Die Grizzly Adams Wolfsburg starten gegen die Adler Mannheim in die Halbfinal-Serie der DEL-Playoffs (19.30 Uhr im LIVE-TICKER). Bei SPOX spricht Manager Charly Fliegauf über das Leben im Schatten der Wölfe, den Charme der Stadt Wolfsburg, Red Bull und die Zukunft des deutschen Eishockeys. Zudem kritisiert der 54-Jährige NHL-Stars, die nicht gerne für Deutschland spielen.
SPOX: Herr Fliegauf, während beim VfL Wolfsburg die Scheine relativ locker sitzen, müssen die Grizzly Adams mit einem eher überschaubaren Etat auskommen. Hand aufs Herz: Hätten Sie auch gerne Möglichkeiten wie Klaus Allofs?
Charly Fliegauf (lacht): Natürlich wäre es mal schön, vom Budget her ganz vorne mit dabei zu sein. Einfach um zu sehen, was man daraus machen kann. Aber wir sind mit dem, was wir haben, recht zufrieden. Skoda und VW bekennen sich zum Eishockey-Standort Wolfsburg - auch durch finanzielle Unterstützung. Klar kann man das nicht ansatzweise mit dem Fußball vergleichen, aber da holen wir einfach das Beste raus. In dieser Saison liegen wir vom Budget her ungefähr an achter Stelle.
SPOX: Gibt es eigentlich engeren Kontakt zum VfL?
Fliegauf: Ja, es gibt schon einen Austausch. Bei Spiel 4 im Viertelfinale war beispielsweise Andre Schürrle bei uns in der Halle, Marcel Schäfer schaut öfter mal vorbei. Unsere Spieler gehen natürlich auch mal zum Fußball, wenn es die Zeit zulässt. Aber es ist nicht immer so einfach, sich gegenseitig zu besuchen. Am Wochenende spielen eben beide Mannschaften.
SPOX: Das Budget ist durchschnittlich, dazu zählt Wolfsburg - mit Verlaub - nicht gerade zu den schönsten Städten des Landes. Macht Ihnen diese Kombination bei Verpflichtungen das Leben schwer?
Fliegauf: Es ist tatsächlich nicht so leicht, die Spieler für Wolfsburg zu begeistern. Da spreche ich aber eher vom wirtschaftlichen Faktor. Ansonsten ist es ein Vorurteil, dass Wolfsburg nur eine einzige Fabrik sei. Das stimmt so einfach nicht, man kann sich hier durchaus sehr wohl fühlen. Für die Familien unserer Spieler ist es beispielsweise schön. Die wohnen eng beisammen, weshalb es viel Kontakt unter den Spielern und ihren Familien gibt. Zugegeben: Für die jüngere Generation oder Singles ist es wieder anders. Die müssen dann schon mal nach Berlin fahren.
SPOX: Es kann aber auch ein Vorteil sein, wenn jüngere Spieler nicht so viele Gelegenheiten haben, um auf den Putz zu hauen.
Fliegauf (lacht): Das stimmt natürlich. Aber ernsthaft: Wir haben trotzdem einen guten Mix mit vielen jüngeren Spielern. Sie wissen, dass sie bei uns eine echte Chance bekommen. Dafür stehe auch ich als Manager.
SPOX: Das macht Wolfsburg durchaus mit Erfolg.
Fliegauf: Finde ich auch. Wir haben in den vergangenen Jahren einige deutsche Spieler herausgebracht, die bei uns quasi von der Wolldecke weg zu Nationalspielern wurden. Gut: Die sehen Wolfsburg teilweise ein bisschen als Zwischenstation, aber damit müssen wir leben. Wenn sie dann in Mannheim oder Ingolstadt landen, ist das eine Auszeichnung für uns. Es zeigt uns, dass wir einen guten Job machen und einiges für das deutsche Eishockey tun.
SPOX: Sorgen bereiten Ihnen schon seit Jahren die Zuschauerzahlen. In dieser Saison kamen zu den Heimspielen in der Hauptrunde durchschnittlich 2.421 Fans. Damit belegt Wolfsburg den letzten Platz in der DEL.
