Massa: Der Ritter von der traurigen Gestalt

Von Alexander Mey
Felipe Massa rauschte am Start des Japan-GP in das Auto von Vitantonio Liuzzi
© Getty

Fünf Fahrer aus drei Top-Teams kämpfen um den WM-Titel. Beide Red-Bull-Piloten, beide McLaren-Piloten und Fernando Alonso im Ferrari. Nur Felipe Massa nicht. Er war in Japan ein Schatten seiner selbst. Geht seine Zeit bei Ferrari zu Ende?

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Was ist nur mit Felipe Massa los? Beim letzten Rennen in Japan stand der Ferrari-Pilot völlig neben sich. Platz zwölf in einem Qualifying, das Teamkollege Fernando Alonso als Fünfter beendete, dummer Startcrash in einem Rennen, in dem Alonso Dritter wurde.

Massa ist die einzige klare Nummer zwei in einem der Top-Teams. Ein frustrierender Job - und nicht mal den machte er in den letzten Rennen richtig. Als Nummer zwei sollte er möglichst immer genau hinter Alonso ins Ziel kommen und dessen Titelrivalen Punkte wegnehmen. In Singapur und Japan war er davon meilenweit entfernt.

"Ich bin nicht hier, um auf dem zwölften Startplatz zu stehen", sagte Massa selbstkritisch. "Ich muss um den ersten Platz kämpfen."

Di Montezemolo macht Druck auf Massa

Kämpfen ist das Stichwort. Tut Massa das nach der Stallorder in Hockenheim zu seinen Ungunsten noch mit letzter Konsequenz?

"Ich habe in den letzten vier Rennen sehr geduldig auf Felipe gewartet. Ich will einen starken Massa, der den Gegnern Punkte abnimmt", sagte Ferrari-Boss Luca di Montezemolo direkt nach dem Japan-GP. "Ferrari-Piloten fahren für das Team, nicht für sich selbst. Wer für sich selbst fahren will, wird es mit dem Team zu tun bekommen."

Klingt nach einer Drohung in Richtung Massa. Streng dich gefälligst mehr an oder dein Job bei uns steht auf der Kippe! Und das, obwohl Ferrari Massas Vertrag erst in dieser Saison bis 2012 verlängert hat, um ein Zeichen zu setzen.

"Massa wird die Überraschung der kommenden Rennen"

Offenbar bemerkte das auch die Ferrari-Presseabteilung und stellte einen Tag später auf der offiziellen Website folgende Aussage des Präsidenten online: "Ich bin mir sicher, dass Felipe die Überraschung der kommenden drei Rennen sein wird. Nach seinem schlechten Tag in Suzuka wird er ganz wild darauf sein, alles für eine Siegchance zu tun."

Natürlich nur, wenn er damit Alonso keine Punkte wegnimmt. Denn der ist der Boss. Das ist schon lange klar. Böse Zungen sagen, seit seiner Vertragsunterzeichnung. Viele denken, seitdem er Massa in China in der Boxeneinfahrt überholt hat. Wissen tun es alle seit Hockenheim.

Leidet Massa doch noch unter seinem Unfall?

Aber warum sieht Massa gegen Alonso kein Land? Nur, weil der Spanier so überragende Fähigkeiten hat? Die hatte Massa doch auch mal, zumindest 2008, als er im Duell mit Lewis Hamilton sogar für einige Sekunden Weltmeister war.

Erklärungsansätze gibt es einige. Da ist sein schwerer Unfall im vergangenen Jahr. Körperlich hat der 29-Jährige keine Spätfolgen davongetragen, aber vielleicht fehlt doch entgegen aller Beteuerungen das letzte Quäntchen Selbstsicherheit.

Alonso kommt viel besser mit den Reifen zurecht

Dann ist da die technische Komponente, die Massa zum Leidensgenossen ausgerechnet seines früheren Mentors Michael Schumacher macht. Wie der Rekordchampion kommt auch Massa mit den diesjährigen Reifen überhaupt nicht zurecht.

"Ich habe Probleme, die Reifen auf Temperatur zu bringen. Ich schaffe es in vielen Rennen nicht, 100 Prozent aus dem Auto herauszuholen. Fernando hat diese Probleme nie", erklärte Massa.

Auffällig ist in der Tat, dass Massa immer dann näher an Alonso dran war, wenn er im Qualifying die superweiche Reifenmischung zur Verfügung hatte. Ansonsten stand er in der Startaufstellung oft einfach zu weit hinten. 4:12 steht es im direkten Quali-Duell mit Alonso.

Keine Nestwärme, kein Selbstvertrauen

Diese Unterlegenheit gegen seinen Teamkollegen führt zum dritten Erklärungsansatz für Massas Schwäche. Ihm fehlt Selbstvertrauen. Massa ist ein harmoniebedürftiger Typ, der einen Lauf braucht, um das Maximum zu leisten.

Seine grandiose Saison 2008 ist das beste Beispiel. Massa war bei Ferrari gegen den lustlosen Kimi Räikkönen relativ schnell die Nummer eins und bekam vollen Rückhalt. Davon beflügelt, brachte der Brasilianer herausragende Leistungen.

Diese Nestwärme, die Massa damals bei Ferrari erfahren hat, ist neben dem Machtmenschen Alonso, der seinen Teamkollegen vom ersten Rennen an klein hält, abhanden gekommen.

Massa fühlt sich wie die Nummer zwei im Team, egal was er in der Öffentlichkeit sagt. "Er fühlt das Gleiche, was ich früher gefühlt habe", sagte Ex-Ferrari-Pilot Rubens Barrichello nach der Stallorder-Affäre von Hockenheim.

Teamwechsel nach 2011 ist eine Option

Er muss es wissen, schließlich ist er das mit Abstand berühmteste Stallorder-Opfer der Formel-1-Geschichte. Er sei wegen der Affäre von Österreich 2002 letztlich von Ferrari weggegangen, sagt Barrichello heute. Später bei Brawn GP und jetzt bei Williams blüht er auf.

Wäre das bei Massa ähnlich? Noch hat er angeblich den vollen Rückhalt von Ferrari und wird aller Voraussicht nach auf jeden Fall 2011 noch eine Chance bekommen. Aber noch so eine Saison, in der er neben Alonso untergeht, wird sein Präsident sicher nicht tolerieren.

Dann vielleicht doch lieber ein Wechsel zu einem anderen Team? Noch ist Massas Ruf gut genug, um nach 2011 ein konkurrenzfähiges Cockpit zu ergattern.

Vielleicht sollte er im Winter mal in Ruhe darüber nachdenken.

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