaftlichen Krise. Sie blieben letztlich nur ein halbes Jahr und kündigten Ihren Vertrag. Was waren die Gründe dafür?

Reuter: In Dortmund waren die Dinge ganz anders geplant und besprochen. Ich sollte zu einem späteren Zeitpunkt Nachfolger der Geschäftsführung um Gerd Niebaum und Michael Meier werden und in diese Aufgaben hineinwachsen. Letztlich hat sich das alles anders entwickelt, kurze Zeit später waren Niebaum und Meier - meine beiden Hauptansprechpartner im operativen Geschäft - auch nicht mehr im Verein. Die Themen, die wir ursprünglich besprachen, waren damit obsolet.

Erlebe die Highlights der Bundesliga auf DAZN. Hol Dir jetzt Deinen Gratismonat

SPOX: Sie haben insgesamt zwölf Jahre für Schwarzgelb gespielt, Dortmund war Ihre längste Station. Der finale Abschied fiel jedoch etwas leise aus. Sie haben dort auch keinen fest zementierten Legendenstatus wie andere. Bedauern Sie das?

Reuter: Überhaupt nicht. Ich muss nicht die größte BVB-Legende sein. Ich hatte dort einen gigantischen Abschied als Spieler, der war sensationell. Es ist für mich weiterhin sehr schön, nach Dortmund zu kommen. Ich kenne dort noch sehr viele Menschen und bin permanent am Händeschütteln. (lacht)

Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.comSPOX: Zwischen dem Ende in Dortmund und dem Beginn bei 1860 lag ein knappes Jahr. Was haben Sie da genau gemacht?

Reuter: Ich wollte mich neu orientieren und habe mir zunächst einmal überlegt, wo ich künftig unabhängig von einem Job leben möchte. Ich bin dann wieder in den Süden in Richtung meiner Heimat gezogen. Dort habe ich mich im Grunde auf die Aufgabe im Management weiter vorbereitet. Ich habe wieder die Schulbank gedrückt und mich teilweise wie bei einem Crashkurs unterrichten lassen. Es war mir wichtig, mich wirtschaftlich weiterzubilden und im Detail zu wissen, wie beispielsweise eine Bilanz auszusehen hat.

SPOX: In Augsburg sind Sie nun seit Ende Dezember 2012 und haben mitgeholfen, den Verein in der Bundesliga zu etablieren. Wissen Sie noch, wie der erste Kontakt zum FCA zustande kam?

Der Spieltag in Zahlen: Jetzt bewiesen: Hoffe wird Meister!

Reuter: Ganz klassisch: Ich wurde angerufen und gefragt, ob ich für ein Gespräch bereit stünde. Ich war zu dieser Zeit auch immer mal wieder in Augsburg im Stadion und es hat mir dort stets gefallen. Ich habe bei den Gesprächen schnell festgestellt, dass mich das wirklich reizen könnte. Zwei Tage später war der Vertrag unterschrieben und ich war wieder drin in der Mühle.

SPOX: Wenn Sie den damaligen Manager Reuter mit dem heutigen vergleichen, worin bestehen die größten Unterschiede?

SPOXReuter: Das ist schwer zu bestimmen. Erfahrung ist am Ende unbezahlbar, darauf würde ich es reduzieren. Man muss sich klar darüber sein, wie die Dinge zu laufen haben. Ich finde, dass wir auch bei 1860 sehr erfolgreich waren. Gerade wenn man bedenkt, mit welch geringen finanziellen Mitteln wir eine Mannschaft zusammengestellt haben, deren Spieler heutzutage fast allesamt höherklassig spielen. Wenn der Kader von damals nur annähernd zusammengeblieben wäre, dann kann sich jeder ausmalen, wie die Löwen heute stehen könnten.

SPOX: In Augsburg hielten Sie anfangs lange an Markus Weinzierl fest. Das gab Ihnen auch langfristig gesehen Recht. Im Sommer trennten sich jedoch die Wege - und das alles andere als geräuschlos. Hat es Sie überrascht, dass das Ende plötzlich so unwürdig ablief?

Reuter: Das schon. Es wird aber immer so dargestellt, als ob es riesige Unstimmigkeiten zwischen mir und Markus gegeben hätte. Sein Abgang war sicherlich unglücklich, aber die ganze Geschichte wird mir seitdem zu sehr dramatisiert. Da ist einiges nicht optimal gelaufen und jeder hat die Dinge etwas anders gesehen. Man muss sich jedoch auch immer in die Lage des Gegenüber versetzen. Wir schätzen uns nach wie vor, ich habe auch Kontakt zu ihm und seinem gesamten Trainerstab.

SPOX: Sie haben daraufhin in Dirk Schuster Ihren ersten Trainer für Augsburg verpflichtet. Fünf Monate später war die Zusammenarbeit allerdings schon wieder beendet. Welchen Fehler kreiden Sie sich bei dieser Personalie an?

Ancelotti ist nach dem Vidal-Ausfall in der Pflicht

Reuter: Für uns ist es eminent wichtig, eine klare Philosophie zu haben und konsequent vorzugeben, wofür der Verein steht. Das hat sich unter Dirk Schuster anders entwickelt, als wir uns das gedacht und es teils besprochen hatten. Am Ende hat es nicht optimal zusammengepasst.

SPOX: Der FCA hat sich 2014/2015 sensationell zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte für das internationale Geschäft qualifiziert, kämpft jedoch in jedem Jahr um die Zugehörigkeit zur Bundesliga. Angesichts der vor allem finanziellen Entwicklungen im Fußball könnte die Schere in Zukunft immer weiter auseinander gehen. Welche Befürchtungen hat man in dieser Hinsicht in Augsburg?

Reuter: Es bleibt für uns nicht aus, sich ständig mit Zukunftsgedanken auseinander zu setzen. Auch wir haben Jahr für Jahr unser Budget erhöht und uns auf diesem Gebiet weiter entwickelt. Wir haben in den letzten Jahren enorm in den Nachwuchs investiert. Unserer Überzeugung nach können eigens ausgebildete Spieler sehr wichtig für den Verein werden. So langsam trägt das auch erste Früchte. Dies soll langfristig ein wichtiger Baustein sein, um einerseits Gelder und andererseits sportliche Qualität zu generieren, damit wir auch in Zukunft die Perspektive Bundesliga bieten können.

Alle News zum FC Augsburg