Mixed Martial Arts genießt in Deutschland immer noch einen zweifelhaften Ruf. Obwohl der Zehnkampf des Kampfsports, der Disziplinen wie (Thai-) Boxen, Ringen, Judo und Jiu Jitsu unter einem Regelwerk verbindet auch hierzulande mittlerweile eine eigene Szene hat, ist die Entwicklung anderswo längst viel weiter fortgeschritten - beispielsweise in Kanada. Florian Sädler hat sich auf den Weg über den Atlantik gemacht und eines der renommiertesten MMA-Trainingszentren weltweit besucht - das Tristar Gym in Montreal.
Vom guten Ruf, der dem Gym in der Szene vorauseilt, ist erst einmal nicht viel zu sehen: Von der glamourösen Aura, die die Kämpfer bei den großen Events rund um die Welt umgibt, fehlt hier, ein paar Kilometer abseits des Montrealer Stadtkerns. jede Spur.
In der Einflugschneise des Flughafens Pierre-Trudeau gelegen, zwischen einer Stadtautobahn und einem sozialen Brennpunkt, trainieren hier etablierte Stars mit unbekannten Newcomern im zweiten Stock eines alternden Gewerbegebäudes über einem Ballett-Studio und einer Textilfirma.
Und direkt nebenan hat Eigentümer und Headcoach Firas Zahabi vor drei Jahren das "Tristar Dormitory" eröffnet, eine spartanisch eingerichtete Kämpfer-WG, in der vielversprechende Newcomer ohne großes Kapital sich völlig dem Sport widmen können.
Zwei Eckpfeiler der scheinbar wild zusammengewürfelten und ständig wechselnden Belegschaft sind Tom Breese und Nate Oses, beides junge Talente, die sich nach bescheidenen Anfängen in kleineren Gyms völlig diesem von einem normalen Alltag losgelösten Kosmos aus ständigem Training, kaputter Einrichtung und fehlender Privatsphäre hingegeben haben, um ihren Träumen Stück für Stück näher zu kommen.
"Ich jage hier meinen Traum"
9 Uhr morgens, auf halbem Weg durch eine 2014er-Herbstwoche - Nates Tag beginnt nach einem energiereichen, aus einer großen Ladung Cornflakes bestehenden Frühstück wie immer damit, den stets etwas chaotischen Gemeinschaftsraum der Dorms einigermaßen vorzeigbar zu halten.
Auf dieser knapp 60 Quadratmeter großen Fläche spielt sich dank 50-Zoll-Fernseher, Playstation, ein paar Sofas, Waschmaschine und einer minimalistischen Küche der Großteil des Alltags für die üblicherweise etwa zehn bis fünfzehn Bewohner ab.
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Nate, ein Amerikaner aus Boston mit kubanischen Wurzeln, zog kurz nach dem Start des Dorm-Projekts mit 20 Jahren als einer der ersten Kämpfer neben dem Gym ein und gehört angesichts der ständig wechselnden Belegschaft mittlerweile zum Inventar.
"Ich jage hier meinen Traum", erklärt er seine Motivation, in einer spartanischen Bruchbude zu leben, bevor er den mal wieder überquellenden Müllsack aus der Tonne zieht und damit im Treppenhaus verschwindet. In diesen Momenten drängt sich trotz der unverkennbaren Rocky-Parallelen der Gedanke auf, dass sein Traum, es in eine der großen Ligen zu schaffen und sich dort nach ganz oben vorzukämpfen, vermutlich schon längst geplatzt ist.
Mit jeder Menge Herzblut
Zwei Stunden später radiert Nate diesen Eindruck spektakulär wieder aus: Fünf Runden lang bombardieren er und ein halbes Dutzend Trainingspartner sich nebenan im Gym mit Fäusten und Schienbeinen - die erste von zwei Trainingseinheiten am heutigen Tag, knallhart und mit jeder Menge Herzblut.
Die Endorphine nach solchen Grenzgängen auf der Matte lassen Sorgen vergessen und optimistisch in die Zukunft schauen: "Ich liebe diesen Sport und ich liebe mein Leben", japst Nate schweißüberströmt und völlig ausgelaugt auf einem Hocker neben der Trainingsfläche sitzend, mit einem dicken Grinsen im Gesicht.
"Ich bin glücklicher als die meisten Menschen, weil ich eine Chance bekomme, meine Leidenschaft auszuleben."
