Carsten Lichtlein ist bislang einer der Garanten für den Erfolg der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Katar. Vor dem Achtelfinale gegen Ägypten (16.30 Uhr im LIVE-TICKER) spricht der 34-Jährige im Interview mit SPOX über den anstehenden Gegner, die Gründe für seine Glanzform, einen Ausflug in die Wüste, Golf und seinen ganz großen Traum.
SPOX: Herr Lichtlein, die früheren Handball-Größen wie Daniel Stephan, Heiner Brand oder Stefan Kretzschmar hängen hier in Katar ständig auf dem Golfplatz herum. Waren Sie als leidenschaftlicher Golfer auch schon mal dabei?
Carsten Lichtlein: Vor ein paar Minuten habe ich mit Daniel gesprochen, die gehen schon wieder golfen. So viel Zeit möchte ich auch mal haben (lacht). Aber nein, ich war noch nicht dabei. Obwohl ja Marcel Siem hier war.
SPOX: Wegen dem Qatar Masters. Einige der früheren Handballer waren dort.
Lichtlein: Genau. Siem war dann ja auch bei unserem Spiel gegen Dänemark in der Halle. Daniel meinte, das Erlebnis auf dem Golfplatz sei klasse gewesen, wie in einer anderen Welt. Was mich betrifft: Ich würde gerne auch mal dort spielen. Aber um die WM so erfolgreich wie möglich zu gestalten, gehört Golf nun mal nicht unbedingt dazu.
SPOX: Ihr Handicap?
Lichtlein: 40.
Bernhard Bauer im SPOX-Interview
SPOX: Mit Golfen klappte es bisher zwar nicht, dafür durften Sie mit der Mannschaft einen Trip in die Wüste unternehmen. Erzählen Sie.
Lichtlein: Grundsätzlich ist es schön, dass man nicht nur Doha sieht, sondern auch mal rauskommt. Wir sind zunächst bis dahin gefahren, wo die Straßen aufhören und die Wüste anfängt. Dann ließen die Fahrer erstmal Luft aus den Reifen, um besser im Sand fahren zu können. Wir sind über Dünen gefahren und genossen den Ausblick. Abends wurde dann noch in einem Wüstencamp Halt gemacht. Da wurde gegrillt.
SPOX: Ein Wüstentrip ohne Kamele?
Lichtlein (lacht): Kamelreiten ist mir glücklicherweise erspart geblieben. Mit einem der Tiere hab ich ein Foto gemacht. Das muss reichen.
SPOX: Lassen Sie uns über Handball sprechen. Mit dem Sieg gegen die Saudis wurden letzte Zweifel beseitigt. Deutschland ist Gruppensieger. Hand aufs Herz: Daran hat doch die Mannschaft selbst nicht geglaubt, oder?
Lichtlein: Naja. Insgeheim war es sehr wohl unser Ziel, Gruppensieger zu werden. Aber dass es so gut funktioniert, damit war natürlich nicht zu rechnen. Vor allem wenn man sich unsere Gegner ansieht. Erstaunlich, wie gut wir mit dieser jungen Mannschaft die wichtigen Spiele bisher gespielt haben. Es zeigt auf der anderen Seite auch, dass wir als Mannschaft gewachsen sind.
SPOX: Nun wartet Ägypten. Für Dagur Sigurdsson sind die Afrikaner kein Wunschgegner. Teilen Sie diese Einschätzung?
Lichtlein: Dagur hat recht. Wir sind im Achtelfinale, ab jetzt gibt es so etwas wie einen Wunschgegner einfach nicht mehr. Ägypten ist sehr unangenehm zu spielen. Sie sind sehr aggressiv, spielen in der Abwehr offensiv und sind zweikampfstark. Wir müssen im Angriff sehr konzentriert spielen und dürfen uns wenig Fehler erlauben. Wir brauchen eine gute Abwehrleistung, um den Gegner zu Fehlern zu zwingen und um dann einfache Tore durch Tempogegenstöße zu erzielen. Ich hoffe, das gelingt uns.
SPOX: Ägypten erwies sich bisher außerdem als sehr wurfstark aus dem Rückraum. Bereiten Sie sich als Torhüter darauf in einer besonderen Art und Weise vor?
Lichtlein: Nein, speziell bereite ich mich nicht vor. Ich mache die gleichen Dinge wie immer. Ich schaue mir Videos an, mache mir im Kopf Wurfbilder von entscheidenden Situationen.
SPOX: Sie spielen eine starke Bundesliga-Saison für Gummersbach, nun eine vielleicht noch bessere WM. Erleben wir derzeit den besten Carsten Lichtlein aller Zeiten?