Fliegauf: Das ist ein Wermutstropfen, das muss ich zugeben. Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens ist es nicht so einfach, Leute von außerhalb der Stadt zu uns zu locken. Zweitens darf man den Schichtbetrieb nicht vergessen. Wenn wir spielen, dann haben zwei Schichten schon mal keine Möglichkeit, in unsere Halle zu kommen. Und drittens ist das Freizeitangebot in Wolfsburg riesengroß, auch wenn man es nicht glauben will. Beim Fußball müsste das Stadion jedes Mal ausverkauft sein, so wie die diese Saison spielen. Das ist nicht der Fall. Trotzdem bleibt festzuhalten: In Sachen Zuschauer haben wir Nachholbedarf. Wir werden in Zukunft versuchen, noch mehr Aufmerksamkeit auf uns zu lenken.
SPOX: Die Zuschauerzahlen passen nicht, dafür stimmen die Ergebnisse auf dem Eis. Wolfsburg steht zum dritten Mal in Folge im Halbfinale. Wie ist das möglich?
Fliegauf: Das sportliche Ergebnis der letzten drei Jahre ist in der Tat sehr gut und war realistisch gesehen so nicht zu erwarten. Ausschlaggebend dafür ist die Konstanz auf der Position des Trainers mit Pavel Gross. Zudem haben wir es geschafft, zumindest einen wichtigen Teil der Mannschaft zusammenzuhalten. Obwohl es für einige Spieler Möglichkeiten gab, woanders mehr Geld zu verdienen.
SPOX: Sie mussten dennoch einige Abgänge verkraften.
Fliegauf: Stimmt schon, gerade auf dem deutschen Sektor mussten wir Leute ziehen lassen, bei denen es uns sehr wehgetan hat und weshalb wir teilweise die Struktur der Mannschaft ein wenig verändern mussten. Dennoch gab es keinen kompletten Umbruch. Die Nachhaltigkeit ist da und das macht uns stolz.
SPOX: Die Grizzlies sind in den vergangenen drei Jahren in der Hauptrunde auf den Plätzen zehn, sechs und sieben gelandet und kamen trotzdem immer ins Halbfinale. Was zeichnet ein klassisches Playoff-Team wie Wolfsburg aus?
Fliegauf: Die Konstellationen müssen manchmal einfach passen.
SPOX: Das war in den bisherigen Playoffs der Fall.
Fliegauf: Man muss ehrlich sein: Die Pre-Playoff-Serie gegen Krefeld hätte auch anders ausgehen können. Diese erste Runde ist sehr schwierig. Die Serie ist mit dem Best-of-Three-Modus kurz, da kann es ganz schnell vorbei sein. Es war auf des Messers Schneide, das Heimrecht hat uns geholfen.
SPOX: Gegen München war es im Viertelfinale alles andere als eng. 4:0 - Sweep.
Fliegauf: Niemand konnte erwarten, dass wir wie geschnitten Brot durch das Viertelfinale marschieren würden. Nüchtern betrachtet ist München von der Finanzkraft her die Nummer eins der Liga. Deshalb war es schon eine Sensation, auch von der Art und Weise her. In München haben wir in beiden Spielen keinen Gegentreffer bekommen.
SPOX: Im Gegensatz zu den Bullen hatte man das Gefühl, dass bei Wolfsburg eine echte Einheit auf dem Eis stand.
Fliegauf: Das ist eines unserer Attribute. Wir können nur dann erfolgreich sein, wenn die Mannschaft geschlossen auftritt. Wir kommen aus einer Arbeiterstadt und sind eine Arbeitermannschaft. Wir hatten nie die überragenden Techniker, sondern waren immer ein starkes Kollektiv.
SPOX: Da wir gerade über die Serie gegen München sprechen. Wie bewerten Sie generell das Engagement von Red Bull im Eishockey?
