Ein Punt als Statement

Von Adrian Franke
29. September 201514:16
Bears-Coach John Fox überzeugte in Seattle nicht gerade mit aggressivem Play-Callinggetty
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Den Chicago Bears steht eine lange Saison bevor. Coach John Fox zeigt gegen Seattle schon mal, was er von seiner Offense hält - und hat eine klare Ansage parat. Das One-Hit-Wonder der Woche kommt aus New England, wo LeGarrette Blount als Fantasy-Verlockung daherkommt. Außerdem: Colin Kaepernicks historisch schwacher Auftritt, Durchatmen in Indianapolis und die Dominanz der Wide Receiver.

Top der Woche: A.J. Green. 10 Receptions. 227 Yards. Zwei Touchdowns. Die Zahlen alleine zeigen den unfassbaren Auftritt von Cincinnatis Wideout. Addiert man dazu die Tatsache, dass es am Sonntag gegen Division-Rivale Baltimore ging, schmeckt Greens Auftritt Bengals-Fans gleich um so süßer - und platziert Green hier noch vor dem ebenfalls erneut herausragenden Falcons-WR Julio Jones.

Dazu kam der Zeitpunkt, zu dem Green im Spiel explodierte und die Partie komplett an sich riss: Genau dann, als sein Team es am dringendsten brauchte. Die Bengals begannen eigentlich gut, liefen aber in der zweiten Hälfte Gefahr, das Spiel aus der Hand zu geben. Doch nachdem die Ravens-Defense per Fumble-Return die Führung übernommen hatte, trug Green prompt Daltons Pass zum 80-Yard-TD in die Endzone. Baltimore ging kurz vor Schluss erneut in Führung, doch wieder war Green zur Stelle und aus sieben Yards lieferte er den Game Winner.

Wie herausragend der Auftritt des Receivers war, wird spätestens dann klar, wenn man sich die Reaktionen von Division-Rivale Baltimore anhört. "Eines Tages werden wir herausfinden, wie man A.J. Green deckt. Es wäre schön, wenn uns das gelingen würde, bevor er seine Karriere beendet", erklärte Head Coach John Harbaugh und WR Steve Smith fügte via Twitter hinzu: "Auch wenn er auf der anderen Seite steht, das ist ein starker Typ. Hut ab. Er ist in meiner Top 5." Und mehr als ein öffentliches Lob von Steve Smith kann man nun wirklich kaum verlangen.

Zitat der Woche: "Wir müssen mehr als null Punkte zusammen bekommen, um Spiele zu gewinnen. Da gibt es keinen Zweifel." Diese messerscharfe Analyse stammt aus dem Arsenal von Bears-Coach John Fox, nachdem sein Team gegen die Seattle Seahawks zum ersten Mal seit 2002 ohne Punkte geblieben war. Doch nicht nur das: Die Offense schaffte es nicht einmal, die gegnerische 45-Yard-Linie (!) zu überschreiten.

Da schob Fox doch prompt noch einige weitere Beobachtungen nach. Auf die Frage, ob er seinen Backup-Quarterback Jimmy Clausen durch David Fales ersetzen könnte, antwortete Fox: "Ich würde darüber nachdenken, jeden einzelnen Spieler starten zu lassen. Deshalb sind sie ja im 53-Mann-Kader." Seine Entscheidung, im Schlussviertel von Seattle bei Fourth Down an der 50-Yard-Line zu punten, erklärte er dann auch noch sicher und simpel: "Nachdem ich unser Third-and-One gesehen hatte, war ich nicht sonderlich zuversichtlich." Das war sicher ein schöner Rückflug nach Chicago.

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Play-Call der Woche: Seattles Punt-Return. Gut die Hälfte des ersten Viertels war gespielt, zwischen Seattle und Chicago kündigte sich eine Defensivschlacht an und auch die Hawks-Offense hatte ihren Rhythmus noch nicht gefunden. Da entschieden sich die Coaches, ihrem Team auf andere Art und Weise zu einem Kickstart zu verhelfen.

Beim Punt führte Seattle den Fake-Return in Perfektion aus: Alles konzentrierte sich, bedingt durch gutes Schauspiel und das sich entsprechend verhaltende Coverage-Team, auf Tyler Lockett auf der linken Seite des Feldes, während der Ball aber eigentlich nach rechts flog. Da stand Richard Sherman und der trug das Ei 64 Yards zurück und somit tief in die Hälfte der Bears.