Deftige Vorurteile in Deutschland
Seine Leidenschaft gehört einem Sport, der in Deutschland immer noch mit deftigen Vorurteilen zu kämpfen hat. Mixed Martial Arts verbindet sämtliche gängigen Kampfsportarten, wie (Thai-) Boxen, Ringen und Judo unter einem Regelwerk und wird oft in einem Maschendrahtkäfig ausgetragen.
Die Wirkung, die diese Kombination auf Außenstehende haben kann, ist auch Nate durchaus bewusst: "Die Leute denken, dass MMA ein Sport für Schläger ist. Ich sehe da mehr Parallelen zum Schach. Nur, dass man hier eben eine ausgeprägte körperliche Seite hat. Du brauchst aber auch jede Menge Wissen in so vielen unterschiedlichen Disziplinen und musst das alles fehlerlos einsetzen, um deinen Gegner zu übertrumpfen."
Die Herausforderung, diesen Sport völlig zu beherrschen, hält ihn bei der Stange - gerade, weil er genau weiß, dass er dieses Ziel nie erreichen wird. Mit zwei Trainingseinheiten am Tag bewegen sich die Profis in Montreal bereits an der Grenze des physisch Machbaren, die schiere Masse an verschiedenen Disziplinen und Techniken aber macht es unmöglich, sich auf jede Situation spezifisch vorzubereiten.
Ein unschlagbares Niveau
Allein durch Quantität gewinnt man im MMA mittlerweile nicht einmal mehr den sprichwörtlichen Blumentopf, nur durch Qualität gelingt immer wieder der Sprung auf das nächste Level und das ist der simple Grund, warum das Tristar Gym immer neue Kämpfer aus aller Welt anzieht: "Das Niveau ist hier unschlagbar", stellt Nate fest.
"Du wirst also nicht nur gute Tage haben. Es gibt so viele Leute hier, die in irgendetwas besser sind als du und dich zum Beispiel innerhalb von zwei Runden ein dutzend Mal auf die Matte werfen. Das ist erstmal hart, aber nachher kommt derjenige dann zu dir und erklärt, wie du das beim nächsten Mal verhindern kannst. Früher war ich ein großer Fisch in einem kleinen Teich. Hier bin ich einer von vielen Fischen und schwimme ums Überleben."
Gerade dieser Vorstoß raus aus der eigenen Komfortzone ist notwendig, um den steten Fortschritt zu gewährleisten, der Nate wichtiger ist als Komfort: "Ich will so viele Kämpfe gewinnen wie möglich, das ist natürlich das Ziel. Für mich geht es aber um mehr als das. Der Lebensstil macht mich glücklich, weil es hauptsächlich ums Lernen geht - du versuchst, Schritt für Schritt ein besserer Kämpfer und ein besserer Mensch zu werden. Das hier ist mein Zuhause geworden, die Jungs sind meine Brüder - sie verstehen mich, weil sie dieselben Träume und Ziele haben wie ich."
Dynamischer, spannender, moderner
Vielerorts gilt MMA bereits als Nachfolger des Boxens - dynamischer, spannender, moderner und sogar sicherer als der reine Faustkampf soll es sein. Strukturell jedoch hinkt der junge Sport seinem vermeintlichen Vorgänger noch gewaltig hinterher, der Großteil der MMA-Kämpfer riskiert beinahe für lau seine Gesundheit und selbst viele Profis sind neben dem Training auf einen Job angewiesen.
Erst, wer es in eine der großen Ligen schafft, erhöht damit seine Chancen auf ein Leben als Vollzeit-Athlet. Das große Ziel für beinahe jeden der ambitionierten Sportler ist daher die UFC ("Ultimate Fighting Championship"), Marktführer im Bereich MMA und einziger weltweit agierender Wettbewerber - auch aus den Dorms haben es bereits einige Alumni bis dorthin geschafft.
Paradebeispiel eines MMA-Kämpfers
Der nächste, dessen Manager bald den langersehnten Anruf vom Branchenprimus bekommen könnte, ist Tom Breese. Ungeschlagen in acht Amateur- und sieben Profikämpfen kann es für den jungen Engländer nach jedem Kampf so weit sein.
"Langfristig will ich natürlich in die UFC kommen und genug Geld verdienen, um mir meine eigene Wohnung leisten zu können. Momentan sind die Dorms aber das Beste für meine Karriere und deshalb habe ich keinerlei Probleme damit", erklärt das 23-jährige Top-Talent aus Birmingham.
