SPOX: Ihr Team wird für die sportliche Leistung zwar gelobt, viele Fans kritisieren aber, dass Sie für die Langeweile verantwortlich sind - obwohl Sebastian Vettel ohne Mercedes-Teilnahmen schon in Japan Weltmeister geworden wäre. Dazu gesellt sich Red Bull, die seit Monaten öffentlich Druck machen, um ab der Saison 2016 Powerunits von Mercedes oder Ferrari zu bekommen. Wie gehen Sie mit der Situation um, in eine Ecke gestellt zu werden?
Wolff: Es wäre einfacher, wenn Red Bull sich stattdessen hinsetzen und die Probleme hinter verschlossenen Türen lösen würde. Das Zweite ist: Man kann es niemals allen Recht machen. Wenn ein Team dominant ist - wie zuletzt Red Bull viermal hintereinander und Ferrari in den 2000ern sechsmal hintereinander - dann ist es für den Fan langweiliger. Wenn ich mir die Fankappe anziehe, sehe ich das genauso. Aber das ist nicht die Kappe, die ich habe. Mein Primärziel ist, uns so erfolgreich wie möglich und das Auto so schnell wie möglich zu machen. Das darunter der Fan, beziehungsweise Bernie Ecclestone leidet, weil die Serie nicht so spannend wie möglich ist, ist Fakt. Aber das ist nicht mein Problem.
SPOX: Die Quoten bezüglich Siegen und Pole Positions entsprechen aktuell relativ genau denen von McLaren-Honda in der Ära mit Ayrton Senna und Alain Prost. Glauben Sie, dass die aktuelle Mercedes-Dominanz in 25 Jahren ähnlich wahrgenommen wird?
Wolff: Wir sind jetzt im zweiten Jahr und gewinnen hoffentlich den Fahrertitel. Wenn man sich die Jahre ansieht, in denen Red Bull, Ferrari, McLaren-Honda oder Williams-Renault erfolgreich waren, dann sind wir noch nicht über so einen langen Zeitraum dominant. Ich glaube nichtsdestotrotz, dass wir mit Mercedes erfolgreich an die große Historie der 50er Jahre rund um den klassischen Silberpfeil und Juan Manuel Fangio angeschlossen haben. Insofern ist das jetzt eine ganz spezielle Zeit - Statistik hin, Statistik her. In der Zukunft wird man diese Jahre vielleicht als solche identifizieren, aber wir müssen die Kirche im Dorf lassen. Es ist noch viel zu tun.
SPOX: Im Hintergrund laufen derweil die Gespräche über die Zukunft der Formel 1. Zuletzt haben Sie bedeutende Zugeständnisse gemacht, um die Motorenentwicklung freizügiger zu gestalten. Das hätten Sie verhindern können, weil die Zustimmung aller Beteiligten nötig war. Sie hätten also ihre Überlegenheit zementieren können. Wieso haben Sie der Konkurrenz die Chance zum Aufholen gegeben?
Wolff: Wir haben in dem Fall vielleicht den Hut auf, dass wir auf einer Plattform agieren, auf der es konkurrenzfähige Teams geben muss. Honda und Renault sind für uns Hersteller, von denen wir uns wünschen, dass sie wie Ferrari mit uns auf Augenhöhe kämpfen. Deshalb können wir keine Hardliner sein und das Regelwerk immer nur in unsere Richtung optimieren. Wir müssen den anderen Luft zum Atmen geben. Honda ist ein Jahr später eingestiegen. Renault hat sich entschieden, wieder werksseitig teilzunehmen. Insofern ist eine Lockerung der Regularien im Sinne der Formel 1 und im Sinne von Mercedes. Wir sparen uns damit die Diskussion, dass die Motorenentwicklung eingefroren ist und die anderen nicht aufholen können. Es gibt gleiche Voraussetzungen für alle. Ich glaube, das ist wichtig.
SPOX: Die Teilnahme von Lotus oder Renault an der Saison 2016 ist allerdings noch nicht sicher. Es wurde nur eine Absichtserklärung unterzeichnet. Außerdem steht das Engagement von Red Bull weiter auf der Kippe. Bernie Ecclestone will in diesem Fall drei Autos der Topteams auf die Strecke bringen. Sie haben schon betont, die Umsetzung dessen selbst bei einem Verbleib aller Teams gutzuheißen. Ist das der Grund, warum Sie Pascal Wehrleins Zukunft nicht thematisieren? Weil Sie die Möglichkeit sehen, bald ein drittes Mercedes-Auto zu besetzen?
Wolff: (atmet tief ein) Ihre Frage trifft genau ins Schwarze. Die Antwort ist: Ja. Wir wissen noch nicht, in welche Richtung es geht. Ich finde, ein drittes Auto würde dem Fahrermarkt Bewegung verschaffen und es wäre für die Fans spannend, wie sich ein Wehrlein oder ein Stoffel Vandoorne in diesen Autos gegen die Superstars schlagen. Wir müssen nur sicherstellen, dass nicht drei Mercedes oder drei Ferrari auf dem Podium stehen - das ist das Detail, was zu lösen ist. Der Plan würde mir persönlich gut gefallen. Ich setze die Regeln aber nicht alleine durch. Ich kann nur versuchen, Impulse zu geben.
SPOX: Umgedreht: Wenn das dritte Auto nicht kommt, sprechen Sie mit Manor.
Wolff: Vielleicht sollte man da schon ein wenig früher sprechen. Aber es ist definitiv eine Alternative, die uns gut gefallen würde.
Seite 1: Wolff über den Vergleich mit Sammer und das Image von Rosberg
Seite 2: Wolff über die Langeweile, Zugeständnisse und Wehrlein
Kalender und WM-Stände der Formel 1 im Überblick