"Wir hatten das im Training nur drei Mal geübt", grinste der All-Pro-Cornerback anschließend. "Aber ich denke, sie haben mir vertraut. Ich habe den Ball wegen der Sonne kurz aus den Augen verloren, das war schon ein kleiner Schreck." Der gute Return ermöglichte Seattle nicht nur die ersten Punkte, es hatte auch einen leisen Unterton: Mit dem gleichen Fake erzielte St. Louis in der Vorsaison gegen die Hawks einen Touchdown.

Der nächste NFL-Superstar wird... Amari Cooper. Oaklands Rookie-Receiver wird den Vorschusslorbeeren bislang mehr als gerecht: Mit seinen acht Receptions für 134 Yards gegen die Cleveland Browns wurde Cooper der erste Rookie seit DeSean Jackson (2008), der in seinen ersten drei Spielen zwei Mal die 100-Receiving-Yard-Marke knackte.

Doch es sind nicht nur die nackten Zahlen: Coopers Release nach dem Snap und seine Route-Running-Fähigkeiten sind schlicht weit vor dem Rookie-Standard. Clevelands Pro-Bowl-Corner Joe Haden dürfte nach Spielende noch den ein oder anderen Gedanken an sein Duell mit Cooper gehabt haben.

One-Hit-Wonder der Woche: LeGarrette Blount. Es war fast schon ein Vintage-Blount-Auftritt: Der Patriots-Running-Back lief in bester Bulldozer-Manier durch die D-Line der bemitleidenswerten Jaguars und sammelte neben 78 Rushing-Yards auch drei Touchdowns, alle drei von der 1-Yard-Line.

Doch Fantasy-Fans sollten deshalb nicht gleich in Richtung Waiver Wire stürmen, um Blount in ihr Team zu holen. Vielmehr war es eine durch einen desolaten Gegner gepushte Stat-Line. Tatsache ist: Als das Spiel noch eng war, spielte Blount überhaupt keine Rolle. Dion Lewis erhielt stattdessen über die ersten beiden Viertel 28 seiner insgesamt 35 Snaps, Blount sah hier nur acht seiner 31 Snaps.

Erst in der zweiten Hälfte setzte Bill Belichick dann vermehrt auf den 28-Jährigen, um die Uhr runter laufen zu lassen - und um seinen klaren Starter, Lewis, zu schonen. 14 von Blounts Snaps kamen gar erst im Schlussviertel und in den kommenden Wochen dürfte das wieder anders aussehen. Immerhin kommen auf die Patriots nach der Bye-Week einige härtere Matchups als die Jaguars zu.

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Flop der Woche: Colin Kaepernick. Auswärts gegen ein heiß laufendes Cardinals-Team ging San Francisco ohnehin schon eher als Außenseiter in die Partie. Kaep sorgte dafür, dass auch jede noch so kleine Hoffnung früh zu den Akten gelegt werden konnte: Innerhalb der ersten 5:57 Minuten warf Kaepernick bei fast identischen Spielzügen zwei Interceptions, die Arizonas Defense in die Endzone trug.

Seit 1925 hat kein Quarterback das schneller geschafft und 1925 auch nur, weil vorher keine zuverlässigen Statistiken geführt wurden. Betrachtet man sich den Football-Stil der Zeit, ist davon auszugehen, dass bei vielen Spielen in den ersten sechs Minuten nicht einmal zwei Pässe geworfen wurden. Zwei Pick Six in einem Spiel hat sich zudem kein Niners-Quarterback seit Steve DeBerg 1980 geleistet.

"Ich habe alle Anstrengungen meiner Mitspieler heute egalisiert", gab Kaep anschließend immerhin zu und von Coach Jim Tomsula gab es trotzdem Rückendeckung: "Ich glaube an Colin Kaepernick. Ich glaube, er hat die Voraussetzungen, um ein wirklich guter Quarterback zu sein." Ein QB-Tausch sei darüber hinaus nicht geplant - und doch fordern so manche 49ers-Fans inzwischen tatsächlich Blaine Gabbert. Ja, es ist viel Zeit vergangen, seitdem Kaepernick die Liga im Sturm erobert hat.

Big Point der Woche: Der Colts-Sieg in Tennessee. Man konnte fast meinen, Indianapolis hätte gerade den Super Bowl gewonnen, als Coach Chuck Pagano nach dem knappen Sieg in Tennessee zu seiner Kabinen-Ansprache ansetzte. Von "einem der wichtigsten Siege" seiner Karriere sprach Pagano dabei, ein Sieg, "an den ich mich für den Rest meines Lebens erinnern werde".

