Auferstehung am Tag der Toten

Alexander Maack
03. November 201519:57
Unter Kontrolle. Nico Rosberg hatte Lewis Hamilton in Mexiko im Griffxpb
Werbung

Die Formel-1-Saison 2015 verspricht Spannung: Fünf Weltmeister, drei Deutsche, ein Haufen talentierter Neulinge. SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen von Sebastian Vettel, Lewis Hamilton, Fernando Alonso und Co. und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 17: Der Mexiko-GP.

SPOX

Platz 1, Nico Rosberg: Das Selbstvertrauen ist zurück. Jedenfalls muss es das sein. Rosberg hat innerhalb einer Woche schier unglaubliches geschafft: Dem erfolgreichen Überholmanöver gegen Lewis Hamilton in Austin folgte eine vor Dominanz triefende Leistung in Mexiko-City. Hätte er etwas besser machen können? Aus meiner Sicht nicht.

Bei jeder Tempo-Verschärfung von Hamilton klatschte ihm Rosberg im nächsten Umlauf eine neue Bestzeit um die Ohren. Er kontrollierte den Vorsprung dauerhaft, sodass der größte Konkurrent nie in DRS-Reichweite kam. Erst als Mercedes mit dem Zwang zum zweiten Reifenwechsel Hamilton einen Tarantelstich in den Hintern versetzte, holte der Brite leicht auf, bis das Safety Car die Jagd beendete. Der Vizeweltmeister fuhr am ganzen Wochenende vorne weg.

Die vierte Pole Position in Folge war der verdiente Lohn. Dieses Mal verwandelte Rosberg sie in einen überzeugenden Sieg. Das Abschirmen der Innenbahn beim Start, der souveräne Restart - Rosberg spielte den selbst erarbeiteten Vorteil perfekt aus. Die Jubelchöre der Mexikaner trafen den Richtigen. Eine Genugtuung? Sicher. Am Dia de los Muertes erstand Rosberg auf. Hamilton spielte nur bei süffisanten Sprüchen in einer eigenen Liga.

Platz 2, Daniil Kvyat: 0,001 Sekunden war der Russe im Qualifying schneller als Teamkollege Daniel Ricciardo. Den geringst möglichen Vorsprung machte Kvyat baute im Rennen deutlich aus. Mit einem exzellenten Start kassierte er Sebastian Vettel, seine Pace im ersten Stint auf den soften Reifen war deutlich besser als die des australischen Red-Bull-Piloten.

Kvyat zweiter Besuch auf dem Formel-1-Podium nach dem Ungarn-GP war fest eingeplant, als das Safety Car seine Position deutlich verschlechterte. Der Russe machte einen kleinen Fehler beim Beschleunigen in der Mansell-Kurve und gab dem Finnen so die Möglichkeit zum Überholen. Der einzige Grund für einen kleinen Punktabzug.

Platz 3, Valtteri Bottas: Von Startplatz 6 fuhr der Williams-Pilot zum achten Mal in seiner Karriere aufs Podium. Er hatte Glück. Der zweite Unfall binnen drei Rennen mit Kimi Räikkönen hätte sein Rennen beenden können. Der Williams bewies allerdings Destruction-Derby-Qualitäten. Bottas fuhr unbedarft weiter, Räikkönen ließ seinen Reifen an der langen Leine baumeln. Der zweite Glücksmoment: Die Safety-Car-Phase nach Vettels Abflug. Ohne sie wäre ein Angriff auf Platz 3 kaum möglich gewesen.

Trotz er glücklichen Umstände bleibt festzuhalten, dass Bottas ein gutes Wochenende erwischte. Nach dem frühen Boxenstopp arbeitete er sich entschlossen auf den Medium-Slicks durchs Feld. Vor dem Unfall mit Räikkönen hatte er sich etwa klug auf der Außenbahn positioniert, bis der Iceman die Tür in der folgenden Kurve zu schmiss.

