Die Ausgangslage
Vier Punkte sind es auf Hoffenheim und Gladbach, derer zehn sogar auf den BVB. Der Rekordmeister dreht schon vor dem achten Spieltag relativ einsam seine Runden an der Tabellenspitze. Böse Zungen prophezeien schon jetzt eine langweile Saison - doch sind es dieselben, die die Münchner in der noch jungen Spielzeit schon in mehrere Krisen geredet hatten.
Bis auf das Spiel gegen erschreckend wehrlose Stuttgarter legten die Bayern einen spielerisch verhaltenen Start hin. Der Dreier im Eröffnungsspiel gegen den VfL Wolfsburg gelang auch dank des Fehlschusses des Jahres von Junior Malanda. Am zweiten Spieltag gab's ein 1:1 auf Schalke, zwei Wochen darauf ein torloses Remis beim Tabellenletzten aus Hamburg. Ein Stotterstart - angesichts der patzenden Konkurrenz und der eigenen Ausbeute - auf hohem Niveau.
Natürlich lief und läuft an der Isar noch nicht alles rund, es war zu sehen, dass vielen Spielern nach der kurzen Vorbereitung am Ende der Partien die Kraft fehlte. Doch wurde das Auftreten des Teams unter den Nachwehen der WM mit den vielen Verletzten zum Politikum aufgeblasen. Undefiniert sei das Spiel der Roten, die Findungsphase dauere zu lange und warum spielt Guardiola in dieser sensiblen Phase plötzlich mit einem gänzlich neuen System?
Die bayerische Identitätskrise war spätestens ausgerufen, als mit Pepe Reina und Xabi Alonso nach Juan Bernat die Spanier Nummer zwei und drei in der aktuellen Saison in München aufschlugen und damit die spanische Fraktion um Thiago und Javi Martinez erweiterten. Hinter dem Kader wollten einige keine klare Idee erkannt haben. Also wurde eine Spanier-Debatte über das bröckelnde Selbstbild des Mia-san-Mia-Klubs angezettelt, anstatt zu erkennen, dass ein Reina schlicht und ergreifend der mit Abstand beste zweite Torwart ist, den die Bundesliga zu bieten hat. Und dass Alonso perfekt in Guardiolas Masterplan passt und der optimale Ersatz für die Langzeitverletzten Bastian Schweinsteiger und Thiago ist - und aufgrund seiner Erfahrung sofort liefern konnte.
Guardiola hat mit vier von sechs Titeln eine phantastische Debüt-Saison hinter sich. Die vollständige Integration bei den Bayern ist aber noch lange nicht abgeschlossen - und das nicht nur, weil Guardiola seine Idee vom Fußball selbst ständig weiterentwickelt. Pep muss seine taktischen Gedankengänge, seine Überlegungen mit den Vorstellungen und dem Material beim Rekordmeister kombinieren. Das wird Guardiolas große Aufgabe in seiner zweiten Spielzeit.
Seit seiner ersten Pressekonferenz gehört das Wort "anpassen" zu seinen Lieblingsbegriffen. Er hat auch immer wieder betont, dass Bayern ja erst seine zweite Trainerstation und er ein Lernender sei. Er kam nicht als der dogmatische Messias des Barca-Fußballs, wie er oft dargestellt wurde.
Mit Toni Kroos hat der Bayern-Coach einen höchst geschätzten Spieler im Mittelfeld verloren, in Alonso aber seinen Wunschregisseur bekommen. Den Deal von Robert Lewandowski fädelte der Verein schon vor Peps Ära ein. Doch wer könnte den mit dem Rücken zum Tor unfassbar starken Polen besser beliefern als der Neuzugang aus Madrid mit seinen punktgenauen, weiten Zuspielen?
Pep arbeitet weiter an "seinem" FC Bayern und erweitert gleichzeitig sein eigenes Repertoire. Das zu Unrecht oft kolportierte Barcelona 2.0 - eine Diskussion, die sich alleine aus dem Namen des Trainers und der Tatsache speist, dass Bayern als eine der besten Mannschaften der Welt natürlich dominant auftritt - rückt damit noch mehr in die Ferne. Mit den neuen Spielern und dem neuen System ist Guardiola den nächsten Schritt in Richtung seiner Idealvorstellung gegangen. Dass Pep mit der Verpflichtung Alonsos, der Einführung der Dreierkette sowie dem neuen Stürmertyp Lewandowski seine taktische Grundausrichtung der Vorsaison geändert hat, zeigen die OPTA-Daten.
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