"Und ich sage euch: Das ist mehr als ein Football-Spiel. Hier geht es um das Leben und darum, seine Lektionen zu lernen. Ihr könnt alles erreichen, was ihr wollt. Alles", fuhr Pagano fort. Was aber tatsächlich und ganz ohne Pathos passiert war: Die Colts hatten nach zwei enttäuschenden Pleiten soeben ihr erstes Saisonspiel gewonnen und das auswärts bei einem Division-Rivalen.

Dabei war noch immer längst nicht alles gut, vielmehr musste Andrew Luck die vorher so hochgelobte Offense erneut zu einem Comeback-Sieg führen, weil die Titans früh dominierten. Indianapolis ist bei Weitem nicht da, wo nahezu jeder Experte das Team vor der Saison gesehen hatte. Und so manche Medien spekulieren gar, dass Paganos Job auf dem Spiel steht - immerhin läuft sein Vertrag aus und intern soll es kräftig knirschen. Insofern ist seine Rede dann fast schon wieder nachvollziehbar...

Das Roundup vom Sonntag: Rekord-Brady, Big Ben verletzt

Drive der Woche: Der letzte TD-Drive der Panthers. Das Schlussviertel hatte gerade angefangen, Carolina führte knapp mit 20:16 im Division-Duell mit New Orleans. Was folgte, war der ausbalancierteste Drive des Spiels - gekrönt mit der Vorentscheidung.

Cam Newton bediente sich mehrerer kurzer Pässe, zudem funktionierte das Running Game über Stewart und Tolbert gut. Die Saints hatten keine Antworten und aus 13 Yards riss Newton das Zepter an sich und lief scheinbar mühelos in die Endzone. Die Saints antworteten zwar nochmals mit einem Touchdown, mussten sich ob des Rückstandes aber in der Folge dennoch intensiv auf McCown und das Passing Game stützen.

Das erlaubte es der Panthers-Defense, das Spiel mit einem spektakulären Pick zu beenden. Carolina steht so bei drei Siegen aus den ersten drei Spielen und hat erneut alle Chancen auf den Division-Titel.

Verletzung der Woche: Ben Roethlisberger. Nach Drew Brees, Tony Romo und Jay Cutler hat es am Sonntag den nächsten Quarterback erwischt: Roethlisberger verletzte sich in St. Louis, als er von Mark Barron sehr heftig und unglücklich am Knie erwischt wurde. Barron entschuldigte sich anschließend, dennoch ging prompt die Angst vor dem Kreuzbandriss um.

Zumindest hier gab es leichte Entwarnung: Big Ben hat sich offenbar nur leicht verletzt, dennoch wird er für "mehrere Wochen" (Head Coach Mike Tomlin) ausfallen. Das stellt die Steelers vor Probleme: Zwar kann Le'Veon Bell das Team über das Running Game tragen. Doch Roethlisbergers 10 Yards pro Passversuch werden in einer der explosivsten Offenses der Liga fehlen, zumal Center Maurkice Pouncey ebenfalls noch länger ausfällt.

Jetzt muss also Michael Vick dafür sorgen, dass Pittsburgh noch Chancen auf die Postseason hat, wenn Roethlisberger zurückkommt - und darf damit gleich am Donnerstag gegen Baltimore anfangen. Es sei "nicht das erste Mal", dass Vick unerwartet plötzlich ran muss, betonte Tomlin bereits. Allerdings: Als Vick in der Vorsaison Geno Smith in New York ersetzen sollte, enttäuschte er (ähnlich wie in St. Louis am Sonntag). Anschließend gab er damals zu: "Vielleicht war ich nicht ausreichend vorbereitet." Jetzt darf Vick beweisen, dass er daraus gelernt hat.

Unmittelbar vor dem Karriereende... steht ganz offensichtlich Lamar Miller. Was der Running Back der Miami Dolphins, im Vorjahr noch die Speerspitze in einer der effizientesten Running Offenses der Liga, genau verbrochen hat, ist unklar. Aber irgendetwas muss er getan haben - anders ist kaum zu erklären, dass Miller, der seine Knöchelprobleme rechtzeitig in den Griff bekommen hatte, nach drei Spielen lediglich 30 Rushing-Versuche auf dem Konto hat.

Jede Woche wurden es zudem bislang je drei weniger und gegen Buffalo verzeichnete Jonas Gray (9) mehr als Miller (7). Es scheint, als würde Coach Joe Philbin (nach diesem Saisonstart ein heißer Kandidat auf die erste Trainerentlassung) Miller nach wie vor nicht recht vertrauen, so dass Center Mike Pouncey zum Wochenbeginn öffentlich monierte: "Wenn wir nicht laufen, geben wir uns selbst keine Chance."

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