Als Erstes haute Andreas Rettig einen ehemaligen Kompagnon an. In Freiburg hatte Rettig vier Jahre lang mit Volker Finke zusammengearbeitet. Nun erkundigte sich Augsburgs Manager bei Finke nach Hajime Hosogai, schließlich hatte der 62-Jährige den defensiven Mittelfeldspieler während seiner Zeit als Trainer der Urawa Red Diamonds unter seinen Fittichen.
Bei Schritt zwei halfen Rettig seine Beziehungen zu einem ehemaligen Arbeitgeber. In Leverkusen hatte er unter Reiner Calmund das Manager-Einmaleins gelernt, der Kontakt zu Bayer war auch nach Calmunds Abgang nie ganz abgerissen. Nun wollte er Hosogai mit der Unterstützung des Werksklubs nach Augsburg holen.
Hosogai: Gekauft und gleich verliehen
Noch vor Rettig war der 24-Jährige schon den Bayer-Scouts aufgefallen. Allerdings bestanden leichte Zweifel, ob sich der Japaner sofort in Leverkusen würde durchsetzen können.
Zusammen mit Rettig tüftelten die Bayer-Verantwortlichen deshalb einen Plan aus, der einen Tag vor Heiligabend umgesetzt und präsentiert wurde: Leverkusen verpflichtete Hosogai und gab gleichzeitig bekannt, dass der japanische Nationalspieler ab Januar für eineinhalb Jahre nach Augsburg in die 2. Liga verliehen wird.
Die ideale Konstellation für alle Beteiligten: Leverkusen hatte sich einen vielversprechenden Perspektivspieler gesichert, Rettig seinen Wunschspieler bekommen und Hosogai war bei seiner ersten Station außerhalb Japans bei einem Klub gelandet, bei dem ihm viel Spielpraxis winkt.
Verleihen als Ausbildungsstrategie
"Ohne die Unterstützung von Bayer 04 Leverkusen wäre dieser Transfer für uns nicht möglich gewesen", bedankte sich Rettig. Aus reiner Nächstenliebe oder der guten Kontakte wegen hatte Leverkusen den Deal allerdings nicht vollzogen, sondern vielmehr aus Kalkül und mit System.
Das Verleihen von Spielern ist für Bayer längst zu einer Ausbildungsstrategie geworden. "Wir betrachten jeden Spieler als Einzelfall. Aber grundsätzlich gilt, dass wir einen Spieler, der das Niveau für die erste oder zweite Liga besitzt, aber bei uns nicht genug Spielpraxis sammeln kann, lieber ausleihen, als ihn zu lange in der zweiten Mannschaft zu lassen", sagt Bayer-Manager Michael Reschke im Gespräch mit SPOX.
Sieben Spieler in der Bundesliga "geparkt"
In Leverkusen ist man überzeugt von diesem Weg, und auch der Konkurrenz nötigt Bayers Vorgehensweise Respekt ab. "Wenn man sieht, wie gut sich Spieler wie Bastian Oczipka, Jens Hegeler oder Stefan Reinartz entwickeln, ist das eine gute Strategie", sagte Frankfurts Trainer Michael Skibbe im "Kicker".
Derzeit hat Bayer so viele junge Spieler an andere Bundesligisten ausgeliehen wie nie zuvor. Thanos Petsos ist in Kaiserslautern "geparkt", Constant Djakpa in Hannover, Zvonko Pamic in Freiburg, Oczipka und Richard Sukuta-Pasu sind beim FC St. Pauli und Hegeler (Nürnberg) und Marcel Risse (Mainz) bereits beim zweiten Leihverein.
Allesamt sollen sie in der Fremde den nächsten Schritt machen, noch immer allerdings gehört jeder von ihnen der Bayer-Familie an, darauf legt man in Leverkusen Wert. Deshalb beschäftigt der Werksklub extra einen Mitarbeiter, der sich fast ausschließlich um die ausgeliehenen Akteure kümmert. "Dadurch ist zu den Spielern nach wie vor ein sehr enger Draht vorhanden", sagt Reschke. "Uns ist wichtig, dass wir den nicht abreißen lassen."
Entscheidung von Fall zu Fall
Bei wem eine Ausleihe überhaupt Sinn macht, wird in Leverkusen von Fall zu Fall und ganz individuell entschieden. "Das lässt sich nicht pauschalisieren", sagt Reschke. "Manche Spieler profitieren sehr davon, täglich mit den Profis zu trainieren und entwickeln sich so weiter. Andererseits gibt es auch Spieler, die würden bei uns vielleicht den Sprung in den 18er-Kader schaffen, dort aber eher einen Schritt zurück machen, wenn sie ein paar Wochen oder Monate nicht regelmäßig spielen."
Genötigt, sich ausleihen zu lassen, wird in Leverkusen niemand. "Es ist immer ein Angebot von Seiten des Vereins", sagt Reschke. Die letzte Entscheidung liegt beim Spieler. "Wir können und wollen keine Entscheidung über den Kopf eines Spielers hinweg treffen. Er muss das wollen."
Die oberste Maxime bei Bayer-Leihgeschäften lautet: Alle drei Parteien müssen das Gefühl haben, dass es eine gute und richtige Entscheidung ist. Deshalb werden die Klubs, zu denen Bayer-Akteure verliehen werden, auch ganz gezielt ausgesucht. Nach verschiedenen Kriterien.
Auswahl der Klubs nach bestimmten Kriterien
Als Grundvoraussetzung muss ein möglicher neuer Verein "Positionsbedarf" (Reschke) haben, um dem Leihspieler die Perspektive zu bieten, möglichst viel Spielpraxis zu sammeln. Ganz zentral ist aus Bayer-Sicht zudem das sportliche Umfeld, allen voran der Trainer.
"Bei all unseren Spieler, die wir innerhalb der Bundesliga verliehen haben, haben wir das Gefühl, dass sie sehr gute Trainer haben. Das ist für uns von großer Bedeutung", sagt Reschke.
"Wir müssen das Vertrauen haben, dass wir mit hochkompetenten Trainern zusammenarbeiten, die unsere Spieler weiterbringen können und sie fördern."
Darüber hinaus wählt Bayer nur Klubs aus, zu denen man eine gute Beziehung pflegt, denn "neben der sportlichen Seite ist wichtig, dass wir einen Verein finden, mit dem wir auch eine Lösung bei Vertrags- und Rückholmodalitäten finden", erklärt Reschke.
Bislang gab's dabei noch nie Probleme. Leverkusens Leihkonzept hat sich bewährt. Zwar nahmen in der Vergangenheit auch Spieler wie Sascha Dum, Pierre De Wit oder Assimiou Toure letztlich nicht die gewünschte Entwicklung, bei Leuten wie Reinartz, Pirmin Schwegler oder Tranquillo Barnetta entpuppte sich die Ausleihe allerdings als wichtiger Impuls für den nächsten Karriereschritt.
Den will nun auch Hajime Hosogai machen.