Die Ruhe des jungen Mannes

Jochen Tittmar
24. Juli 201510:38
Kosteten den BVB zusammen 18 Millionen Euro: Roman Bürki, Julian Weigl und Gonzalo Castrospox
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Mit bislang drei Neuzugängen geht Borussia Dortmund in die neue Saison - die von einer Leihe zurückgekehrten Spieler nicht mit eingerechnet. Wie haben sich Roman Bürki, Julian Weigl und Gonzalo Castro bislang geschlagen - und welchen Rolle werden sie unter Trainer Thomas Tuchel spielen? SPOX fasst die bisherigen Eindrücke zusammen.

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Roman Bürki (4,5 Mio. Euro vom SC Freiburg)

Der Schweizer hat in seiner ersten Bundesligasaison beim SC Freiburg vor allen Dingen bewiesen, dass er ein fußballerisch hervorragend ausgebildeter Torhüter ist. Bürki besticht durch gut getimte Abschläge aus der Hand, genauso kann man ihn als letzten Abwehrspieler ins Aufbauspiel miteinbeziehen.

Diese Komponente ist es auch, die ihn erheblich von Konkurrent Roman Weidenfeller unterscheidet: Der Weltmeister hat sich in den letzten Jahren mit Ball am Fuß zwar deutlich gesteigert, ihm eine Spielstärke zu attestieren, wäre jedoch zu viel des Guten.

Besonders klar zeigte sich dieser Kontrast in Dortmunds letzten beiden Testspielen, als die Keeper jeweils die vollen 90 Minuten zwischen den Pfosten standen. Bürki positionierte sich bei der 1:2-Pleite in Bochum bisweilen sehr hoch im Feld und bildete mit den breit stehenden Innenverteidigern eine Dreierkette.

Seine Mitspieler suchten Bürki auch, das Vertrauen in seine fußballerischen Fertigkeiten ist bereits vorhanden. Sein schwacher Fuß - der Linke - ist deutlich stärker als Weidenfellers Pendant (rechts).

Weidenfeller konnte in Luzern (4:1) in diesem Bereich keine Pluspunkte sammeln, er nahm mehrere Rückpässe auf dieselbe Art und Weise auf und drosch sie relativ unkontrolliert Richtung Mittelfeld.

Als Typ macht Bürki sowohl auf als auch außerhalb des Platzes einen selbstsicheren Eindruck. Auf der Pressekonferenz am Dienstag bezeichnete er sich als modernen Torhüter.

Wie er bereits in mehreren Statements äußerte, würde er sich mit dem Status der Nummer zwei nicht zufrieden geben. Inwiefern ein Job-Sharing - Weidenfeller spielt im DFB-Pokal und der Europa League, Bürki in der Bundesliga - in Frage kommt, ist fraglich. Trainer Thomas Tuchel will sich mit der Entscheidung in der Torwartfrage noch nicht beschäftigen. "Es ist alles vorstellbar", sagte er am Montag. Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

Was für Bürki als neue Nummer eins spricht, ist nicht nur die Tatsache, dass der Schweizer auf Tuchels Wunsch hin aus dem Breisgau losgeeist wurde. Auch Tuchels Definition des Torwartspiels scheint Bürki zu favorisieren.

Gerade bei Gegnern, die Dortmunds Abwehr aggressiv anlaufen werden, "hilft es auf jeden Fall, wenn sich der Torhüter selbstbewusst traut und wohlfühlt, ein Spiel zu eröffnen und im Spielaufbau seinen Strafraum zu verlassen", so der Coach.

Mit einem solch mitspielenden Torhüter will Tuchel erreichen, dass die Passabstände zu den Innenverteidigern gering bleiben und das Tempo im Aufbauspiel nicht abebbt.

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Julian Weigl (2,5 Mio. Euro von 1860 München)

Jüngster Spielführer aller Zeiten bei 1860 München, die "Taxi-Affäre" inklusive des Verlusts der Kapitänsbinde, eine Saison im Abstiegskampf - trotz all dieser Widrigkeiten schien sich Tuchel im Vorjahr dennoch in Weigl verguckt zu haben.

Der 19-Jährige hat erst 39 Pflichtspiele als Profi auf dem Buckel, doch gehört er beim BVB schon jetzt zu den Gewinnern der bisherigen Vorbereitungsphase.

Weigl kam in jedem Testspiel zum Einsatz und bewies große Anpassungsfähigkeit an die höhere Intensität. Der Youngster glänzt mit einer hohen Passsicherheit und guten Übersicht, dazu zeichnet ihn eine Ruhe am Ball aus.

Dass er in seinem jungen Alter noch nicht die Physis eines ausgewachsenen Mannes mitbringt, ist normal. Deshalb verordnete ihm Tuchel ein spezielles Athletiktraining, "um an meiner Statur und an meiner Robustheit zu arbeiten", wie er im Interview mit Goal erklärte.

