Mercedes hatte seine Prioritäten schon verschoben, als Renault zur Trennung bereit war. Statt mit Red Bull über das gemeinsame Marketing zu sprechen, begann der Austausch mit Manor. Am 1. Oktober wurde der Vertrag mit dem Hinterbänkler-Team offiziell gemacht. Mittlerweile soll Force India die für Red Bull angedachten Aston-Martin-Farben übernehmen.
Zumal Stuttgart ernsthafte Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Red-Bull-Interesse haben musste. Wolff als Teamchef fürchtete von Beginn an mehr um die Dominanz als Aufsichtsrat Lauda. Er musste sich aber dem Interesse der Konzernspitze fügen. Doch in der Formel-1-Sommerpause bekam er Wasser auf seine Bedenken-Mühle.
Silberpfeil-Angst vor VW
Bei einem Treffen mit dem damaligen VW-Boss Martin Winterkorn auf Mallorca, das Motorsport.com öffentlich machte, sollte es nur um die Zukunft der DTM gehen. Doch Motorsportfans unterhalten sich auch über die anderen Serien. Winterkorn, seit Jahren Befürworter eines Einstiegs der Volkswagen in die Formel 1, hörte von Wolff nur Positives.
Eine Verbindung zu Red Bull wurde deshalb zum Risikofaktor. Die Österreicher wollten den Kundenteamstatus eigentlich unbedingt verhindern, nur blieb ihnen keine andere Möglichkeit. Allerdings arbeiten sie seit Jahren in sämtlichen Sportarten als Sponsor zusammen: DTM, Rallye, Langstrecke, Dakar, Fußball.
Dass Red Bull seit Jahren mit Volkswagen über die Formel 1 sprach, muss letztlich dazu geführt haben, dass der Deal mit Manor favorisiert wurde: Wenn Red Bull Racing sich einmal aus bestehenden Abmachungen herauswindet, was würde dann geschehen, wenn Winterkorn seine Pläne in die Tat umsetzt und Audi ins Rennen schickt? Ein Wissenstransfer wäre kaum zu verhindern gewesen.
"Ich mache ihm keine Vorwürfe. Wenn ich er wäre, wäre das Letzte, was ich will, Red Bull mit meinen Motoren zu versorgen", sagte Ecclestone, der sich im Hintergrund intensiv als Moderator betätigt hatte: "Um Red Bull und insbesondere Christian Horner zu verteidigen: Er hat den Vertrag mit Renault beendet, damit er den vermeintlich sicheren Deal mit Mercedes, den sie zu haben geglaubt hatten, abschließen kann."
VW-Einstieg geht in Rauch auf
Das folgenschwere Missverständnis von Lauda und Mateschitz in Verbindung mit dem drohenden VW-Einstieg unter Winterkorn ließ den Red-Bull-Mercedes-Deal letztlich scheitern - auch wenn der Manager nach dem Abgasskandal abdanken musste und sein Nachfolger Matthias Müller ein erklärter Formel-1-Gegner ist.
Ferrari wollte ebenfalls nicht einfach seine Motoren in ein Siegerauto einbauen lassen. Als Gegenleistung forderte Konzernchef Sergio Marchionne eine technische Partnerschaft, um das eigene Aerodynamik-Wissen aufzurüsten.
FIA-Plan als Reaktion auf Red Bull-Dilemma?
Doch mit dem bloßen Scheitern der Deals und einer wahrscheinlichen Fortsetzung der Belieferung Red Bulls durch Renault ist die Geschichte der Saison 2015 noch lange nicht abgeschlossen. Der Verlauf rief die FIA auf den Plan.
Das Drohmittel, einen unabhängigen Motor auszuschreiben und für die Saison 2017 produzieren zu lassen, hat größere Auswirkungen, als die Kosten für die Antriebseinheiten zu senken und Ferraris seit den 1980ern zugebilligtes Veto-Recht zu umgehen.