Platz 4, Lewis Hamilton: Ein geschenkter Sieg für Rosberg? Der Weltmeister nach der Titelverteidigung nicht mehr voll motiviert? Wohl kaum. Hamilton versuchte Alles, um Rosbergs vierten Saisonsieg zu verhindern. Es reichte aber einfach nicht, weil der Deutsche zu gut war. Der Brite kam mit dem geringen Griplevel auf dem nagelneuem Asphalt einfach schlechter zurecht.

Das Mercedes-interne Duell verlor Hamilton schon am Samstag. Von der dreckigen Seite war er zu schwer, Rosberg beim Start auszubeschleunigen. Danach konnte er nur auf Fehler lauern. Zwar kam Rosberg kurz neben die Strecke, Hamilton egalisierte den Ausrutscher aber sofort. Unter dem Strich lieferte Hamilton trotzdem ein gutes Wochenende. Es fehlte nur ein Quäntchen mehr Pace im Qualifying. SPOX

Fest steht: Hamilton spielt mit dem Feuer. Zwar ist seine sportliche Leistung in dieser Saison unantastbar, bei zwei Grands Prix in Folge testete er aber Grenzen aus und überschritt sie. Nach dem zu harten Startmanöver in Austin, fügte sich Rosberg den Mercedes-Vorgaben komplett. Kein Wort zu den Vorfällen, kein Widerspruch beim Sicherheitsstopp. Hamilton dagegen diskutierte zwei Runden lang und musste erst per "Instruktion" daran erinnert werden, dass er für ein Team fährt und nicht für sich allein.

Platz 5, Sergio Perez: Als die Formel 1 letztmals in Mexiko gastierte, war Checo gerade mal zwei Jahre alt. Dass ihn sein erster Grand Prix im Heimatland besonders motivierte, ist klar. Perez brachte es auf den Asphalt. Mit seiner Ein-Stopp-Strategie schickte er sich an, Felipe Massa, Nico Hülkenberg und vielleicht sogar Daniel Ricciardo in der Schlussphase zu überholen. Allein das Safety Car stoppte das Durchflutschen.

Perez musste sich darauf beschränken, Platz 8 zu verteidigen. Ein Boxenstopp unter Gelb hätte ihn zu weit zurückgeworfen. Er machte das, was ihn auszeichnet: Das Maximum aus den Reifen herauszuholen. So hielt er Verstappen noch auf Distanz, bis sie nach 71 Runden die Zielflagge sahen. Im Force-India-Duell scheint der Mexikaner gegenüber Hülkenberg aktuell leichtes Oberwasser zu haben. Tatsächlich aber fahren beide auf Augenhöhe, der Deutsche hat derzeit einfach mehr Pech.

Seite 1: Hamilton spielt mit dem Feuer

Seite 2: Vettel landet dort, wo er nicht hingehört

SPOX

Platz 6, Marcus Ericsson: Punkte für den Sauber-Schweden - und zwar mit Ankündigung. Ericsson hat sich seit seiner Debüt-Saison bei Caterham deutlich gesteigert. Der 25-Jährige fährt konstant und macht weniger Fehler. Sein talentierter Teamkollege Felipe Nasr muss sich gewaltig strecken, um die Oberhand zu behalten.

In Q1 deutete Ericsson mal wieder an, dass er sogar das Talent für höhere Aufgaben hätte. Er wurde Zehnter. Letztlich reichte es für Startplatz 14, was dem Sauber.Potenzial eher entsprach. Im Rennen sicherte er Rang 12 ab, während Nasr ausfiel. Auch Ericsson hatte Probleme, weil seine Bremsen von Beginn an überhitzten. Er kühlte sie aber im Gegensatz zum Brasilianer ausreichend. Allein diese Leistung hat Punkte verdient.

Platz 7, Daniel Ricciardo: Im Qualifying nur knapp vom eigenen Teamkollegen geschlagen, verpasste Ricciardo im Rennen früh die Chance, das Red-Bull-Duell für sich zu entscheiden. Seine Pace auf soften Slicks kam nicht an die des Russen ran. Ob dafür der Kontakt mit Vettel beim Start verantwortlich war? Ich bezweifle es.

