Die Hinrunde der Bundesliga-Saison ist Geschichte. SPOX blickt auf die negativen Höhepunkte des ersten Teils der Saison 2015/2016 zurück. Mit dabei: Multipel fürchterliche Schwaben, Augsburger Grasschänder und Schalker Mordanschläge. Außerdem: Der ewig nervige Pep.
Enttäuschung der Hinrunde: VfB Stuttgart
Nicht zum ersten Mal sprach die halbe Bundesliga kurz vor der Saison vom wiedererstarkten VfB Stuttgart, der mit seinen klugen Einkäufen nichts mit dem Abstiegskampf zu tun haben werde und manch naiven Optimisten selbst von Europa träumen ließ.
Doch dann schlug die harte Realität zu und das alte Spiel begann. Die ersten Partien liefen nicht wie erwartet, besonders die individuellen Fehler in der Abwehr hinterließen erneut fassungslose Gesichter und plötzlich schwamm man im gewohnten Abwärtsstrudel.
Dieses Mal überraschte Stuttgart unter Neu-Trainer Alexander Zorniger sogar mit frischem Offensivfußball, der jedoch in trauriger Regelmäßigkeit kurz vor der Torlinie ein Ende fand: Erst Köln (1:3), dann Hamburg (2:3), dann die Eintracht (1:4) - Chancen gab es einige, nur VfB-Tore fand man mit Saisonbeginn selten auf dem Spielbogen.
Dazu brachte das Team kaum eine Führung über die Zeit. Trauriges Highlight das Spiel gegen Leverkusen, als die Schwaben bereits mit 3:1 in Front lagen und dem Gegner am Ende trotzdem zum Sieg gratulieren mussten.
Wieder zog Stuttgart kurz vor Weihnachten die Reißleine, Zorniger nahm den Hut und Interimstrainer Jürgen Kramny wurde zum neunten VfB-Trainer der vergangenen fünf Jahre. Zumindest sah das Neckarstadion durch den Sieg gegen die Wölfe einen erfreulichen Halbserien-Abschluss und den Sprung auf einen Nicht-Abstiegsplatz. Hübsche Kosmetik für eine abermals furchtbare Hinrunde.
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Die Entscheidung der Hinrunde: Lucien Favre
Es war der Weckruf für alle Gladbach-Fans, die seit vier Jahren im wohligen Winterschlaf, frei von Abstiegssorgen und voller internationalen Freuden, ruhten. Am 20. September trat Lucien Favre nach fünf Pleiten in Folge vollkommen überraschend von seinem Amt als Cheftrainer von Borussia Mönchengladbach zurück.
Obwohl die sportliche Führung bis zuletzt versuchte, den Schweizer zum Verbleib zu überreden, wie Rainer Bonhof im Interview mit SPOX erzählte, wählte Favre eigenmächtig den Weg an die Öffentlichkeit und stellte den Verein vor vollendete Tatsachen.
Favre beendete damit die erfolgreichste Ära der jüngeren Vereinshistorie, die mit dem nicht mehr für möglich gehaltenen Klassenerhalt in der Saison 2010/11 begann und mit der Qualifikation für die Gruppenphase der Champions League in der vergangenen Spielzeit gipfelte.
Aus der Not geboren entschied man sich bei den Fohlen, U23-Trainer Andre Schubert vorläufig mit der Betreuung der Profis zu beauftragen. Der 44-Jährige feierte einen unfassbaren Einstand, holte sechs Siege in Folge und stellte damit den Rekord von Willi Entenmann aus dem Jahre 1986 ein.
Am 13. November beförderte Gladbach Schubert zum Cheftrainer und stattete ihn mit einem Vertrag bis 2017 aus.
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Unsportlichkeit der Hinrunde: Marwin Hitz
Selten passte der Ausdruck "Fairplay mit Füßen treten" so gut wie am 15. Spieltag: FCA-Keeper Marvin Hitz fühlte sich nach einer Elfmeter-Entscheidung gegen ihn unfair behandelt - seinem Gegenspieler Philipp Hosiner warf er eine Schwalbe vor -, sodass er kurzerhand Selbstjustiz verübte und den Elfmeterpunkt mehr oder minder unauffällig mit seinen Stollen zerpflügte.
Anthony Modeste lief zum Strafstoß an, rutschte passenderweise genau auf der von Hitz ramponierten Rasenstelle aus und verschoss - der Skandal war perfekt. Recht unbeholfen versuchten die FCA-Verantwortlichen die Aktion zu rechtfertigen ("Manchmal, wenn man ungerecht behandelt wird, reagiert man über"), bis Hitz selbst zugab: "Es war nicht die fairste Aktion. Ich würde es nicht mehr machen."
