Er singt, spielt Gitarre, kocht, modelt regelmäßig und ist ganz nebenbei statistisch gesehen der beste Torwart der Bundesliga: Yann Sommer ist eines der Gesichter des Aufschwungs bei Borussia Mönchengladbach. Angeführt vom starken Schweizer Schlussmann sind die Fohlen klar auf Champions-League-Kurs.
Im exklusiven Interview mit SPOX und Goal erklärt Sommer den Höhenflug der Borussia und verrät, warum Alassane Plea genau der Spieler war, den die Elf vom Niederrhein im Sommer gebraucht hat. Außerdem spricht er über seine Hobbys und Kreativität im Torwartspiel.
Yann, Sie sind seit mehr als zehn Jahren Profi und spielen seit fast fünf Jahren bei der Borussia. Was wäre aus Ihnen geworden, wenn es nicht für die Profikarriere gereicht hätte?
Yann Sommer: Schwierige Frage, die ich mir schon häufiger gestellt habe. Aber ich kann sie wirklich nicht beantworten. Ich war auf Sportschulen und habe schon meine schulische Laufbahn komplett auf den Fußball ausgerichtet. Dort hatte ich viel Zeit, um zu trainieren, was zur Folge hatte, dass meine schulischen Leistungen ein bisschen gelitten haben. Dafür lief es aber im Sport ganz gut. (lacht)
Wenn Sie nicht gerade auf dem Platz stehen, kochen Sie gern oder machen Musik. Hobbys, die nicht gerade denen eines klassischen Fußballprofis entsprechen.
Sommer: Beides ist ein toller Ausgleich zum Fußball. Sowohl im Tor als auch beim Kochen brauche ich sehr viel Ruhe. Gerade beim Kochen kann ich gut abschalten und die Sorgen des Fußballeralltags vergessen. Musik hilft, mit anderen Leuten zusammenzukommen. Man führt andere Gespräche und erweitert den Horizont.
Zusätzlich haben Sie Modeljobs und interessieren sich für Mode. Wie viel Raum bleibt da in Ihrer Freizeit für Fußball?
Sommer: Wenn beispielsweise gute Spiele in der Champions League anstehen, schaue ich sie mir gern an, aber generell versuche ich, mich in meinem Privatleben nicht mit Fußball zu beschäftigen. Ich möchte meine Freizeit anders nutzen, weshalb ich längst nicht jedes Spiel verfolge.
Gerade Ihre Leidenschaft für Musik beweist, dass Sie eine kreative Ader haben. Wie können Sie diese Kreativität als Torhüter auf dem Feld ausleben?
Sommer: Auch als Torwart kann man auf dem Platz sehr kreativ sein. Gerade im Spielaufbau hat man viele Optionen, die häufig kreative Lösungen erfordern. Trotzdem darf man die Aktionen nicht zu sehr erzwingen, weil man niemanden hat, der für einen absichert. Wenn man aber gute Bälle schlägt oder auch mal eine Kette überspielt, hat man auch im Tor Freiheiten. Es ist immer gut, etwas zu machen, auf das der Gegner nicht vorbereitet ist.
Mit Blick auf die aktuelle Spielzeit haben Sie es schon häufiger geschafft, den Gegner auf dem falschen Fuß zu erwischen. Trotz der Niederlage gegen Hertha BSC stehen Sie noch auf dem dritten Platz. Was hat sich im Vergleich zur Vorsaison verbessert?
Sommer: Es klingt zwar wie ein schwaches Argument, aber es ist ungemein wichtig, dass wir nicht so viele Verletzte haben wie in der Vorsaison. Ist die Personalsituation eingeschränkt, kann man nicht so häufig rotieren, im Training unter der Woche herrscht weniger Konkurrenzkampf. Das waren Dinge, die sich in der vergangenen Saison negativ ausgewirkt haben. Auch die Zusammenstellung der Mannschaft hat sich verändert, die Neuzugänge haben sehr gut eingeschlagen. Die Mischung stimmt.
Auch das System wurde verändert.