Tom verkörpert das fast schon streberhafte Paradebeispiel eines jungen und ambitionierten MMA-Kämpfers. Anderweitige Hobbies, Alkohol, das berüchtigte Montrealer Nachtleben, selbst eine Freundin oder ein gelegentlicher Besuch in einem der nahen Fastfood-Restaurants kommen nicht in Frage für den Senkrechtstarter: "Es gibt schon Momente, in denen ich mich frage, warum ich das alles auf mich nehme, anstatt mir einfach einen normalen Job zu suchen. Eine Sekunde später gebe ich mir dann meist eine Ohrfeige - MMA ist das, was ich mit meinem Leben anfangen will, und dazu sind nun einmal Opfer zu bringen."
Mehr Willen und Biss
Perfektion in einem Sport zu suchen, in dem man jeden Tag nur eine unachtsame Sekunde von ernsthaftem körperlichem Schaden entfernt ist, ist kein modischer Weg. Mancherorts haben die spektakulären UFC-Übertragungen im TV dazu geführt, dass der ein oder andere sich als Trittbrettfahrer des schnellen Ruhmes in den Käfig gewagt hat, eine Karriere wurde daraus aber selten.
Denn dazu gehört mehr und systematischeres Training, mehr Wissen über Ernährung und Anatomie, mehr Willen und Biss, mehr Durchhaltevermögen und Nervenstärke sowohl des Kämpfers selbst als auch seines persönlichen Umfelds.
Letzteres haben Tom und Nate in bewusst auf ein Minimum von Gleichgesinnten reduziert: "Mein Gegner hat ein völlig anderes Leben", erläutert Tom seinen teuer erkauften Vorteil gegenüber seinem nächsten Kontrahenten.
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Ist Burnout vorprogrammiert?
"Er ist Zuhause in seiner Komfortzone, hat wahrscheinlich eine Freundin und ständig sein übliches Umfeld um sich. Ich dagegen habe hier nur den Sport, auf den ich mich jeden Tag zu hundert Prozent fokussiere. Es gibt kaum einen Moment, in dem ich nicht über den Kampf nachdenke, ich habe mein Ziel ständig vor Augen."
"Der Beste werden", bringt Tom dieses Ziel auf Nachfrage auf den Punkt. "Einige meiner Freunde zuhause in England machen den Sport nebenbei. Die haben einen 0815-Job, trainieren nach Feierabend und kämpfen ab und zu in der Amateur-Szene. Ich könnte das nicht. Wenn ich nicht die Möglichkeit sehen würde, diesen Weg bis zum Ende zu gehen, hätte ich ihn gar nicht erst eingeschlagen. Hier bin ich von Leuten umgeben, die das gleiche Ziel haben wie ich und alles dafür aufopfern."
Auf der Matte ist diese Mentalität sicherlich von Vorteil, aber schreit ein solcher Lebensstil nicht geradezu nach Burnout und kontinuierlicher Abnutzung? "Ja", gibt er zu, "das ist schon manchmal hart, wenn du andauernd trainierst, müde und kaputt bist und auch daneben in irgendeiner Form immer mit dem Sport zu tun hast." Mit dieser Zusatzbelastung geht er so pragmatisch um, wie man es von einem Profi-Kämpfer erwarten würde: "Aber da muss man eben durch."
"Du bist nur so gut wie dein Training"
Tatsächlich ist die Sache komplizierter, als er zugeben will - für Tom ist es von kritischer Bedeutung, den schmalen Grad zu treffen, auf dem seine Vorbereitung ihn so weit bringt wie möglich, ohne dabei noch vor dem eigentlichen Kampf allzu schwere Spuren zu hinterlassen; mit fast wissenschaftlicher Genauigkeit seine eigenen Stärken und Schwächen sowie die des Gegners zu analysieren, ohne die im Kern so einfache Grundidee einer körperlichen Auseinandersetzung mit zu viel Theorie zu überfrachten.
In der Adrenalin pumpenden Extremsituation eines Kampfes ist eine nahezu perfekte Vorbereitung die einzige Sicherheit, die er mit in den Käfig nehmen kann. Wegen der vielen Variablen erreicht man diesen Punkt jedoch nicht immer, wie Tom besser weiß als jeder andere - sein anstehender Kampf wird der erste seit zwei Jahren sein, in der Zwischenzeit musste er einen im Gym erlittenen Kreuzbandriss auskurieren.
