Die Zahnfee macht Überstunden

Dario Saric überzeugte in der Euroleague zuletzt mit 9,9 Punkten und 6,4 Rebounds pro Spiel
© getty

Dario Saric ist auf dem Radar der europäischen Topklubs, seit er 11 Jahre alt ist. Das liegt an seinen Skills, vor allem aber auch an seinem Selbstvertrauen - der 21-Jährige scheut keine Konfrontation mit großen Namen. Mindestens für eine weitere Saison wird er sich noch mit Anadolu Efes in der Turkish Airlines Euroleague austoben.

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Wir schreiben den 31. August 2014, Kroatien bestreitet ein Freundschaftsspiel gegen Argentinien. Einige NBA-Spieler oder -Talente stehen auf dem Court, trotzdem ist klar, welcher Spieler am meisten im Fokus steht: Dario Saric. Der junge kroatische Forward, der von den Magic an 12. Stelle gedraftet und direkt an die Sixers (für Elfrid Payton) weitergeschickt wurde. Obwohl noch gar nicht abzusehen war, wann er überhaupt in die USA kommen würde.

Kurz vorm Draft hatte Saric einen 2+1-Vertrag bei Anadolu Efes Istanbul unterschrieben, die Ausstiegsklausel wurde auf 1,2 Millionen Dollar festgesetzt und hätte einen Wechsel erschwert - NBA-Teams dürfen schließlich nicht mehr als 500.000 Dollar Ablöse für Euro-Baller zahlen. Warum also hatten die Sixers einen Lottery-Pick für diesen Spieler verschwendet?

Arbeit für die Zahnfee

Die Partie läuft, und Saric deutet die Gründe an. 6 Punkte macht er in den ersten Minuten und bestraft die Zonenverteidigung, die von den Gauchos schnell wieder aufgegeben wird. Mit seiner Range bis an die Dreierlinie, seinen Skills als Cutter und vor allem auch als Passer. Sogar mit seiner Defense gegen Andres Nocioni und Co., obwohl er vor dem Spiel noch als Schwachstelle ausgemacht wurde.

Im dritten Viertel will Saric dann auf einmal ausgewechselt werden - die Kommentatoren wundern sich. Ist der etwa müde, obwohl er mit Abstand der jüngste Mann auf dem Court ist? Wenig später kommt die Aufklärung: Saric hat einen Ellbogen kassiert und dabei SECHS Zähne verloren, ist voller Blut.

Er bleibt dennoch nur wenige Minuten draußen, kehrt zurück und hilft seinem Team, den 90:85-Sieg einzufahren. Danach legt er trotz seiner arg dezimierten Kauleiste ein breites Grinsen auf und feiert euphorisch mit seinen Teamkollegen. 16 Punkte, 9 Rebounds, -6 Zähne. Eine gute Bilanz für Dario Saric.

Schon als Kind ein Basketball-Nerd

Für Saric stand Basketball schon immer über allem. Bereits als Kind wurde er von seinem Vater Predrag zum orangenen Leder gebracht, der war schließlich selbst 15 Jahre lang als Profi aktiv und spielte unter anderem mit dem Idol aller Kroaten - Drazen Petrovic - bei Sibenka zusammen.

Der Filius verliebte sich umgehend in das Spiel und kann bis heute gewisse Meilensteine herunterbeten, wie etwa sein Alter beim ersten Dunk: "Genau 14 Jahre und 10 Monate." Da er zudem jede Menge Talent offenbarte, wurde er bereits mit 11 Jahren von den besten Klubs in Europa beobachtet und im Alter von 15 unter Vertrag genommen.

Interessanterweise ging er allerdings nicht den Weg vieler jugoslawischer Talente wie Nihad Djedovic, Nikola Mirotic oder Luka Doncic und wechselte beispielsweise nach Spanien, obwohl Saski Baskonia sich sehr um ihn bemühte. Bis 2014 spielte er für verschiedene kroatische Klubs, wofür er in regelmäßigen Abständen von seinem Vater öffentlich zur Sau gemacht wurde.

Niemand kritisiert Dario mehr als Predrag. Die Beziehung zwischen beiden war teilweise dermaßen giftig, dass sie über Monate nicht miteinander sprachen. Mittlerweile ist aber alles geklärt: "Er will das Beste für mich und ist deswegen nicht mit jeder Entscheidung einverstanden, aber es ist mein Leben und ich entscheide. Damit hat er kein Problem mehr", sagte Dario im April 2015.