Immerhin hatte der Spieltag ein amüsantes Nachspiel, der die unrühmliche Aktion ein wenig milderte: Nachdem Kölns Stadion-Chef Hans Rütten Hitz eine Rechnung über 122,92 Euro für den Austausch des Rasens im Kölner Stadion hatte zukommen lassen, akzeptierte der Keeper die Bestrafung und konterte amüsiert: "Ich glaube, dass unsere Greenkeeper den Elfmeterpunkt schneller ausgebessert hätten!" Auch der FCA kündigte an, den FC mit einem Rasenmäher unterstützen zu wollen.
Die beste Zusammenfassung von Hitz' Aktion lieferte aber immer noch FCA-Manager Stefan Reuter: "Er hat nicht gut, nicht clever und nicht fair reagiert."
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Der Transfer-Flop der Hinrunde: Josip Drmic
Josip Drmic hieß Gladbachs Antwort auf den Abgang von Max Kruse zu Beginn der Saison. Zwar war man sich am Niederrhein sicher, dass Drmic Kruse nicht eins zu eins würde ersetzen können, dennoch erhoffte man sich, durch den Schweizer in der Offensive breiter aufgestellt zu sein.
Sechs Monate später muss man sich jedoch eingestehen, dass weder Favre noch Schubert einen Weg gefunden haben, den Stürmer so im Spiel zu integrieren, dass dieser seine Fähigkeiten ausspielen kann. Der Schweizer setzte Drmic zunächst als einzige Spitze ein, später dann im Doppelsturm mit Raffael.
Unter Schubert kam der Ex-Nürnberger erstmals gegen Ingolstadt zum Einsatz, fand dabei allerdings überhaupt keine Bindung zum Spiel und wurde schon nach 55. Minuten wieder ausgewechselt. Als sich fast alle Flügelspieler Gladbachs Ende der Saison verletzten, wurde Drmic auch dort getestet, ohne jedoch nachhaltig zu überzeugen. In seinen 435 Einsatz-Minuten gab Drmic gerade einmal vier Torschüsse ab, bereitete einen Torschuss vor und erzielte einen Treffer.
Drmic, mit 10 Millionen Euro nach Luuk de Jong (12 Mio.) der zweitteuerste Transfer der Gladbacher Vereinshistorie, scheint demselben Schicksal wie der Niederländer entgegen zu schlittern. Gerüchte um einen Abgang im Winter kursieren bereits, Interesse soll es aus England und der Bundesliga geben. Ob die Borussia Drmic trotz der dünnen, personellen Lage im Angriff ziehen lässt, ist allerdings fraglich.
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Aufreger der Hinrunde: Johannes Geis' Foul an Andre Hahn
Schöne Bilder könnte man sich einfallen lassen mit den Namen beider Protagonisten, aber dafür ist die Thematik dieser Kategorie wohl zu ernst. Denn Gladbachs Andre Hahn zog sich nach einem Foul von Johannes Geis eine Fraktur des Schienbeinkopfes und einen Riss des Außenmeniskus zu. Für ihn war die Hinrunde gelaufen. Im Netz überschlugen sich die Beschimpfungen von Geis.
Ähnlich erschreckend wie die Bilder des Fouls waren die Reaktionen und Entgleisungen manch Unbeteiligter. Geis würde an den Pranger gestellt, Vorsatz und Absicht wurden ihm unterstellt. Eine Sperre mit der gleichen Dauer wie der Ausfallzeit Hahns wurden gefordert. Es war eine Treibjagd, die Geis auch mit einer öffentlichen Entschuldigung und Erklärung der Situation seinerseits nicht stoppen konnte.
Johannes Geis im Porträt: Der fehlende Stratege
"Ich habe ihn in der Situation nicht richtig gesehen und habe seine Bewegungen falsch eingeschätzt", sagte Geis. Und wer sich die Szene genauer und nicht von Emotionen geleitet anschaut, wird auch zu diesem Schluss kommen.
Vom DFB wurde er fünf Spiele gesperrt, darunter auch das nur wenige Tage später stattfindende "Rückspiel" zwischen beiden Teams im DFB-Pokal.
"Wer mich kennt, weiß, dass ich ein fairer Sportsmann bin und mir so etwas in meiner Karriere noch nie passiert ist", sagte Geis, der sich nur vorwerfen lassen muss, dass er auf dem Platz in der ersten Reaktionen seine Schuld nicht anerkannte.
Dem Jahr 2015 wird in Geis' Karriere trotzdem das Foul anhaften. Dabei hat er in diesem Jahr in Mainz und auf Schalke den endgültigen Durchbruch geschafft. Er war, über das gesamte Jahr gesehen, der auffälligste und beste deutsche Spieler auf der Sechs - noch vor Julian Weigl, der zu Beginn des Jahres noch bei 1860 auf der Bank saß.