Fliegauf: Ich finde es sehr gut, dass sich so ein riesiger Konzern wie Red Bull für Eishockey interessiert. Davon profitieren meiner Meinung nach letztendlich alle. Im Fußball wird Red Bull ja richtig angegangen. Ich habe keine Probleme mit denen, sondern sehe das sehr positiv.
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SPOX: Jetzt geht es gegen die Adler. Es kann keine zwei Meinungen geben: Wolfsburg ist krasser Außenseiter.
Fliegauf: Die Adler haben im Viertelfinale teilweise vier oder fünf Spieler auf die Tribüne gesetzt. Das alleine zeigt schon, welche Tiefe sie in ihrem qualitativ hochwertigen Kader haben. Wir werden die Sache genauso wie im Viertelfinale angehen. Wir gehen Mannheim auf den Sack, werden mit Leidenschaft agieren und einen heißen Kampf bieten.
SPOX: Gegen München glänzte Felix Brückmann im Tor. Will Wolfsburg eine Chance haben, dann muss er wieder alles abrufen, oder?
Fliegauf: Eine herausragende Torhüterleistung brauchen wir definitiv, das ist kein großes Geheimnis. Felix hat im Viertelfinale mit den Unterschied ausgemacht. Jetzt kommt für ihn noch eine Extraportion Motivation dazu, er spielt gegen seinen alten Klub. Wobei er nicht zu motiviert sein darf, das ist ein schmaler Grat.
SPOX: In der Hauptrunde gewann Wolfsburg zwei der vier Partien gegen die Adler. Ein zusätzlicher Mutmacher?
Fliegauf: Die Hauptrunde ist nicht mehr relevant. Ich verliere gerne vier Mal in der Hauptrunde gegen ein Team, wenn ich dann vier Mal in den Playoffs gewinne. Das beste Beispiel ist unser Viertelfinale gegen München. Im Vorfeld wurde thematisiert, dass Wolfsburg der beste Gegner für München ist, weil sie uns vier Mal geschlagen hatten. Was daraus wurde, wissen wir mittlerweile ja. Ich erwarte jedenfalls eine enge Serie. Und gegen Mannheim macht es eigentlich auch immer Spaß, die passen vom spielerischen her zu uns. Vor zwei Jahren haben wir sie rausgeworfen, da erinnere ich jetzt natürlich auch noch mal gerne dran (lacht).
SPOX: Lassen Sie uns über die generelle Entwicklung der DEL sprechen. Wie fällt Ihr Urteil aus?
Fliegauf: Die Entwicklung kommt ein bisschen ins Stagnieren. Die Zuschauer werden unter dem Strich zwar noch immer mehr, aber es wird schwierig, noch etwas drauf zu setzen. Es gibt viele Spiele. Viele Leute können sich die Dauerkarten nicht leisten und suchen sich die Einzelspiele heraus. Wir müssen weiter Wege finden, um unseren Sport gut zu präsentieren und ihn interessant zu machen. Servus TV hilft uns in diesem Bereich sehr, wie ich finde. Die machen viele Geschichten außen herum. Das ist der Weg, um dem Konsumenten Eishockey näher zu bringen. Wir müssen versuchen, nach Fußball die Nummer 2 zu sein. Da kämpfen wir mit Handball und Basketball auf einer Ebene, wobei wir meiner Meinung nach einen grundsätzlichen, nicht zu unterschätzenden Nachteil haben.
SPOX: Und der wäre?
Fliegauf: Dass wir durch den Helm, den die Spieler tragen, wenige Gesichter haben, die die Leute kennen. Für mich ist das ein wirklich ganz wichtiger Punkt. Andere Sportler erkennt man in der Stadt viel leichter.
SPOX: Meiner Meinung nach gibt es weitere problematische Punkte. Beispielsweise ist die Champions Hockey League, die quasi vor der Saison stattfindet, nicht wirklich attraktiv. Es gibt also keinen vernünftigen Europapokal.
