SPOX: Herr Koch, Sie wurden vor fünf Jahren von gegnerischen Fans mit Böllern beworfen. Einer explodierte in Ihrer Hand, woraufhin Sie Ihre Karriere letztlich beenden mussten. Wie schnell ist die Zeit seitdem vergangen und wie geht es Ihnen heute?
Georg Koch: Sie ist schnell vergangen, keine Frage. Anfangs war es relativ schwer. Ich war körperlich außer Gefecht, fast taub und hatte Probleme mit dem Gleichgewicht. Da fragt man sich natürlich, was man nun tut, wenn man so aus dem Leben gerissen wird. Fußball war immer mein Leben und plötzlich war das weg. Mittlerweile geht es mir wieder besser.
SPOX: Sie standen damals bei Rapid Wien im Tor. Beim Derby gegen Austria kam es dann zu dieser Böller-Explosion. Während Sie schwer verletzt auf dem Boden lagen, beschimpften Sie die Gästefans im Block hinter Ihnen. Haben Sie die Szenen später auf Video gesehen?
Koch: Ja, mehrmals. Ich dachte, es wäre ein bengalisches Feuer, habe es aufgehoben und wollte es wegwerfen. Bei der Explosion wurde mir schwarz vor Augen und alles war plötzlich weg. Als ich die Szene erstmals danach gesehen habe, war ich innerlich leer. Mittlerweile habe ich sie öfter gesehen, auch weil wir ja gerade einen Prozess führen.
SPOX: Dabei geht es um Schadensersatz, nach wie vor gibt es allerdings keinen Täter. Es wird mittlerweile gegen die Sicherheitsfirma am Einlass prozessiert.
Koch: Richtig, der Prozess läuft noch, es geht da um eine Schmerzensgeldsumme und es ist wirklich mühselig. Mal sehen, was rauskommt. Mir geht es darum, dass die Fehler aufgezeigt und aufgedeckt werden.
SPOX: Sind Sie im Rückblick enttäuscht von Rapid und hätten sich mehr Unterstützung erhofft?
Koch: Nein. Enttäuscht bin ich weder von Rapid noch von der Austria. Ich bin enttäuscht von dem Zuschauer. Er sollte die Eier haben, sich zu stellen und zu seinem Fehler zu stehen. Wenn ich heute sehe, was in den Stadien los ist, dass Menschen verletzt werden und Verletzungen in Kauf genommen werden, kann ich das nicht nachvollziehen.
SPOX: Sie haben einige Monate nach Ihrem Rücktritt psychologische Hilfe in Anspruch genommen. Wie schwer war die Überwindung?
Koch: Man merkt am Anfang nicht, wie schnell man in ein Loch fällt. Ich war es gewohnt, täglich zu trainieren und Vollgas zu geben. Plötzlich war ich nach einer Übung völlig fertig, hatte keine Kraft mehr. Zum Glück ist mein Schwiegervater Arzt und hat sehr früh gemerkt, wie verzweifelt ich wurde. Mittlerweile habe ich die psychologische Behandlung erfolgreich abgeschlossen und schaue zuversichtlich nach vorne.
SPOX: Maßgeblichen Anteil daran hat Ihre Familie. Wie hoch war die Belastung für Ihre Frau und Kinder?
Koch: Natürlich groß. Ohne sie und meine Freunde wäre das nicht zu schaffen gewesen. Meine Tochter war damals auch im Stadion, aber zu klein um zu verstehen, was mit ihrem Papa da passiert. Mittlerweile kann ich mit ihr und meinem Sohn im Garten Fußball spielen, ein tolles Gefühl.
SPOX: Zuletzt waren Sie in Dubai Torwart-Trainer. Der erste Schritt in Richtung Trainer-Karriere?
Koch: Ich hoffe es. Mir macht die Arbeit mit Torhütern extrem viel Spaß, ich kann da viel weitergeben. In Dubai habe ich jedenfalls viel Erfahrung gesammelt, auch wenn sich der Eigentümer zum Schluss entschlossen hat, ein neues Trainer-Team einzustellen. Dann kam die Kündigung per Email. Derzeit bereite ich mich weiter vor und plane auch einige Hospitanzen bei verschiedenen Vereinen. Dann bin ich für die neue Saison sicher bereit. Nebenbei bin ich auch bei einer Werbeagentur, um etwas hinter die Kulissen des Sports zu schauen.
SPOX: Mit Blick auf Ihre Karriere: Sind Sie - unabhängig vom tragischen Ende - zufrieden?
Koch: Ja, absolut. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und war insgesamt 20 Jahre lang Profi, das muss man erst mal schaffen. Über das Ende kann man streiten, darüber ärgere ich mich natürlich heute noch. Man will sich ja vom Publikum verabschieden. Aber ich schaue jetzt nach vorne und will wieder zurück auf den Markt.
SPOX: Gibt es etwas, das Sie im Rückblick anders machen würden?
Koch: Eigentlich nur eines: Als ich damals nach Eindhoven gewechselt bin, hatte ich zu wenig Geduld. Ich war jung und kurz vor dem Nationalteam. Da bin ich dann bei meiner ersten Auslandsstation zu ungeduldig gewesen und habe vorzeitig abgebrochen, anstatt auf meine Chance zu warten.
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