"Du bist immer nur so gut wie dein Training", erklärt Tom und strahlt dabei unerschütterliches Vertrauen in seine Arbeit aus. "Du wirst am Kampfabend nicht plötzlich mehr zeigen können als das, was du im Gym in diesen Kampf hineingesteckt hast. Daher kommt auch die Selbstsicherheit: Natürlich bin ich trotzdem nervös, aber ich weiß, dass ich einfach alles in meiner Macht Stehende getan habe, um diesen Ort als Sieger zu verlassen."
Wenn das Training vermisst wird
Wenige Tage später sitzt Tom im Flieger Richtung Heimat - in einer Woche wird er in London in den Käfig steigen. Bis dahin steht zwar nur noch lockeres Training an, trotzdem sind gerade die letzten Tage vor dem großen Abend von großer Bedeutung.
Nach der wochenlangen Gratwanderung zwischen Sprints, Sparring, Technik-Drills und durchkalkulierten Erholungspausen beginnen die unzähligen Einheiten mit ihren jeweils klitzekleinen Fortschritten, sich rechtzeitig zum großen Moment zu einem großen Ganzen zusammenzusetzen.
"Der harte Teil ist vorüber, man regeneriert sich von den Strapazen der letzten Wochen und Monate und fängt an, das Training zu vermissen. Das ist genau die Zeit, in der du richtig heiß auf den Kampf wirst."
Schlag ins Gesicht wird zur Begleiterscheinung
Tom und auch Nate wissen genau, dass dieses Gefühl für die meisten Menschen nie nachzuvollziehen sein wird. Der gesunde Menschenverstand sträubt sich aus gutem Grund dagegen, sich bewusst in offensichtlich gefährliche Situationen - wie einen MMA-Kampf - zu bringen, aber die Montrealer Jungs haben mit der Zeit gelernt, diesen Instinkt einem höheren Ziel unterzuordnen.
Auf dem Weg zur Verwirklichung des eigenen Potentials verkommt ein Schlag ins Gesicht irgendwann nur noch zur lästigen Begleiterscheinung: "Das ist zum Teil Gewöhnung, weil du im Training so häufig eine abbekommst", erklärt Tom völlig emotionslos. Diese Einstellung allerdings ist das Produkt einer jahrelangen Entwicklung.
"Am Anfang meiner Karriere war Stolz so eine Sache - wenn ich getroffen wurde, wollte ich es auf der Stelle zurückzahlen. Mit den Kämpfen kommt aber auch die Erfahrung, mittlerweile hake ich Treffer sofort ab und sehe sie als Hinweis, beim nächsten Mal besser auszuweichen oder meine Hände oben zu behalten."
Adrenalin - sonst nichts
Jetzt gibt es ohnehin kein Zurück mehr - auf dem Londoner Olympiagelände trägt die englische Traditionsorganisation Cage Warriors ihre 74. Veranstaltung aus, und Tom ist an der Reihe. Wenige Tage vor dem Event wurde sein Gegner ausgewechselt, der auf den letzten Metern noch vom erwähnten schmalen Grad abgerutscht ist und sich im Training verletzt hat.
Trotz der katastrophal getimten Ablenkung wirkt Tom auf dem Weg zum Käfig fokussiert und völlig ruhig. Innerlich aber brodelt es: "Du blendest einfach alles andere aus", beschreibt er später die Minuten unmittelbar vor dem großen Augenblick. "Das Adrenalin schießt hoch, du bist völlig in diesem Moment gefangen und realisierst nicht einmal mehr, dass dir gerade jede Menge Leute zuschauen."
Unter anderem auch vor einem großen Flachbildfernseher mitten in Montreal: "Den Kampf verpasse ich auf keinen Fall. Zum Sparring gehe ich heute nicht, ist eh keiner da", hatte Nate schon morgens angekündigt, der an anderen Tagen so viele Extrarunden einlegen will, dass die anderen ihn zum Aufhören zwingen müssen.
Nicht alles klappt
Und tatsächlich - fast das gesamte Team hockt statt auf der Matte vor dem Bildschirm in den Dorms, als der Ringrichter in London die erste von drei Fünf-Minuten-Runden freigibt. Toms Trainingspartner haben vollstes Vertrauen in ihn und ihre gemeinsame Arbeit.