Sommer: Richtig, durch die Umstellung auf das 4-3-3 spielen wir ein bisschen offensiver. Mit Ausnahme des vergangenen Wochenendes, an dem wir 0:3 gegen Hertha verloren haben, finden wir aktuell eine gute Balance zwischen Offensive und Defensive. Wir verteidigen sehr akribisch, sind gleichzeitig offensiv immer gefährlich.
Sommer: "Der Systemwechsel war mitentscheidend"
Welchen Anteil hat Ihr Trainer Dieter Hecking am Aufschwung?
Sommer: Für unsere Ansprüche waren die vergangenen zwei Jahre sehr zäh, aber wir haben alle aus unseren Fehlern gelernt. Auch der Trainer hat sich im Sommer mit Sicherheit Gedanken gemacht, wie er uns zurück in die Erfolgsspur bringen kann. Der Systemwechsel war da mitentscheidend. Unter dem Strich sind der Trainer und sein Staff im Verein entscheidend, da sie vorgeben, was die Mannschaft auf dem Platz zu tun hat. Wir Spieler versuchen, ihre Ideen dann mit Kreativität zu füllen.
Hat Hecking sich seit dem Sommer verändert?
Sommer: Nicht wirklich. Auch in der vergangenen Saison hat er die Mannschaft gut geführt. Er ist ein lockerer Typ, der genau weiß, in welchen Momenten er das Tempo und die Intensität anziehen muss. Unter ihm ist es wirklich cool, es geht sehr familiär zu und er führt viele Einzelgespräche. Der Trainer versucht, sich für jeden die nötige Zeit zu nehmen.
Obwohl Sie unter Hecking guten und erfolgreichen Fußball spielen, wird an der Tabellenspitze meist nur über Borussia Dortmund und den FC Bayern gesprochen. Gefällt Ihnen diese Rolle?
Sommer: Aktuell wird auch über uns berichtet, aber wir versuchen, uns so wenige Gedanken wie möglich zu machen. Wir wollen weiterhin konstant spielen und auch in der Tabelle bleiben, wo wir sind. Wenn das gelingt, wird man künftig auch über uns sprechen müssen.
Ab wann darf über die Champions League gesprochen werden?
Sommer: Man sollte erst dann über die Champions League sprechen, wenn sie wirklich greifbar ist. Es sind noch viele Spiele und es bringt einfach nichts, immer wieder über Dinge zu sprechen, die so weit in der Zukunft liegen. Natürlich haben wir den Anspruch, guten Fußball zu spielen, aber nur darauf sollten wir uns konzentrieren, der Rest kommt von ganz alleine. Trotzdem bekommen wir als Mannschaft selbstverständlich mit, dass wir auf dem dritten Tabellenplatz stehen und dieses Ziel da ist. Davor können wir uns nicht verstecken.
Wie für die komplette Mannschaft läuft es auch für Sie persönlich sehr gut. Sie haben 77,2 Prozent der Schüsse abgewehrt und sind damit besser als jeder andere Bundesligatorhüter. Selbst mit Blick auf Europas Top-5-Ligen liegen Sie in dieser Statistik in den Top 10. Sind Sie aktuell in der Form Ihres Lebens?
Sommer: So drastisch würde ich es nicht formulieren, aber natürlich bin ich aktuell sehr gut in Form. Um als Torwart solche Werte zu erreichen, braucht man starke Mitspieler und eine funktionierende Defensive. Als Kollektiv gelingt uns die Defensivarbeit in der laufenden Saison sehr gut und ich freue mich natürlich, dass es so toll läuft.
Welchen Einfluss haben vermeintlich kleine Details wie die Verpflichtung eines zweiten Torwarttrainers auf Ihre aktuellen Leistungen?
Sommer: Einen großen Einfluss. Steffen Krebs kam im Sommer aus Hoffenheim zu uns und macht einen sehr guten Job. Wir konnten in den vergangenen Monaten an vielen Dingen arbeiten, die wir als Defizite ausgemacht haben.
Neben der starken Defensive glänzt Ihr Team aktuell auch im Angriff. War Alassane Plea das Puzzleteil, das dem Team lange gefehlt hat?
