Thesen zum 33. Bundesliga-Spieltag: Das Hertha-Drama braucht den Ur-Magath

Stefan Rommel
09. Mai 202212:02
SPOXgetty
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Warum Robert Lewandowski als Torschützenkönig nicht auch der gefährlichste Angreifer der Liga ist, warum sich Hoffenheim gleich doppelt grämen muss und warum jetzt der klassischste Magath gefragt ist? Die Thesen des Spieltags klären auf.

Patrik Schick ist der beste Torjäger der Saison

Robert Lewandowski wird sich auch in dieser Saison wieder die Torjägerkanone krallen, der Pole steht nach seiner Fabel-Saison zuletzt nun schon wieder bei 34 Toren und damit uneinholbar vor Patrik Schick (24) und Erling Haaland (21).

Allerdings stand Lewandowski dabei auch deutlich länger auf dem Platz als seine Kontrahenten, die immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen hatten und zehn (Haaland) oder sieben (Schick) Spiele komplett verpassten. Lewandowski dagegen kein einziges.

Aber während Haaland nach seinen Verletzungen immer auch ein paar Anlaufschwierigkeiten zeigte und zuletzt "nur" in den beiden Spielen gegen Wolfsburg (6:1) und mit seinem Dreierpack beim 3:4 gegen Bochum für Aufsehen sorgte, schießt Schick seit Wochen beständig Tor um Tor und Bayer damit fast im Alleingang in die Königsklasse.

Und das fast ohne Elfmetertreffer. Lewandoweski und Haaland stehen bei fünf Toren vom Punkt, Schick nur bei einem (aus zwei Versuchen). Der Wert des Spielers für seine Mannschaft in dieser Saison war enorm, Schicks Quote mit 24 Toren aus nur 26 Spielen herausragend und umgerechnet auf die benötigten Spielminuten pro Tor ist der Tscheche sogar ebenso Spitze in der Liga wie beim Verhältnis der Tore zu den Torschüssen.

Lewandowski steht bei unglaublichen 135 Torschüssen, also mehr als vier pro Partie. Schick kommt nur auf deren 87. Rechnet man weiche Faktoren wie den Unterschied der Spielstärken der Bayern und Leverkusens ein sowie Schicks immer wieder unterbrochenen Spielrhythmus, könnte man konstatieren: Der gefährlichste Torjäger der Saison spielt für Bayer Leverkusen.

Florian Grillitsch wird Hoffenheims schlimmster Verlust

Am Samstag wurde Florian Grillitsch vor dem Spiel gegen Leverkusen offiziell verabschiedet. Der Österreicher wird seinen am 30. Juni auslaufenden Vertrag nicht mehr verlängern und nun quasi mit einem Jahr Verzögerung Abschied nehmen.

Bereits im letzten Sommer wollte Grillitsch gehen, nun ist die Entscheidung endgültig - und für Hoffenheim der schlimmste Verlust überhaupt. Zum einen, weil die Kraichgauer für Grillitsch nun keinen Euro mehr sehen, der Spieler kann sich ohne Ablöse einem neuen Klub anschließen.

Damit tanzt Grillitsch aus der Reihe, in den letzten Jahren ist es Hoffenheim immer wieder gelungen, für seine Top-Spieler auch Top-Preise aufrufen zu können. Joelinton, Roberto Firmino oder Kerem Demirbay: Allein dieses Trio spülte bei seinem Verkauf fast 120 Millionen Euro in die Kasse.

Und zum anderen wird bald der Ankerspieler der Mannschaft fehlen. Grillitsch flog als Sechser immer ein wenig unter dem Radar in der Liga, dabei gehört er auf seiner Position oder als zentrales Glied der Abwehrkette zu den Top-Spielern der Liga.

Sehr vieles im Hoffenheimer Spiel war um den 26-Jährigen herum aufgebaut und nun wird es spannend sein zu sehen, wie Trainer Sebastian Hoeneß den Verlust des Spielers auffangen wird, ob er an den Abläufen bastelt oder "einfach" einen vermeintlich adäquaten Grillitsch-Ersatz einbauen wird.

Sheraldo Becker ist eine der Entdeckungen der Saison

Es gibt viele Spieler, die für den Fußball des 1. FC Union stehen: Christopher Trimmel mit seinen Standards, Rani Khedira mit seiner Robustheit, Taiwo Awoniyi mit seiner enormen Körperlichkeit.

In den letzten Wochen, eigentlich schon in der gesamten Rückrunde, hat sich aber Sheraldo Becker immer wieder in den Vordergrund gespielt.

Ein Spieler, der nicht immer unumstritten war in Berlin, dem das Format für die Bundesliga in Abrede gestellt wurde und der nun wie kaum ein anderer durchstartet in der Endphase einer Saison, die für Union mit der Qualifikation für die Europa League enden könnte.

Becker spielt schnell, geradlinig, schnörkellos, effizient und steht damit in den letzten Wochen stellvertretend für den Berliner Aufschwung, der nach einem Durchhänger zu Beginn der Rückrunde so nicht mehr zu erwarten war. Das hat auch mit Max Kruse zu tun und dessen Abgang. Seitdem darf sich Becker als eine Art zweiter Spitze um Awoniyi herum freier bewegen und sich austoben.

Mit dem Frühling kam deshalb auch Union wieder, ist mit 16 von 18 möglichen Punkten aus den letzten sechs Spielen die Mannschaft der Stunde in der Liga und Becker mit fünf Scorerpunkten der gefährlichste Berliner Angreifer.

Das Hertha-Drama braucht den Ur-Magath

Es hätte alles so einfach sein können für Hertha BSC, ein Heimsieg oder wenigstens ein Punkt gegen Mainz oder aber die eigentlich erwartbare Stuttgarter Niederlage bei den Bayern: Es waren genug Möglichkjeiten da, die Saison schon einen Spieltag vor dem Ende zum versöhnlichen Abschluss zu bringen.

Nun aber sieht es so aus, dass die Hertha plötzlich doch wieder auf Rang 16 abstürzen könnte. Immerhin haben es die Berliner selbst in der Hand, die Relegation zu verhindern und damit die deutlich komfortablere Ausgangsposition als Kontrahent Stuttgart.

Und die Berliner haben den ungekrönten Meister des Abstiegkampfes an der Seitenlinie stehen, einen Mahner und irgendwie auch Visionär: Felix Magath war es, der immer wieder gewarnt hatte und sich "auf den schlechtesten Fall" vorbereite. Und der heißt: Relegation.

Beim Spiel in Dortmund am letzten Spieltag reicht der Hertha ein Remis, um sich unabhängig zu machen vom Ergebnis der Stuttgarter gegen Köln. Diese Ausgangslage und Magaths Kritik an seiner Mannschaft nach dem Mainz-Spiel, in der der Trainer zu viel leichten Fußball geißelte und die nötige Zweikampfhärte und Defensivstärke vermisste, lassen nur einen Schluss zu: Hertha BSC wird mit Magath-Fußball der ganz alten Schule auf die Jagd nach dem Remis gehen.

Der Trainer dürfte in taktischer Hinsicht kaum überraschen und sehr die elementaren Bausteine des Fußballs herausstellen. Also genau das forcieren, was die Mannschaft unter seiner Anleitung zumindest einigermaßen stabilisiert hat - und was Magath wie nur wenige andere seiner Zunft kann.