Dies ist genau der Unterschied zu seinem Konkurrenten Sven Bender: Während der lange lädierte Bender wieder auf dem besten Wege ist, sich Wettkampfhärte und Robustheit im Zweikampf anzueignen, hat Weigl ihm die Spielstärke und Genauigkeit bei Zuspielen voraus.

Tuchels Tests im 4-1-4-1 zeigten, dass der einzige Sechser in diesem System beim Spielaufbau oft von den Innenverteidigern angespielt wird. Weigl erledigte seinen Job, auch was Defensivzweikämpfe angeht, dabei mehr als ordentlich.

In Abwesenheit des verletzten Nuri Sahin, dessen Rückkehr alles andere als absehbar ist, hat Weigl somit auf Anhieb gute Chancen, sich nah an die erste Elf zu spielen.

Er selbst stapelt zunächst tief: "Ich sehe mich im Kader in der Herausfordererposition. Ich werde versuchen, mich möglichst schnell an das Tempo und die Härte zu gewöhnen, um früher oder später eine Option zu sein", so der U-20-Nationalspieler. SPOX

Tuchel bescheinigte ihm, auf einem guten Weg zu sein: "Julian macht schon die ganze Zeit einen sehr guten Eindruck. Er begeistert uns mit seiner Frische und Unbekümmertheit. Gleichzeitig aber mit der Fähigkeit, auch zu lernen und Dinge aufzusaugen. Er ist ein total klarer, herzlicher und offener junger Mann."

Trotz dieser Vorschusslorbeeren - Ilkay Gündogan sieht in ihm beispielsweise einen Diamanten, den es zu schleifen gelte - muss Weigl darauf achten, weiterhin bescheiden und hungrig zu bleiben.

Die Konkurrenz ist hart, das Gedränge im Mittelfeld groß. Solange er regelmäßige Einsatzzeiten bekommt, hat sich der Wechsel zum BVB für ihn bereits gelohnt.

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Gonzalo Castro (11 Mio. Euro von Leverkusen)

Der Ex-Leverkusener gehört zu den Kandidaten, die sich zusammen mit Weigl im Mittelfeld-Topf befinden. An Erfahrung mangelt es dem 286-maligen Bundesligaspieler sicher nicht, nach 16 Jahren unterm Bayer-Kreuz ist es für Castro jedoch vor allem eine mentale Umstellung, derzeit die zahlreichen Einflüsse des neuen Vereins zu verarbeiten. "In den ersten Wochen war vieles noch neu", meinte Castro am Donnerstag.

Im Training zieht der 28-Jährige gut mit und gibt sich als Leisetreter. Im Spiel übernahm er allerdings bereits dominantere Rollen, in Bochum durfte er sich in der zweiten Halbzeit als Zehner versuchen. Da war viel Licht und Schatten dabei, vor allem seine Standards waren ausbaufähig.

Deutlich besser in Szene setzen konnte sich Castro dagegen als Achter in Luzern - übrigens an der Seite von Weigl.

"Ein Schritt hinaus ins Licht" sei Castros Leistung gegen die Schweizer gewesen, sagte Tuchel. "Er hat ein sehr aufmerksames und fleißiges Spiel abgeliefert, viele zweite Bälle zurückerobert, sehr gut nach vorne verteidigt. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass es eine gute Leistung von uns war."

Dabei begann die Partie in der swissporarena für Castro nicht unbedingt nach Plan: Kurz vor dem 1:0 des BVB fuhr ihn Tuchel lautstark an, weil ihm bei einer Umschaltbewegung ein simpler Pass auf den Flügel, um Marco Reus ins Tempo zu schicken, deutlich missglückte.

In der Folge deutete er jedoch sein variables Offensivpotential an und bot sich immer wieder geschickt in den Halbräumen an. Auch dank ihm gelangen Dortmund in dieser Partie zahlreiche Durchbrüche über die Flügel, besonders auf der rechten Seite - seit jeher Castros bevorzugtes Areal.

Allerdings ist es auch beim Elf-Millionen-Euro-Einkauf unsicher, wie oft er letztlich in der Anfangsformation auftauchen wird. Auf den Halbpositionen im 4-1-4-1 sind in erster Linie Gündogan, Shinji Kagawa und Henrikh Mkhitaryan seine Konkurrenten.

"Ich würde es nicht als Problem bezeichnen, sondern als Plus für uns", sagte Sportdirektor Michael Zorc zur Tatsache, dass Castro eigentlich als Ersatz für den abwanderungswilligen Gündogan eingeplant war.

Ob es am Ende auch ein Plus für Castro ("Konkurrenzkampf ist immer gut") selbst wird, steht allerdings noch in den Sternen.

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