Fliegauf: Ich stimme Ihnen teilweise zu. Ich habe auch ein Problem mit dem Format der Champions Hockey League mit ihren 48 Teilnehmern. In einer Champions League sollte eigentlich nur der Meister spielen, maximal noch ein weiterer Verein. Sechs oder sieben Teilnehmer pro Nation halte ich nicht für sinnvoll, auch wenn sich die Verantwortlichen dabei sicher etwas denken. Sie wollen einen großen Markt haben. Von der Wahrnehmung her halte ich das aber für schwierig. Im August ist kein großer Bedarf an Eishockey, da geht man eher ins Freibad.
SPOX: Unverständlich ist für viele Zuschauer auch, dass es in der DEL keine Auf- und Absteiger gibt.
Fliegauf: Ich bin mir relativ sicher, dass sich in dieser Hinsicht in den nächsten zwei, maximal drei Jahren etwas tun wird. Die Liga und die Gesellschafter wissen natürlich auch, dass es eine Art Merkmal des deutschen Sports ist, dass es Auf- und Absteiger gibt. Ein erster Schritt war die Verschmelzung zwischen DEL und DEL2. Wir arbeiten an einem Konzept, wie ein System mit Auf- und Absteiger durchführbar ist.
SPOX: Um den Eishockey voranzubringen, ist zudem eine erfolgreiche Nationalmannschaft wichtig. Wie sehen Sie als General Manager des DEB-Teams die aktuelle Lage?
Fliegauf: Wir bewegen uns momentan in der Weltrangliste zwischen Platz 12 und 14. Das ist logischerweise nicht unser Anspruch. Man muss aber ganz nüchtern feststellen, dass wir derzeit einfach nicht besser sind. Wir sind in erster Linie von unseren Spielern abhängig, die in Nordamerika spielen. Es ist ein großer Qualitätsunterschied, ob die bei einer WM dabei sind oder nicht.
SPOX: Wie sieht es in dieser Hinsicht mit der im Mai in Tschechien stattfindenden WM aus?
Fliegauf: Bundestrainer Pat Cortina ist mit mir gemeinsam sehr intensiv am Rudern, um mit der bestmöglichen Mannschaft nach Tschechien zu fahren. Wir sind dabei allerdings auch abhängig davon, was mit den Spielern in ihren Klubs los ist. Wie weit kommen die Jungs beispielsweise in den Playoffs. Pat ist kürzlich zwei Wochen durch Nordamerika gereist und hat alle möglichen Kandidaten besucht. Ich halte es für sehr wichtig, diese Spieler für das Thema Nationalmannschaft zu sensibilisieren.
SPOX: Und das ist nicht immer ganz so leicht, oder?
Fliegauf: Richtig. Es stellt sich folgende Frage: Wie heiß ist man als Spieler denn überhaupt auf das DEB-Team? Es sollte eine Ehre sein, für Deutschland zu spielen. Ich habe aber bei dem einen oder anderen Spieler den Eindruck, dass es auch ein bisschen eine Last ist.
SPOX: Ist es überhaupt sinnvoll, so einen Spieler dabei zu haben?
Fliegauf: Das ist eine Gratwanderung. Eigentlich sollten wir niemandem hinterherlaufen müssen. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, für Deutschland spielen zu wollen. Bei manchem Spieler fehlt mir das. Andere freuen sich, dabei zu sein.
SPOX: Die NHL-Stars sind das eine, der Nachwuchs ein weiteres Thema. Welche Fortschritte gibt es?
Fliegauf: Durch den Wechsel hin zu Präsident Franz Reindl ist da schon wahnsinnig viel passiert. Aber es gibt immer noch viele strukturelle Hürden, die man überwinden muss. Der DEB muss von klein auf bis zur U20 vorgeben, wie trainiert und gespielt wird. Es kann nicht sein, dass die einzelnen Landesverbände eigentlich bis zur U15 selbst entscheiden, was gemacht wird. In diesem Alter sind die Spieler fast schon fertig, was die Ausbildung betrifft. Man ist dabei, das alles neu zu ordnen. Dann haben wir gute Chancen, natürlich in Verbindung mit weiteren Maßnahmen, etwas zu entwickeln.
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