Uli Hoeneß feiert am 5. Januar seinen 70. Geburtstag. Zu diesem Anlass sprach der Ehrenpräsident des FC Bayern im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) über seine Zeit im Gefängnis, seine Karriere, BVB-Star Erling Haaland und FCB-Coach Julian Nagelsmann.
Hoeneß äußerte sich außerdem zur anstehenden Geburtstags-Feier, seine Abmachung mit Timo Hildebrand und die großen Konflikte während seiner Laufbahn. Zuvor hatte sich Hoeneß bereits im Gespräch mit der dpa zu Wort gemeldet.
Uli Hoeneß über...
... seinen Gesundheitszustand:
"Meinem Knie könnte es besser gehen, ansonsten bin ich zufrieden. Ich spiele Golf, fahre Rad, sitze auf dem Hometrainer - nur joggen geht nicht mehr, und das fehlt mir. Ein Freund bekommt jetzt ein künstliches Kniegelenk, er wird von einem Roboter operiert. Wenn das gut geht, muss ich mir das auch mal überlegen."
... seine Zeit mit der Familie:
"Früher bin ich immer um halb acht, acht aus dem Haus und spät zurückgekommen. Das hat sich schon geändert. Aber Corona hält ja leider nicht vor der Familie an. Über Weihnachten waren alle da - meine Tochter und ihr Mann mit den zwei Kindern aus Ottobrunn, mein Sohn mit seiner Frau und ihren zwei Kindern aus Nürnberg. Aber sonst ist es im Moment schwierig, sich zu treffen. Solange das so ist, werden wir uns weiter sehr zurückhalten. Wir waren auch seit zwei Jahren nicht mehr im Urlaub oder in unserer Wohnung in der Schweiz."
... die Tumulte bei der Jahreshauptversammlung:
"Wir sind uns alle einig, dass die Veranstaltung nicht gut gelaufen ist. Vielleicht hätte man im Vorfeld versuchen sollen, die kritischen Punkte klarer anzusprechen. Man hatte aber eine juristische Grundlage, dass das Landgericht den Katar-Antrag nicht akzeptiert hatte. Allerdings war ein großer Teil der Mitglieder an diesem Abend nur deshalb gekommen, um das zu thematisieren. Dass wir am Anfang der Versammlung Erfolge und Zahlen präsentiert haben, von denen gerade in der Corona-Zeit andere Vereine nicht einmal träumen können, hat niemanden interessiert. Da habe ich mir schon auch gedacht: Was ist denn hier los? Es ist sicher nicht alles schlecht am FC Bayern. Ganz im Gegenteil."
... den Sponsoring-Vertrag mit Qatar Airways:
"Ich persönlich wäre dafür, den Vertrag zu verlängern. Allerdings nur, wenn wir das Gefühl haben, dass wir einen Beitrag leisten, dass sich die Dinge vor Ort verbessern. Meiner Meinung nach verbessert sich nichts, wenn man solche Kooperationen einstellt. Wenn der FC Bayern nicht mehr nach Katar fährt, wenn dort die Fußball- und Handball-WM und kein Tennisturnier mehr stattfinden, steht das Land nicht so im Fokus. Ich war in Katar - anders als die meisten Kritiker. Und ich habe den Eindruck, dass man uns dort zuhört. Die Gespräche, die wir dort führen, sind kontrovers und kritisch - und konstruktiv. Dass die Bedingungen dort noch nicht so gut sind, wie sich das viele vorstellen, weiß ich auch. Katar ist an vielen großen deutschen Wirtschaftsunternehmen beteiligt. Wir haben vor dieser Partnerschaft mit der Bundesregierung gesprochen, die zu Beziehungen zu Katar aufgerufen hat. Neulich habe ich eine Studie von einem der größten deutschen Wirtschaftsbosse vorgelegt bekommen, laut der nur sieben Prozent der Länder Menschenrechte haben, wie es sich die meisten vorstellen. Wenn man mit Katar nicht mehr zusammenarbeiten kann, träfe das auf 93 Prozent der Länder zu. Dann hast du gegen Manchester City, Paris und demnächst Newcastle keine Chance mehr. Dann brauchen wir international nicht mehr mitzuspielen."