Der Trophäenschrank wächst und gedeiht

Wirklich schlecht sind seine Entscheidungen bis dato auch nicht gewesen - sein Trophäenschrank kann sich jetzt bereits sehen lassen. MVP-Auszeichnungen bei zwei Junioren-EMs, dem Euroleague Junior Tournament, der kroatischen Liga und der Adriatic League nennt er bereits sein Eigen - und auch die FIBA zeichnete ihn zwei Jahre in Folge als Europäischen Youngster des Jahres aus.

Gewissermaßen geht er den klassischen Weg eines europäischen Supertalents - nur dass sein Spiel eigentlich nicht als "klassisch europäisch" zu bezeichnen ist. Das alte Klischee vom weichen, nur auf den Wurf fokussierten Euro-Big wird Saric nicht gerecht, weder von der Spielweise her, noch von seiner Persönlichkeit.

Gerne begibt er sich in den Nahkampf unterm Korb, teilt Ellbogen aus und kann auch selbst welche einstecken, wie gegen Argentinien gezeigt. Er irritiert, provoziert und nervt Gegner, seine Körpersprache wirkt manchmal ein wenig arrogant. Kurz gesagt ist er ein Spieler, den man hasst, wenn er beim Gegner spielt. Man würde es indes lieben, ihn als Mitspieler zu haben.

Saric ist nämlich weitaus mehr als ein kroatischer Tyler Hansbrough, der nur von der Konfrontation lebt. Er bringt auch eine Vielseitigkeit mit, die bei Big Men nicht häufig vorkommt. Das erste Jahr in Istanbul hat ihm vor allem körperlich sehr viel gebracht, man kann ihn nicht mehr herumschubsen. Gegen Real Madrids starken Frontcourt etwa überzeugte er in den Playoffs mit 10 Punkten und 10,3 Rebounds im Schnitt, er hat zudem einige Pässe im Repertoire, von denen selbst viele Guards nur träumen.

Nowitzki: "Er ist sicherlich bereit"

Auch Dirk Nowitzki machte kürzlich Bekanntschaft mit Saric. Mit seiner stark verbesserten Defense hielt er den Dirkster in einem der Testspiele zwischen dem DBB-Team und Kroatien bei 11 Punkten und 33 Prozent aus dem Feld - und der war beeindruckt: "Er spielt verdammt hart und ist talentiert, kann werfen. Er ist sicherlich bereit für die NBA."

Saric sah das eigentlich ähnlich, die Sixers auch - doch aufgrund von Efes' Forderungen kam in diesem Sommer kein Buyout zustande. Kein Beinbruch, zumal er im nächsten Sommer dann aufgrund einer Spieleroption fürs dritte Jahr frei entscheiden kann, was er machen will. Und ein weiteres Jahr unter Trainerlegende Dusan Ivkovic wird seiner Entwicklung sicherlich auch nicht schaden.

"Hier in Europa kann man besser lernen, wie man in einem Team-Konzept spielt", findet Saric. Man könnte noch hinzufügen: Vor allem, wenn man sonst beim Chaos spielen würde, das unter dem Namen "Philadelphia 76ers" firmiert. Anadolu bietet vielleicht wirklich ein besseres Umfeld, um an seinen durchaus noch vorhandenen Schwächen zu arbeiten.

Mehr Konstanz gefordert

Seinen Dreier etwa hat er zwar schon deutlich verbessert, 34,3 Prozent in der türkischen Liga sind aber dennoch ausbaufähig. Ebenso wie die leichte Turnover-Anfälligkeit, wenngleich er auch hier schon große Fortschritte gemacht hat. Vorletzte Saison verlor er noch 3,4 Bälle pro Spiel, letztes Jahr waren es nur noch 2,05 heiße Kartoffeln pro Spiel.

Da Saric nicht der allerschnellste Athlet ist, wird er in der NBA wohl hauptsächlich als Power Forward agieren - dafür wären einige weitere Kilos ebenfalls noch wichtig. Man kann sich allerdings sicher sein, dass er diese Arbeit von sich aus investieren wird. Selbst der notorisch harte Hund Ivkovic hat die Arbeitseinstellung seines Schützlings bisher immer nur gelobt.

Für Saric gibt es nichts Wichtigeres als Basketball, sein Traum ist die NBA. Er ist voll in seinem Element, wenn er Jumper versenkt, Rebounds holt, kroatischen Trash-Talk zum Besten gibt und Ellbogen schwinkt.

Einmal erwischte er sogar einen Mitspieler beim Siegesjubel direkt im Gesicht. Zähne sind eben überbewertet.

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