Andreas Wellinger gratulierte Ryoyu Kobayashi nach dem Verlust der Tournee-Führung mit einem kurzen Lächeln, dann sagte er dem Japaner den Kampf an. "Jetzt bin ich nicht mehr der Gejagte, sondern der Jäger. Ich werde voll angreifen", sagte der Skisprung-Olympiasieger nach Rang fünf in einem Nerven- und Windkrimi am tückischen Bergisel: "In Bischofshofen werde ich voll aufs Pedal steigen."
Weil Kobayashi in Innsbruck als Zweiter hinter Tagessieger Jan Hörl aus Österreich klar vor Wellinger lag, zog der zweimalige Tourneesieger auch in der Gesamtwertung am DSV-Adler vorbei. Doch es bleibt ein Krimi: Umgerechnet nur 2,67 m liegen zwischen den beiden Kontrahenten, am Samstag kommt es zum finalen Showdown. "Zweieinhalb Meter Rückstand, das ist doch fast nichts auf der Riesenschanze", sagte Wellinger.
Zuvor hatte der DSV-Adler am "Schicksalsberg" der deutschen Skispringer eine echte Feuerprobe bestanden: "Es war eine Windlotterie, und da hatte ich nicht das beste Los. Deshalb bin ich auch ohne Podest extrem zufrieden. Jetzt werde ich Vollgas geben." Im elften Wettkampf der Saison stand erstmals kein Deutscher auf dem Podest, das Michael Hayböck (Österreich) als Dritter komplettierte.
Wellinger, Auftaktsieger von Oberstdorf und Dritter von Garmisch-Partenkirchen, flog in einem Thriller auf der Olympiaschanze von 1976, an der schon so mancher DSV-Adler und auch er selbst brutale Tournee-Pleiten erlebt hatte, auf 132,0 und 126,5 m. Mit 252,1 Punkten hielt er den Rückstand auf den großen Rivalen Kobayashi, (258,7) in Grenzen: 4,8 Punkte Abstand - so spannend war die Tournee lange nicht mehr.
Den Tagessieg sicherte sich Hörl mit Sprüngen auf 134,0 und 127,5 m (267,5 Punkte). "Andi ist aber dabei, da geht noch alles", sagte Bundestrainer Stefan Horngacher mit Blick auf das Finale in Bischofshofen (Qualifikation am Freitag, beides 16.30 Uhr/ARD und Eurosport). Wellinger hatte am Dienstag in der Innsbruck-Quali nur Platz 15 belegt: "Aber danach habe ich mich von Sprung zu Sprung gesteigert", sagte er.
Vor 21.000 Zuschauer in der im Gegensatz zu den beiden Springen in Deutschland nicht ausverkauften Arena kam Österreichs Weltcup-Spitzenreiter Stefan Kraft nur auf Platz sechs und verabschiedete sich endgültig aus dem Kampf um den Gesamtsieg. In Bischofshofen ist es somit nur noch ein Duell um den Goldadler - zwischen zwei Springern, die sich nicht nur wegen des gemeinsamen Helmsponsors nahestehen.
"Er ist ein sehr ruhiger und angenehmer Zeitgenosse. Mit ihm kann man Spaß haben", sagte Wellinger über Kobayashi. Dieser ist rein statistisch fast am Ziel: Bei den jüngsten 24 Tourneen hat nur der Norweger Daniel Andre Tande 2016/17 als Führender nach Innsbruck noch den Gesamtsieg verspielt.
Karl Geiger und Pius Paschke, die gemeinsam mit Wellinger als deutsche Dreifachspitze in die Tournee gegangen waren, enttäuschten dagegen am Mittwoch. Geiger, 2019 am Bergisel Team-Weltmeister und WM-Zweiter im Einzel, kam nur auf Platz 26. Paschke schied sogar als 36. bereits im ersten Durchgang aus. Für beide ist die Tournee schon jetzt ein unerwarteter Reinfall.
"Es ist, wie es ist. Die Sprünge passen nicht ganz, aber das kriegen wir schon irgendwann wieder hin", sagte Geiger. Als zweitbester Deutscher wurde Stephan Leyhe 18, Philipp Raimund belegte Rang 20.