... das schwierige Loslassen beim FC Bayern:
"Ich habe vielleicht am Anfang den Fehler gemacht zu glauben, dass ich noch präsent sein und helfen muss. Es gab zwischenzeitlich etwa unsägliche Angriffe auf Hasan Salihamidzic, da kannst du nicht nur vom Tegernsee aus unterstützen. Auch Herbert Hainer fragt mich um meine Meinung - ich war ja hauptverantwortlich, ihn zu überzeugen, das Amt des Präsidenten zu übernehmen. Aber im Laufe der inzwischen über zwei Jahre habe ich auch gelernt, dass es besser ist, weniger präsent zu sein - und das konsequent umgesetzt. Karl-Heinz hat das schneller als ich hinbekommen."
... Julian Nagelsmann:
"Wir hatten bereits mit Hansi Flick große Erfolge und einen sehr guten Trainer. Aber Julian legt hier trotz seines jungen Alters eine ausgezeichnete Performance hin. Das hätte man in der kurzen Zeit nicht unbedingt erwarten können. Es sieht fast so aus, als wäre er schon zehn Jahre bei uns. Er hat viele Spieler noch verbessert. Was ich ihm sehr hoch anrechne: Das gilt vor allem für viele junge Spieler, denen er das Gefühl gibt, dazuzugehören. Früher wurde mir teilweise zu früh nach neuen Spielern gerufen. Das habe ich bei Julian noch nie gehört. Das tut dem FC Bayern sehr gut."
... die internationale Konkurrenz:
"Ich kann mich nicht erinnern, dass Paris oder Manchester City jemals die Champions League gewonnen hätten - der FC Bayern durchaus. Wir respektieren deren tolle Leistung - Pep Guardiola macht bei City einen super Job, Paris spielt sehr guten Fußball - aber wir sind sportlich absolut in der Lage, mitzuhalten. Ich weiß allerdings nicht, wie das in ein paar Jahren aussieht. Das hängt unter anderem auch stark von der Pandemie ab."
... Erling Haaland:
"Also eines ist sicher: dass Erling Haaland jeder Mannschaft der Welt gut zu Gesicht stünde. Das ist gar keine Frage. Und wenn wir Robert Lewandowski nicht hätten, Gott sei Dank haben wir ihn, müsste sich der FC Bayern sicher mit Haaland beschäftigen. Aber Robert wird mindestens noch drei, vier Jahre auf so hohem Niveau spielen können. Und da wäre der FC Bayern ja mit dem Klingelbeutel geschlagen, wenn er Robert fortschicken und um jeden Preis Erling Haaland holen würde. Ich kann nur voll unterstützen, wenn unsere Verantwortlichen sagen, dass sie auf Robert setzen. Das hat aber nichts damit zu tun, dass man Haaland höchste Wertschätzung entgegenbringen darf."
... seine Karriere:
"Ich habe alles erreicht. Ich habe als Spieler alles gewonnen, auch als Manager und Präsident, über 60 Titel. Aber ich bin überhaupt kein Statistiker. Bei mir zu Hause finden Sie keinen Hinweis auf meine Karriere. Da gibt es ein Foto von Pep und mir: Lieber Uli, für immer dein Freund, Pep. In der Küche, das ist alles. Was mich mit großem Stolz erfüllt: Wenn ich daran denke, wie ich den Verein mit 27 Jahren übernommen habe. Elf Millionen Mark Umsatz, sieben Millionen Schulden, 8000 Mitglieder, ein Olympiastadion, wo es um diese Jahreszeit unangenehm war, auf der Gegentribüne zu sitzen. Jetzt haben wir über 300.000 Mitglieder und die Allianz Arena, demnächst den SAP Garden für unsere Basketballer. Da habe ich einen großen Beitrag geleistet, schwierige Dinge umgesetzt. Da gab es richtige Kämpfe, mit OB Christian Ude und auch mit Edmund Stoiber, mit dem ich ja eigentlich gut befreundet bin. Es ging damals um die Frage, ob das Olympiastadion umgebaut oder die Allianz Arena gebaut wird - da musste ich ihm leider sagen: Vergiss nicht, der FC Bayern hat mehr Fans als die CSU Wähler - und die wollen alle unbedingt ein echtes Fußballstadion haben!"
... Lob für den FCB aus der Politik:
"Markus Söder hat mal gesagt: Wenn es dem FC Bayern gut geht, geht es dem Land Bayern gut. Das ist ein sehr schöner Satz - zumal von einem Nürnberg-Fan. Oder Heinrich von Pierer, der frühere Siemens-Chef und ein guter Freund, der hat mal erzählt, dass er in China beim Ministerpräsidenten war und ihm ein Geschenk machen wollte. Bringen Sie uns den FC Bayern nach Peking, hat der gesagt. Das sind Geschichten, die einen stolz machen."