Lichtlein: Meiner Meinung nach kommt diese Wahrnehmung daher, dass ich in der Vergangenheit in der Nationalmannschaft nicht so viele Chancen bekam. Wenn sich mir eine Möglichkeit bot, nutzte ich diese meiner Meinung nach eigentlich immer und brachte meine Leistung.
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SPOX: Besonders bitter muss es 2008 für Sie gewesen sein, als ihr Traum von Olympia platzte, weil Heiner Brand sie nicht berücksichtigte. Fühlten Sie sich in den vergangenen Jahren nicht entsprechend wertgeschätzt beim DHB?
Heiner Brand im SPOX-Interview
Lichtlein: Das war hart damals, keine Frage. Und ich gebe zu: Da fühlt man sich teilweise schon ein wenig verkannt. Aber jetzt ist meine Chance da. Ich bin davon überzeugt, dass ich sie nutzen werde. Vielleicht hat mich das alles ja auch nur noch einen Schritt voran gebracht.
SPOX: Sie machen zumindest den Eindruck, wirken sehr gefestigt.
Lichtlein: Stimmt schon irgendwie. Ich bin reifer geworden, was mich in den entscheidenden Situationen nach vorne bringt. Ich verspüre mittlerweile Ruhe und Gelassenheit. Das versuche ich an die Mannschaft weiterzuleiten. Die Jungs sollen wissen, dass da einer steht, der Bälle hält und sie in Ruhe vorne weiterspielen können, damit keine Hektik aufkommt.
SPOX: Ruhe strahlte die Mannschaft bisher selbst bei Rückständen aus. Das war vor nicht allzu langer Zeit noch anders. Woran liegt es?
Lichtlein: Wir gehen mit Rückständen bisher tatsächlich sehr gut um. Das liegt vielleicht daran, dass wir eine junge Mannschaft mit unbekümmerten Spielern haben, die sich nicht entmutigen lassen. Das wirkt sich auf die Spielweise aus. Das ist das Schöne, das Erfrischende an unserem Handball. Wir haben verinnerlicht: Selbst wenn wir zurückliegen, geht es weiter und es ergeben sich Chancen zur Wiedergutmachung.
SPOX: Welche Rolle spielt Sigurdsson dabei?
Lichtlein: Er trägt einen großen Teil dazu bei. Weil er diese Ruhe draußen auf der Bank auch dann ausstrahlt, wenn es mal nicht so läuft. Er verfällt nicht in Hektik, gibt klare Anweisungen. Bisher funktioniert das sehr gut.
SPOX: Auch die Spieler sollen untereinander einen sehr respektvollen Umgang pflegen.
Lichtlein: Das ist ein wichtiger Punkt. Auch wenn mal einer einen Fehler macht, wird derjenige von keinem zusammengeschissen oder so etwas. Ganz im Gegenteil: Wir bauen uns gegenseitig auf.
SPOX: Und das gilt auch für Silvio Heinevetter und Sie?
Lichtlein: Selbstverständlich. Klar will jeder spielen, aber wir sind ein Duo. Zwei unterschiedliche Typen, die sich gut ergänzen.
SPOX: Wagen wir einen Blick voraus. Ägypten im Achtelfinale, danach würde Katar warten. Kann man es als Spieler wirklich ausblenden, was sich da für eine riesige Chance für den deutschen Handball ergibt?
Lichtlein: Ihr Journalisten und die Fans schauen schon einen Schritt weiter voraus, das könnt ihr ruhig alle machen. Ihr analysiert die Situation ja auch nicht falsch. Aber es wäre doch fatal, wenn wir ebenso denken würden. Jetzt steht Ägypten an, was definitiv nicht einfach wird. Wir brauchen volle Konzentration. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Ergebnisse und Auftritte bisher ganz hart am Optimum waren.
SPOX: Sind diese Auftritte eigentlich zumindest so ein bisschen eine Rechtfertigung für die Wildcard?
Lichtlein: Wir Spieler können für die bösen Stimmen nichts, die es im Vorfeld wegen der Wildcard gab. Darüber wird bei uns auch gar nicht gesprochen. Fakt ist: Wir haben diese Chance bekommen und nun wollen wir sie auch nutzen.
SPOX: Apropos Chance. Durch die WM könnte Rio 2016 plötzlich sehr nahe rücken. Wäre das so etwas wie ein Traum für Sie nach der Enttäuschung von 2008?
Lichtlein: Absolut. Diesen Traum hab ich noch, das ist mein großes Ziel. Ich war noch nie bei Olympia, das will ich einmal erleben. Sollte es 2016 gelingen, ist es gut möglich, dass es das dann mit der Karriere in der Nationalmannschaft war.
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Die WM im Überblick