"Siehst du, er nimmt den auseinander" und "In der nächsten Runde macht er Schluss" heißt es, sobald er auch nur eine kurze Kombination ins Ziel bringt oder sich auf der Matte in eine bessere Position vorarbeitet. Mit fortschreitender Kampfzeit zieht er auf den Punktrichterzetteln davon, der kurzfristig eingesprungene Franzose hält aber überraschend gut dagegen.
Tom schafft es nicht - vielleicht bedingt durch die lange Verletzungspause - alles anzuwenden, woran er die letzten Wochen über gearbeitet hat, erwischt seinen Gegner aber kurz vor Schluss mit einem Würgegriff, der diesen zum Abklopfen zwingt. Tom wird vom Ringsprecher zum Sieger erklärt, dann verschwindet er aus dem Käfig und damit nach einem letzten Applaus auch aus den Köpfen der Zuschauer, die sich schon vom nächsten Kampf einen neuen Adrenalinkick versprechen.
Nervosität wegen dem großen Bruder
In den Tristar Dorms dagegen hat sich die angespannte Atmosphäre mit dem Kampfabbruch völlig aufgelöst. Wenige Minuten später ist der Fernseher schon wieder aus, die Hochstimmung dagegen wird noch tagelang anhalten. "Wenn jemand kämpft, der für dich wie ein großer Bruder ist, dann bist du nervöser als wenn du selbst in den Ring steigst", erklärt Nate. Für ihn bedeutet es "eine Mischung aus Erleichterung und Freude", seinen Trainingspartner nach einem harten Kampf als unversehrten Sieger zu sehen.
Tom indes, auf der anderen Seite des Atlantiks aus dem Trubel der Halle zurück in der Umkleide, wird diese nicht einmal 15 Minuten ab sofort immer wieder vor seinem inneren Auge abspielen. Hinter den Kulissen beim Medi-Check, während des Acht-Stunden-Fluges zurück nach Montreal und später in seinem Zimmer in den Dorms werden ihn die den meisten Zuschauern verborgen gebliebenen Details stundenlang beschäftigen, bis in einigen Monaten die nächste Herausforderung seinen Fokus in Beschlag nimmt.
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"Die Reflexion startet, sobald der Kampf endet", erzählt er nach seiner Rückkehr. "Ich habe bisher jeden Gegner vorzeitig besiegt, aber ich bin trotzdem nie zufrieden mit dem Kampfverlauf. Ich freue mich natürlich, dass ich gewonnen habe, aber Perfektionismus hat mich nun einmal bis hierher gebracht."
Eine heruntergekommene Bruchbude
Dass Perfektionismus mitunter auch in eine heruntergekommene Bruchbude weitab der Heimat und zu jeder Menge Veilchen führen kann, ist für die meisten Menschen nicht nachvollziehbar. Als ein Teamkollege einmal einen alten Bekannten aus Militär-Zeiten zu Besuch mitbrachte, zeigte dieser sich trotz zig gemeinsamer Übernachtungen in der tiefsten Pampa entsetzt - wie sein Freund es in dieser "Höhle" aushielt, könne er nicht verstehen.
Ebenfalls nicht verstanden hatte er, dass diese Lebensart für die Höhlen-Bewohner selbst nicht mehr als ein Mittel zum Zweck ist. Das alltägliche Vergießen von Blut, Schweiß und Tränen auf den Matten des Gyms hat ihnen eine Härte gegen sich selbst beigebracht, die von ein paar fehlenden Deckenbauteilen oder der stets verdreckten Küche nicht erschüttert werden kann.
Der exzellente Trainingsstandard, eine tiefgehende Kameradschaft und der sich anbahnende Karrieredurchbruch lassen die nicht unbedingt vorzeigbare "Höhle" in den Hintergrund treten.
"Das ist das Dorm-Leben. Da musst du durch, und dazu musst du auch außerhalb des Rings ein Kämpfer sein", fasst Nate zusammen. "Das ist ein guter Ort. Ich habe hier eine Familie gefunden." Eine Familie, in der man sich tagtäglich Abreibungen verpasst, aber zumindest hier hat das noch niemandem geschadet...
Was ist aus Tom geworden?
Tom hat mittlerweile seinen UFC-Vertrag in der Tasche und sein Debüt in Brasilien in der ersten Runde durch technischen Knockout gewonnen. Nate dagegen musste aus familiären Gründen vorübergehend nach Hause zurückkehren und trainiert fürs Erste wieder in Boston.
Seite 1: Vorurteile und unschlagbares Niveau
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