... seine Steuerhinterziehung:
"Ich habe einen riesen Fehler gemacht, zu dem ich stehe. Ich bin damals nach diesem Urteil nach einer langen Nacht der Diskussionen mit meiner Familie bewusst nicht in die Revision gegangen und habe mich dann im Gefängnis nach Ansicht der zuständigen Leute vorbildlich verhalten und dadurch die Halbstrafe bekommen. Das wäre nie der Fall gewesen, wenn ich mir auch nur die kleinste Kleinigkeit hätte zu Schulden kommen lassen, wenn das Blatt nicht blütenweiß gewesen wäre - die Halbstrafe kriegen in Bayern nur drei Prozent der Häftlinge. Ich war eindreiviertel Jahre weg und habe für meinen Fehler gebüßt."
... die Folgen der Haft:
"Ich habe in dieser Zeit ein paar wenige Freunde verloren, aber auch viele neue gewonnen. Ich habe etwa 5000 Briefe in meine Zelle bekommen, teilweise von Leuten, von denen ich das nicht erwartet hätte, auch von unglaublich vielen fremden Menschen. Was hat das mit mir gemacht? Ich habe große Demut darüber empfunden, wie das Leben so sein kann. Ich habe gelernt, mich über Kleinigkeiten zu freuen, mit ganz Wenigem Glücksmomente zu erleben. Ein Vollzugsbeamter hat mir mal eine Butterbrezn geschenkt, das war ein Luxusgut."
... Angst im Gefängnis:
"Angst hatte ich vorher, weil man ja hört, dass im Gefängnis immer mal was passiert, dass es Auseinandersetzungen gibt. Aber ich wurde sehr korrekt behandelt. Aber ich hatte auch schwierige Zeiten, da wurden Kugelschreiber eingeschleust, die eine Kamera drin hatten, um mich zu fotografieren. Einer der Gefangenen hat mich nackt unter der Dusche fotografiert und versucht, das Material an Zeitungen zu verkaufen."
... positive Sozialkontakte im Gefängnis:
"Ich habe dort Geld verdient, 2,21 Euro die Stunde, und hatte damit etwa 100 Euro pro Monat Geld zum Einkaufen. Die anderen, die nicht gearbeitet haben, hatten weniger. Wenn sie ein Olivenöl gebraucht haben für ihren Tomatensalat, habe ich ihnen aushelfen können. Meine 100 Euro waren immer weg, obwohl ich selbst nicht mal die Hälfte gebraucht habe."
... die großen Konflikte:
"Die großen Konflikte waren mit Christoph Daum, Willi Lemke und zuletzt mit Paul Breitner. Die sind alle ausgeräumt, das freut mich sehr. Auch mit Karl-Heinz Rummenigge - das war ja keine große Problematik, aber solange wir hier zusammengearbeitet haben, gab es die eine oder andere Reiberei. Da ist alles in Ordnung."
... die Feier zu seinem 70. Geburtstag am 5. Januar:
"Wir feiern nur mit der Familie. Wir machen zu Hause ein schönes Essen. Ich hatte vor, ein Fest mit 100, 150 Leuten mit der Kabarettistin Monika Gruber zu machen, weil ich den Gästen was zu lachen bieten wollte - auch wenn die aus dem Rheinland oder Hamburg bei Monika nicht immer alles verstehen würden. Aber das ist wegen Corona leider nicht möglich. Ich hoffe, dass wir im Juni, wenn meine Frau auch 70 wird, ein großes Fest machen können."
... das Essen bei Timo Hildebrand:
"Mit Timo Hildebrand habe ich telefoniert, ich werde ihn auf jeden Fall in Stuttgart in seinem Restaurant besuchen, er hat meine feste Zusage. Ich habe ja auch gar kein Problem mit vegetarischem oder veganem Essen. Jeder soll seine Wurst essen - und mir meine lassen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die vegetarische nicht unbedingt so gesund ist, wie viele tun. Und ich möchte, dass alle, die anders denken, mir meine Meinung lassen. Das muss in einer Demokratie möglich sein. An der Querdenkerszene stört mich zum Beispiel auch, dass diese Leute nicht bereit sind, andere Meinungen zu akzeptieren, das aber von den anderen erwarten. Ich lasse anderen ihre Meinung."
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