Andre Breitenreiter hat ihm auf Schalke sofort das Zentrum anvertraut, er lenkt das Spiel mit seinen Pässen und beeinflusst es auch durch seine Standards. Wie wichtig er für S04 ist, zeigte auch die Zeit seiner Sperre: Schalke gewann kein Spiel.
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Fehlentscheidung der Hinrunde: Leon Andreasens Hand-Tor
Es ist der 9. Spieltag. Hannover spielt in Köln. Es läuft die 38. Minute. Die Gastgeber sind die bessere Mannschaft, 96 läuft hauptsächlich hinterher. Dann aber eine Standardsituation für die Gäste aus Niedersachsen. Kiyotake bringt den Eckball von rechts herein, über FC-Schlussmann Horn kommt der Ball zu Andreasen, der ihn mit dem rechten Unterarm ins Tor bugsiert.
Schiedsrichter Dankert konnte das Handspiel nicht erkennen und entscheidet auf Tor für Hannover. Das Tor zählt. Die Kölner protestieren freilich erbittert, Andreasen lässt sich feiern.
Es bleibt das einzige Tor an diesem Nachmittag. Köln verliert aufgrund der unfairen Aktion des dänischen Mittelfeldspielers und der falschen Einschätzung Dankerts und seiner Kollegen.
Danach wird wie immer nach krassen Fehlentscheidungen erregt diskutiert. Andreasen versucht sich irgendwie rauszureden, die an sich sehr übersichtliche Szenerie als heilloses Kuddelmuddel darzustellen: "Ich spüre, dass mich etwas am Arm trifft. Es geht alles sehr schnell, der Torwart war auch dran."
Schiedsrichter Dankert ist nach der Partie konsterniert: "Nach dem Studium der Bilder muss man sagen, dass das auf diesem Niveau nicht passieren darf, solche Fehler zu machen."
Andere stimmen den Abgesang auf Fairness, Ehrlichkeit und Kameradschaft an.
Der Kontrollausschuss des DFB ermittelt wegen des Verdachts des "krass sportwidrigen Verhaltens" gegen Andreasen, sieht aber letztlich von einer Bestrafung ab. In der Begründung heißt es: Dankert hätte Andreasen schon befragen und der Spieler den Schiedsrichter anlügen müssen, um den Tatbestand als erfüllt zu werten.
Ziemlich viel Heckmeck also um einen ziemlich simplen Vorgang, der am Ende irgendwie alle nicht gut dastehen lässt. Köln hat keine Punkte, Andreasen ein angekratztes Image, Dankert muss sich einen Blinden nennen lassen und öffentlich zu Kreuze kriechen und der DFB-Kontrollausschuss verschwendet seine Zeit.
Da ist die Gelegenheit doch günstig, mal wieder an den Videobeweis zu erinnern. Der wäre auch keine Garantie für die absolute Gerechtigkeit, würde aber doch einiges an Ärger und Arbeit ersparen.
Gleichzeitig könnte von ihm eine erzieherische Wirkung ausgehen: Wer vermag schon zu sagen, wie viele Sünder gleich ein vollumfängliches Geständnis ablegen würden - wohl wissend, Sekunden später von messerscharfen TV-Bildern entlarvt zu werden? Und mal ganz blauäugig geträumt: Vielleicht würde der eine oder andere den Scheiß gleich bleiben lassen.
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Nervthema der Hinrunde: Guardiolas Zukunft
Er geht, er bleibt, wir haben die besten Karten (Kalle Rummenigge), er hat schon bei City unterschrieben, nein halt, er bleibt doch, nein, jetzt geht die Tendenz Richtung Abschied, der Vorvertrag mit United steht, es gibt keinen Grund zu gehen, aha, jetzt geht er doch - was in den letzten Monaten rund um Pep Guardiolas Zukunft geschrieben, spekuliert und orakelt wurde, sprengte den Rahmen des Erträglichen.
Je näher das von Anfang an von Klub und Coach ausgegebene Datum der Verkündung rückte, umso mehr sahen sich einige Reporter veranlasst, den Sport noch mehr in den Hintergrund rücken zu lassen und Guardiola dennoch bei jeder Gelegenheit zu seiner Zukunft zu fragen.
Das Ergebnis? Ein genervter Pep, der jedes Mal dünnhäutig mit "Weiter" oder "Nächste Frage" antworten musste.
Doch das ist jetzt vorbei. Nach dem letzten Hinrundenspiel verkündete der Katalane, seinen Vertrag im Sommer nicht zu verlängern. Wo es ihn hinzieht oder ob Pep wieder eine Pause einlegt, bleibt abzuwarten. Genauso, wie die Diskussionen, die wohl oder übel über Peps Motivation in seinem letzten Halbjahr auftauchen. Wir hören uns dann beim Nervthema der Rückrunde...
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