Im Grunde dient es der Machtbeschneidung der Motorenhersteller. Der Fall Red Bull zeigt: Wird ein Privatrennstall zur ernsthaften Gefahr der Werksteams, können diese es problemlos ausbremsen und sogar zum Ausstieg zwingen.
Es war zwar ein Fehler von Red Bull, den bestehenden und für den Rennbetrieb unabdingbaren Motorenvertrag zu kündigen, ohne einen neuen Partner samt Unterschriften im Sack zu haben. Es ändert aber nichts daran, dass die aktuelle Situation dem Sport schadet.
Diktator Ecclestone verbündet sich mit Demokrat Todt
Dass Bernie Ecclestone als Autokratie-Verfechter gemeinsame Sache mit dem Automobilweltverband und seinem von ihm ungeliebten Präsidenten Jean Todt macht, zeigt die Brisanz.
Bei 30 Prozent der Teams ist noch immer völlig unklar, ob sie zur Saison 2016 überhaupt noch starten können. Während Red Bull keine Motoren für seine vier Autos findet, kämpft Lotus ums Überleben, weil Renault die angedachte Übernahme noch immer nicht finalisiert hat. In Brasilien schlossen die Sicherheitsbehörden das finanziell schwache Team mal wieder aus der Garage aus.
Ein Grund für die andauernde Hängepartie könnte ausgerechnet Red Bull sein: Der angeblich fertige neue Vertrag mit Renault sieht zwar die Lieferung von Powerunits für die Saison 2016 vor, er beinhaltet aber deutlich geringere Sponsorenzahlungen von Infiti und höhere Preise für die Antriebseinheiten. Damit würde der Wiedereinstieg als Werksteam finanziell aufgewertet.
Doch noch fehlt die Unterschrift eines Mannes: Dietrich Mateschitz. Der Konzernchef ließ zuletzt offen, ob er sein Formel-1-Engagement fortsetzen will. Allerdings ließ Horner nun durchblicken, dass Red Bull dabei bleiben werde. "Wir haben uns dazu verpflichtet", sagte der 41-Jährige: "Wir arbeiten hart an einem möglichst konkurrenzfähigen Auftritt."
Kauft Horner Red Bull?
Was aber würde ein Nein des Chefs bedeuten? Unklar. Eine Möglichkeit: Eine Übernahme von Red Bull Racing durch Horner nach Vorbild des Ross-Brawn-Honda-Deals im Jahre 2008.
Der neue Deal mit Renault soll beinhalten, dass die aktuelle Ausbaustufe des Verbrennungsmotors in Milton Keynes weiterentwickelt und mit eigenen Hybridsystemen ausgestattet werden darf. The Judge 13 meldete die Story exklusiv und erklärte, dass der frühere Mercedes-Motorenpapst Mario Illien schon seit einem Jahr mit Red Bull arbeiten würde. Somit könnte Horner der Gehilfe von Ecclestone und Todt werden und einen unabhängigen Motor anbieten.
Doch es gibt Zweifel an der Geschichte. Richtig ist: Illien arbeitete im Auftrag von Red Bull an Verbesserungsvorschlägen für den Renault-Antrieb. Die Franzosen entschieden sich aber, ihre eigenen Ideen umzusetzen. Falsch ist, dass er schon eine feste Arbeitsstelle in Milton Keynes hat. Das sagte der Schweizer Auto Motor und Sport.
Aber: Es wäre durchaus möglich, dass Red Bull Technologies der gesuchte unabhängige Motorenhersteller nach Cosworth-Vorbild wird. "Ich schaue mir mal an, was in der Ausschreibung steht. Dann entscheide ich, was ich mache", sagte Illien. Red Bull fährt im Jahr 2016 weiter Renault, dann mit eigenem Wings-Motor, der neuen Teams den Einstieg in die Königsklasse ermöglicht? Realitätsfern ist die Überlegung nicht.
Seite 1: Die ganze Geschichte hinter Red-Bull-Mercedes
Seite 2: Warum der Deal scheiterte und welche Chancen das bringt
Kalender und WM-Stände 2015 im Überblick