So blieb für Ricciardo der Kampf gegen die Williams. Bottas war zu schnell, doch Massa schnappte er sich. Das Heranpirschen und das Überholmanöver waren der Lichtblick im Rennen des Australieres, das ansonsten in die Kategorie "Oberer Durchschnitt" fiel.

Platz 8, Max Verstappen: Der Niederländer hätte in Lateinamerika Schumi-Geschichte wiederholen können. Der Rekordweltmeister wurde in seiner Debüt-Saison 1992 zuerst in Kyalami Vierter und fuhr danach beim Mexiko-GP erstmals aufs Podium. Verstappen scheiterte bei dem Versuch einer weiteren Aufholjagd. Die höheren Temperaturen am Sonntag ließen den Motor zu heiß werden. Management statt Attacke war gefordert.

Force India hatte sich nach dem Qualifying noch verwundert die Augen gerieben, dass der 18-Jährige sich vor Hülkenberg und Perez qualifizieren konnte. Verstappen machte seinen Job trotz Hitzewallung seiner Powerunit ordentlich. Er brachte den Toro Rosso auf Platz 9 ins Ziel. Es war sein fünftes Top-10-Finish in Folge. Nur Vettel schaffte für das Red-Bull-Juniorteam in der Saison 2008 eine noch längere Serie von Punkteresultaten.

Platz 9, Romain Grosjean: Der Lotus hat Schwächen. Bei Hochgeschwindigkeitskurven bockt die Diva, im engen Kurvengeschlängel ist der E23 einfach langsam. Grosjean konnte somit nur darauf hoffen, durch Fehler und Probleme der Konkurrenz in die Punkteränge zu kommen.

Das klappte - dank Vettel und Räikkönen. Mehr als der zehnte Platz war nicht drin. Immerhin ließ Grosjean wie gewohnt Teamkollege Pastor Maldonado in Qualifying und Rennen hinter sich.

Platz 10, Nico Hülkenberg: Der Le-Mans-Sieger fuhr auf einem ähnlichen Niveau wie Perez, er kassierte aber im Qualifying eine Niederlage und wäre auch im Rennen hinter dem Mexikaner gelandet, wenn Vettel mit seinem Unfall nicht für den Safety-Car-Einsatz und gleichzeitig für eine Wende im Strategie-Poker der Force-India-Fahrer gesorgt hätte.

Hülk verlor unter Gelb weniger Zeit beim Reifenwechsel als bei normaler Renngeschwindigkeit und erbte so Platz 7. Kein schlechtes Resultat, trotzdem fällt seine Leistung in dieselbe Kategorie wie die von Ricciardo. Glanzpunkte setzte der Emmericher an diesem Wochenende kaum.

Untauglich, Sebastian Vettel: Solch ein Wochenende kommt beim vierfachen Weltmeister ganz selten vor. Und ich hätte nicht erwartet, dass ich ihn in dieser Saison mal in der Kategorie einordnen würde. Doch in Mexiko war Vettel der schlechteste Fahrer im Feld. Statt Mercedes zu gefährden, startete er schlecht und schnitt dann Ricciardos Linie in Turn 1.

Von der Außenbahn kommend, hätte Vettel damit rechnen können, dass ein anderer Pilot die Kurve innen anbremsen würde. Doch damit nicht genug. Nachdem ihn seine Aufholjagd schon auf Platz 12 geführt hatte, leistete sich Vettel gleich zwei Fehler in derselben Kurve. Das Resultat war ein Einschlag in die Sicherheitsbarrieren von Kurve 7 und das vorzeitige Ende des Rennens. Die Leistung war schlecht. Überraschend ist sie, weil Vettel mit außergewöhnlicher Konstanz die bisherige Saison bestritten hatte.

Seite 1: Hamilton spielt mit dem Feuer

Seite 2: Vettel landet dort, wo er nicht hingehört

Kalender und WM-Stände 2015 im Überblick