Sommer: Im Nachhinein kann man sagen, dass Plea genau der Spieler ist, den wir gebraucht haben. Wenn man als Mannschaft vorne dabei sein will, braucht man einen oder zwei Spieler, die viele Tore schießen. Mit Alassane haben wir im Sommer einen solchen Typen dazubekommen. Er ist ein sehr gefährlicher Stürmer und absoluter Schlüsselspieler.
Was zeichnet ihn aus?
Sommer: Er hat einen unglaublichen Abschluss, ist aus jeder Position extrem gefährlich. Alassane ist ein Stürmer mit ausgezeichnetem Torriecher, steht oft richtig und weiß, wo es brennen kann. Genau das macht einen guten Mittelstürmer aus.
Gab es im Training oder im Spiel eine spezielle Szene, die Ihnen erstmals gezeigt hat, wie stark er ist?
Sommer: Es gab leider einige Szenen, in denen ich nur staunen konnte. (lacht) Bei jedem Schusstraining oder in Kleinfeldspielen wird es gefährlich, wenn er den Ball am Fuß hat. Er hat die Fähigkeit, auch aus schwierigen Winkeln mit enorm viel Präzision ins Eck zu schießen, was es für mich als Torhüter sehr schwer macht.
Klingt, als wären Sie froh, wenn er bei Kleinfeldspielen in Ihrem Team ist.
Sommer: Nein, gar nicht. Ich spiele sehr gern gegen ihn. Wir haben im Team einige Spieler, die einen tollen Abschluss haben und ich liebe es, ihnen das Training zu vermiesen. (lacht)
Neben Plea ragt auch Thorgan Hazard aus dem Kollektiv heraus, der aktuell womöglich seine stärkste Saison in Mönchengladbach spielt. Was macht ihn so gefährlich?
Sommer: Thorgan ist ein Spieler, der immer für eine Überraschung sorgen kann. Er ist zu jeder Zeit in der Lage, durch ein Dribbling eine neue Situation zu kreieren, kann seine Mitspieler einsetzen, ist schnell und hat einen starken Abschluss. Aufgrund seiner Kreativität ist er sehr schwer zu verteidigen und deshalb sehr wichtig für uns.
gettySommer: "Kann diese Dinge sehr gut ausblenden"
Diese starken Leistungen bleiben auch bei der Konkurrenz nicht unbemerkt. Seit Monaten gibt es Gerüchte um mögliche Abgänge von Führungsspielern wie Hazard oder Plea. Müssen Fans Angst haben, dass Spieler dieser Klasse die Borussia nur als Durchgangsstation sehen?
Sommer: Fußball ist ein Geschäft und es wird viel gesprochen und geschrieben. Es ist normal, dass Gerüchte verbreitet werden. Wir befassen uns innerhalb der Mannschaft nicht mit solchen Dingen, diese Nebenschauplätze rauben nur Energie. Das sind Dinge, die wir während der Saison nicht brauchen können. Wenn man als Team erfolgreich ist und auch die Einzelspieler gute Leistungen zeigen, werden andere Klubs automatisch auf einen aufmerksam. So funktioniert das Geschäft.
Auch Sie selbst wurden in den vergangenen Jahren immer wieder mit Top-Klubs in Verbindung gebracht. Wie geht man als Profi mit solchen Gerüchten um?
Sommer: Ich lese längst nicht alles, was in den Medien geschrieben wird, aber unter dem Strich ist es doch ein Lob, mit großen Klubs in Verbindung gebracht zu werden. Ein solches Gerücht entsteht nur, wenn es für den Spieler und die Mannschaft gut läuft, daher würde ich solche Berichte keinesfalls als negativ abstempeln. Ich persönlich kann diese Dinge auf dem Platz aber sehr gut ausblenden.
Sie haben in der Vergangenheit häufig betont, dass Sie sich in Mönchengladbach wohl fühlen. Scheint, als sei eine Vertragsverlängerung nur eine Frage der Zeit.
Sommer: (lacht) Ich habe noch Vertrag bis 2021 und bis dahin kann viel passieren. Über Dinge, die danach kommen, habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.