Der Transfer aus Sicht von Shinji Kagawa:
Rein äußerlich betrachtet wirkte Kagawa nicht hochgradig glücklich, wenn man sich die Bilder anschaut, die rund um die Vollzugsmeldung am Sonntag veröffentlicht wurden.
Auch wenn über das wahre Seelenleben des Japaners nur spekuliert werden kann, wird auch er gemerkt haben: Der einstige Kindheitstraum Premier League ist ausgelebt, die sportliche Bilanz mager.
In Kagawas Heimatland ist die englische Liga das Maß aller Dinge und ein unglaublicher Zuschauermagnet. Es war verständlich, dass ihn vor zwei Jahren diese Perspektive reizte. Dass Kagawa auf der Insel sein Glück nicht fand, ist auch nicht gänzlich ihm selbst zuzuschreiben.
Sir Alex Ferguson beging den Fehler, sich erst in den wendig-trickreichen Bundesliga-Zehner Kagawa zu verlieben - und ihn dann doch umfunktionieren zu wollen. Kagawa war es nicht gewohnt, auf einmal nur noch situativ im Zentrum aufzutauchen und ansonsten die Breite auf dem Flügel zu halten.
In mehr als zwei Dritteln seiner Spiele für die Red Devils musste er auf der Außenbahn ran. Dort beraubte man ihn seiner Stärken im Pressing, die Torgefahr ging flöten und von seiner hohen Beweglichkeit und den Drehungen auf engstem Raum war auch kaum mehr etwas zu sehen.
Andererseits darf es bei einem Spieler seiner Klasse nicht in Stein gemeißelt sein, ein anderes Aufgabengebiet im Mittelfeld nicht beackern zu können. Kagawa wird bei United wohl kaum mit der Gewissheit unterschrieben haben, eine vollkommen identische Rolle wie in Dortmund einzunehmen. Ob man es Kagawa nun ankreidet oder nicht, er war unter zwei verschiedenen Trainern nicht in der Lage, die fußballerischen Anforderungen an ihn zu erfüllen.
Kagawa spielte im Old Trafford daher lediglich 14 Mal über die vollen 90 Minuten. Nach David Moyes sah auch Louis van Gaal keine weitere Verwendung für ihn. Deshalb machte es jetzt Sinn, das Kapitel England endgültig zuzuschlagen.
Dass dieser Schritt und somit wohl auch unterschwellig die Einsicht, gescheitert zu sein, zu spät kam, ist allerdings ein kaum berechtigter Vorwurf. Kagawa musste in Manchester ungeachtet seiner genauen Position mit Anlaufschwierigkeiten rechnen. Wieso dann also gleich nach einem wenig konstanten Jahr die Flinte ins Korn werfen, zumal sich im Klub auf entscheidender Position eine historische Veränderung ergab?
Als van Gaal nun gewohnt unmissverständlich klarmachte, dass sich Kagawas Situation unter ihm eher verschlimmern als verbessern wird, fand beim 25-Jährigen ein nötiges Umdenken statt. Der Zeitpunkt des Abgangs kommt also weder zu spät, noch zu früh.
Erneut den BVB als Arbeitgeber auszuwählen, ist ebenso nachvollziehbar. Dort kennt Kagawa Trainerteam, Mitspieler und Umfeld. Hilfreich für das Unterbewusstsein dürfte dazu das Wissen sein, an genau diesem Ort schon einmal prächtig funktioniert zu haben.
Für Kagawa bedeutet der Transfer einen sportlichen Neustart - im warmen Dortmunder Nest.
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