SPOX: In der Türkei sagen sie bestimmt: Wann kommt der Nationalmannschaftskapitän endlich in die Süper Lig?
Altintop: Es wird viel spekuliert und an der einen oder anderen Sache ist auch was dran. In Brasilien holen sie ihre Leute auch gerade wieder ins Land zurück. Nur logisch, dass das in der Türkei auch passiert. Das ist eine sehr gute Idee. Ich persönlich weiß noch nicht, ob mich das wirklich anspricht. Es ist aber auf jeden Fall eine Option.
SPOX: Bislang hieß es eher: Hamit Altintop möchte in der Bundesliga bleiben.
Altintop: Ich habe die Türkei nie kategorisch ausgeschlossen. Das wurde oft falsch dargestellt. Vielleicht ist es ja durchaus reizvoll, eine Anfrage von einem Klub zu haben, der meine Arbeit schätzt.
SPOX: Gibt es im Hause Altintop den Wunsch, wieder zusammen mit Bruder Halil zu spielen?
Altintop: Es wäre cool, wenn es irgendwann noch mal klappt. Aber das Interesse daran ist in den letzten Jahren weniger geworden, weil sich jeder selbst verwirklichen will. Klar, dabei ist nicht immer alles nach Plan verlaufen. Aber jeder ist seinen Weg gegangen.
SPOX: Wie wichtig ist Familie für Sie?
Altintop: Das wichtigste ist mein Glaube, aber ganz nahe dahinter kommt meine Familie.
SPOX: Wer ist der wichtigste Bezugspunkt in Ihrem Leben?
Altintop: Mein Bruder, in sportlichen Angelegenheiten mein Berater. Aber für meine Familie bin eigentlich ich der Bezugspunkt.
SPOX: Ihre Mutter sah es früher nicht gerne, wenn Sie und Halil gegeneinander gespielt haben.
Altintop: Das hat sich mit der Zeit gelegt. Es ist ihr mittlerweile wichtiger, dass wir gesund bleiben und zufrieden mit unserem Leben sind. Am wichtigsten ist ihr, dass wir mit uns selbst im Reinen sind. So hat sie uns auch erzogen.
SPOX: Der Pokal, den Sie für das Welttor des Jahres 2010 erhalten haben, ging deswegen an die Mama?
Altintop: Stimmt, der steht in Gelsenkirchen. Allerdings in meinem Schlafzimmer. (lacht)
SPOX: Mütter sagen ja gerne mal: Sohn, Du musst jetzt langsam mal heiraten.
Altintop: Klar ist ihr das wichtig und steht bei ihr ganz weit oben, wenn ich mal zuhause bin. 'Wie sieht es aus? Du bist doch langsam in dem Alter...' Aber ich muss sagen, dass ich von diesem Punkt noch relativ weit entfernt bin. Ich lasse mich von meiner Mama nicht verrückt machen. (lacht)
SPOX: Wie schwer ist es als Bayern-Profi, die passende Frau kennenzulernen?
Altintop: Das werde ich komischerweise oft gefragt. Man könnte aber genauso gut sagen: Es ist doch eigentlich relativ einfach, oder? Der eine sagt, dass es die perfekte Frau nicht gibt. Der andere sagt, man muss sich seine Frau ein bisschen formen. Fakt ist: Ich möchte diesen Schritt nur einmal im Leben machen.
SPOX: Sind Sie schüchtern?
Altintop: Das würde ich nicht sagen. Ruhig ja, aber nicht schüchtern.
SPOX: War Fußball als Kind Ihr Mittel, sich auszudrücken?
Altintop: Teils teils. Es hat mir vieles leichter gemacht. Ich wurde schon früh als talentierter Sportler angesehen und so wurde das automatisch zum Mittelpunkt. Aber egal, ob ich als erfolgreicher Fußballer oder etwas anders angesehen werde - meine Kraft ziehe ich aus meinem Glauben.
SPOX: Ist Franck Ribery für Sie deshalb ein besonderer Bezugspunkt im Team, weil er Ihren muslimischen Glauben teilt?
Altintop: Schwer zu sagen. Ich habe zu allen einen guten Draht, aber Franck kennt die türkische Mentalität eben sehr gut. Sowohl aus seiner Zeit in Istanbul als auch durch sein persönliches Umfeld in Frankreich.
SPOX: Was verbindet Sie mit einem anderen Deutsch-Türken, mit Mesut Özil?
Altintop: Freundschaft. Ich habe seine Entwicklung in den ersten Jahren sehr intensiv verfolgt, wir haben schließlich in derselben Stadt gewohnt und beim selben Verein gespielt. Ich habe auch nach meiner Schalker Zeit noch oft mit ihm gesprochen. Wir haben denselben Berater und am 24. Dezember sind wir jedes Jahr zusammen. Yildiray Bastürk, Nuri Sahin und mein Bruder sind dann normalerweise auch dabei.
SPOX: Wie läuft das ab?
Altintop: Wir gehen Essen und bleiben dann auch mal länger zusammen. Wir reden über Gott und die Welt, lassen uns verwöhnen. Gutes Essen, Musik - ein echter Männerabend eben.
SPOX: Mit Franck Ribery haben Sie Mekka besucht.
Altintop: Wir hatten ein Testspiel in Saudi-Arabien. Wir durften nur eine Halbzeit spielen und anschließend dank der Bayern-Verantwortlichen für zwei Stunden nach Mekka fahren. Die Idee kam von meiner Mutter, die sagte, dass ich das wahrnehmen sollte, wenn ich schon mal da bin. Deswegen habe ich es beim Verein angesprochen, der uns das dann netterweise möglich gemacht hat.
SPOX: Wie darf man sich einen Mekka-Besuch vorstellen?
Altintop: Es geht eine unbeschreibliche Energie von diesem Ort aus. Ich weiß wirklich nicht, wie ich es beschreiben soll - denn prinzipiell ist es eine Sache, die zwischen Allah und mir abläuft. Mein Glaube ist das einzige, was keiner sieht. Egal, ob die Sonne scheint, oder ob es regnet. Eine Tasse kann man beispielsweise in die Hand nehmen, aber sie kann kaputt gehen. Man kann sich an seiner Familie festhalten, aber Familienmitglieder können sterben. Nur der Glaube ist etwas, an dem ich immer festhalten kann.
SPOX: Klingt nach einem interessanten Ansatz.
Altintop: Ich kann nicht sagen, dass ich mich schon hundertprozentig mit dem Islam auskenne. Ich kann auch nicht sagen, dass ich wirklich alle Regeln für ein gesundes Leben einhalte. Aber was mir der Glaube alleine so schon gibt, ist unglaublich. Wenn ich alles für ein gesundes Leben umsetzen könnte, wäre das unbeschreiblich. Nur bin ich noch nicht so stabil und konnte noch nicht alle meine Schwächen verbessern.
SPOX: Zum Beispiel?
Altintop: Bei uns sagt man zum Beispiel, dass man über gute und schlechte Taten nicht redet.
SPOX: Es geht also um Bescheidenheit.
Altintop: Es geht darum, dass etwas, das für mich gut ist, für jemand anderen vielleicht schlecht ist. Wir sind aber nicht dazu geschaffen, das einzuordnen.
SPOX: Wollen Sie denn auch mal eine echte Pilgerfahrt nach Mekka unternehmen?
Altintop: Das ist mein Wunsch, ja. Das muss nicht unbedingt nach der Karriere sein, aber man muss zu hundert Prozent bereit dafür sein.
Hamit Altintop im Steckbrief